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Transatlantische Beziehungen: vier außen- und sicherheitspolitische Großbaustellen

Dienstag, 23. März 2021

Flickr/CC BY-SA 2.0/Matt Wade

Am 20. Januar 2021 hat Joseph R. Biden das Amt des 46. Präsidenten der USA angetreten und in zahlreichen Feldern eine Abkehr von der Politik seines Vorgängers angekündigt. Welcher Kurs ist von ihm in der Außen- und Sicherheitspolitik zu erwarten? (Foto: Flickr/CC BY-SA 2.0/Matt Wade)

 

Lastenteilung in der NATO

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg gratuliert Joe Biden zu seiner Amtseinführung.
Foto: NATO

Bereits in seiner Amtsantrittsrede vor dem Kapitol sagte der neue US-Präsident, dass die USA ihre Allianzen reparieren und sich wieder in der Welt engagieren würden. NATO-Generalsekretär Stoltenberg sprach bei Bidens Amtsübernahme hoffnungsvoll vom „Beginn eines neuen Kapitels für die transatlantische Allianz“. Politik, Medien und die Fachcommunity sind sich einig, dass mit Joe Biden ein ausgewiesener Transatlantiker das Weiße Haus bezogen hat. Ebenso einmütig stellen sie fest, dass ein wichtiges Interesse der USA eine faire Lastenteilung innerhalb der NATO ist – sowohl mit Blick auf die Bündnisverteidigung als auch auf Einsätze in Krisenregionen. Somit wird auch Biden deutlich für das Erreichen des Zwei-Prozent-Ziels bei den Verteidigungsausgaben und für mehr militärisches Engagement der Verbündeten eintreten. „Europa muss politisch und militärisch handlungsfähig sein“, schreiben Dr. Ellen Ueberschär und BAKS-Vizepräsident Dr. Patrick Keller dazu in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel – „Nicht, um Amerika loszuwerden […], sondern im Gegenteil, um Amerika in Europa zu halten“.

China

Bereits vor zehn Jahren waren Biden und Xi Jinping Amtskollegen. Heute stehen sie sich als mächtigste Männer ihrer Staaten gegenüber.
Foto: Official White House

In der US-Politik wird China parteienübergreifend als der zentrale Herausforderer auf der Weltbühne betrachtet. In einer ersten Grundsatzrede zur Rolle der USA in der internationalen Politik Anfang Februar bezeichnete Biden die Volksrepublik denn auch als Amerikas „most serious competitor“ und ließ keinen Zweifel daran, dass unter ihm in wirtschafts-, menschenrechts- und globalen Ordnungsfragen mit einem harten Kurs gegenüber China zu rechnen sei. Zugleich äußerte er seine Bereitschaft, „mit Peking zusammenzuarbeiten, wenn es in Amerikas Interesse ist“. Gegenüber seinem Amtsvorgänger werde Biden dabei allerdings versuchen, Europa einzubinden, sind sich Fachleute einig. „Der US-Präsident hat sehr deutlich gemacht, dass die USA unter seiner Führung auf enge Zusammenarbeit mit den Verbündeten setzen, auch und gerade mit Blick auf Peking“, sagt BAKS-Präsident Brose. "Wie halten wir es mit China?" sei demnach eine der „Gretchenfragen" Bidens an Europa und Deutschland. Die amerikanisch-chinesische Rivalität hält der BAKS-Präsident für unvermeidlich, doch sie dürfe nicht zu einem offenen Konflikt eskalieren. Für Brüssel und Berlin gelte es, den Dialog zu diversifizieren und ihn konstruktiv zu gestalten helfen, so Brose gegenüber China Table: „In diesem Sinne sollten wir uns aktiv einbringen, eng abgestimmt im Kreis der Alliierten.“

Russland

Russlands Präsident Wladimir Putin und US-Vizepräsident Joe Biden bei einem bilateralen Treffen in Moskau 2011.
Foto: Official White House/David Lienemann

Der BAKS-Präsident sieht die US-Beziehungen zu Moskau derzeit angespannt: „Russland kämpft gegen den wirtschaftlichen Abstieg und hat sich durch seine aggressive Politik gegenüber der Ukraine, vielfach versuchte ausländische Wahlbeeinflussung und sein brutales Vorgehen gegen russische Oppositionelle als potentieller Partner in eine Abseitsposition manövriert“. „Dennoch hat Frankreichs Präsident Macron Recht wenn er sagt, der Dialog mit Moskau sei unerlässlich“, um in Frieden zu leben, sagte Brose kürzlich gegenüber der Heilbronner Stimme. Das gelte auch und ganz besonders auf dem Feld der Rüstungskontrolle. Mit dem Ausstieg der USA und Russlands aus dem INF-Vertrag 2019 und dem Rückzug der Vereinigten Staaten aus dem Open-Skies-Abkommen 2020 sind zwei Vertragswerke für nukleare Rüstungskontrolle und Vertrauensbildung zwischen Washington und Moskau auf der Strecke geblieben. Auch das New START-Abkommen zur Begrenzung strategischer Nuklearwaffen stand im Februar 2021 vor dem Auslaufen, doch eine der ersten außenpolitischen Amtshandlungen Bidens und seines Außenministers Antony Blinken war seine Verlängerung – „hoffentlich ein gutes Vorzeichen für weitere Schritte zum Erhalt der gefährdeten Rüstungskontrollarchitektur“, sagt BAKS-Präsident Brose.

Mittlerer Osten

Ein US-Soldat beobachtet mit einem Fernglas die Umgebung in Katar.
Foto: Flickr/CC BY-NC-ND 2.0/U.S. Army

Auch im Mittleren Osten steht die Biden-Administration vor großen außen- und sicherheitspolitischen Herausforderungen. Während die USA bereits unter Präsident Obama ihren strategischen Blick nach Ostasien richteten hat sich dort der jahrzehntelange Konflikt zwischen Iran und Saudi-Arabien „zu einem regelrechten Kalten Krieg“ ausgeweitet, wie Guido Steinberg in einem BAKS-Arbeitspapier schreibt. In Europa hat die Wahl Bidens Hoffnungen geweckt, im Atomstreit mit Teheran wieder zu einer Verhandlungslösung zu kommen, doch „eine Rückehr zum Atomabkommen mit Iran in seiner früheren Form“ sei unwahrscheinlich, schreibt Steinberg. Gleichwohl darf Bidens Berufung Robert Malleys als Iran-Beauftragter der neuen US-Regierung als ein Zeichen verstärkter diplomatischer Ambition verstanden werden – Malley war Chefunterhändler der USA in den Verhandlungen über das Atomabkommen gewesen.

Emotionale Überzeugungsarbeit

Diese vier Großbaustellen werden der Biden-Administration nicht nur ein hohes Maß an außen- und sicherheitspolitischem Geschick, sondern auch emotionale Überzeugungsarbeit abverlangen. Eine kürzlich im Auftrag des European Council on Foreign Relations vorgelegte Studie belegt den unter Trump eingetretenen Vertrauensverlust in die USA bei allen europäischen Partnern. Gleichzeitig hat Biden auch große innenpolitische Herausforderungen geerbt, denen sich die neue US-Regierung mit hoher Dringlichkeit widmen muss. Das sollte diesseits des Atlantiks jedoch nicht zur Passivität verleiten, so BAKS-Präsident Brose in einem Kommentar anlässlich Bidens Wahl, denn: „Partnerschaft mit Bidens Amerika gepaart mit eigener Stärke bietet Europa die beste Chance, sich in der Welt von Morgen zu behaupten. Nutzen wir sie“.

Autoren: Redaktion