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Zusammenfassung Modul 9: Planungs- und Entscheidungsprozesse

Dienstag, 14. Juni 2011

Nachdem sich die Teilnehmer des diesjährigen Seminars für Sicherheitspolitik (SP 11) in den Modulen 1 - 8 mit sicherheitspolitischen Grundlagen und Rahmenbedingungen des umfassenden, vernetzten Sicherheitsbegriffs befasst hatten, stand im Modul 9 die Umsetzung der bisher gewonnenen Erkenntnis in einem Planspiel im Mittelpunkt. Simuliert wurden dabei die Planungs- und Entscheidungsprozesse auf Ebene der Bundesministerien und nachgeordneter Bereiche im Rahmen einer komplexen Krisenlage.

Gruppenbild eines Lehrgangs vor dem Gebäude der BAKS

Gruppenfoto des Seminars für Sicherheitspolitik vor der BAKS
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik

Folgende Inhalte prägten das Modul 9:

  • Religion in Konflikten / Globale Ethik
  • Cybersicherheit
  • Deutsche Außenpolitik am Beispiel der FDP- Bundestagsfraktion
  • Besuch Gedenkstätte Bernauer Straße und Deutsches Historisches Museum
  • Planspiel
  • Vorstellung der SÜA im Bundeskanzleramt und an der BAKS
  • Transferworkshop

1. Religion in Konflikten / Globale Ethik

Bei der Beschäftigung mit Religion und deren Auswirkungen auf politische Handlungen, kann man erkennen, dass diese nicht nur Auswirkungen auf die Politik und Gesellschaft eines Staates haben, sondern auch das Selbstverständnis einer Religionsgruppe selbst prägen.
Religionen sind normalerweise nicht der Grund bzw. primärer Verursacher von Gewalt, spielen aber oft bei der Rechtfertigung von Gewalt eine Rolle. Zu fundamentalistischen Auswirkungen bei der Ausübung von Religion kann es dann kommen, wenn Gesellschaften nicht mit Veränderungen umgehen können. Politische Gruppen haben in der Vergangenheit immer wieder Religion als Rechtfertigung für Gewalt benutzt.
Zur Ambivalenz von Religiosität gehört aber auch ihre positive Seite: Frieden zu stiften und Gewalt zu überwinden.

2. Cybersicherheit

Im Bundesministerium des Innern stellte Frau Staatssekretärin Rogall-Grothe dem Seminar die kürzlich verabschiedete Cyber-Sicherheitsstrategie für Deutschland vor.
Die zunehmende Professionalisierung von Angriffen auf das Internet und auf Computernetz-werke von Behörden und Unternehmen machen eine Intensivierung des Informationsaustauschs und der Koordinierung von Abwehrmaßnahmen erforderlich. Zu diesem Zweck wurden auf der Grundlage der Cyber-Sicherheitsstrategie ein Nationaler Cyber-Sicherheitsrat sowie ein Nationales Cyber-Abwehrzentrum eingerichtet.
Dem Nationalen Cyber-Sicherheitsrat kommt die Aufgabe zu, die politische Planung zur
Cyber-Sicherheit in Deutschland zu koordinieren. Das Nationale Cyber-Abwehrzentrum op-timiert die operative Zusammenarbeit bei Angriffen auf das Internet und Computernetzwerke von Behörden und Unternehmen in Deutschland. Ziel der Cyber-Sicherheitsstrategie ist, die Zusammenarbeit zur Cyber-Sicherheit auf nationaler Ebene zu verbessern und deutsche Interessen in die internationale Zusammenarbeit verstärkt einzubringen.

3. Deutsche Außenpolitik am Beispiel der FDP-Bundestagsfraktion

Die Seminarteilnehmer trafen sich mit der Vertretern der FDP-Fraktion, den Herren Abgeordneten Spatz und Schnurr, zu einem Gespräch im Paul-Löbe-Haus.
Bei der Diskussion wurden vor allem die außenpolitischen Themen Türkei und Libyen, aber auch die aktuelle Bundeswehrreform kritisch beleuchtet. Die beiden Abgeordneten trugen dazu bei, den Diskussionsstand in der Fraktion, die Vorbereitung und Umsetzung von Empfehlungen, aber auch die Einflussnahme auf politische Entscheidungen, zu erläutern.

4. Besuch Gedenkstätte Bernauer Straße und Deutsches Historisches Museum

Die Auseinandersetzung mit historischen Ereignissen mit gesellschaftlichem und sicherheitspolitischem Bezug ist fester Bestandteil im Seminar für Sicherheitspolitik. Im letzten Modul des diesjährigen Seminars befassten sich die Seminarteilnehmer mit der Rolle der Polizei im Nationalsozialismus sowie mit der Bedeutung des Grenz-Regimes der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) für beide deutsche Staaten. Eine Führung durch die Ausstellung „Ordnung und Vernichtung - Polizei im NS-Staat“ im Deutschen Historischen Museum (DHM) verdeutlichte die Verstrickung der Polizei in die Gewaltpolitik des Nationalsozialistischen Staates. Nicht nur die unterschiedlichen Geheimpolizeien, sondern auch weite Teile der Kriminalpolizei und der Ordnungspolizei waren im Nationalsozialismus sowohl in Deutschland als auch in allen besetzten Gebieten an der systematischen massen-haften Ermordung von Menschen beteiligt.
Bei einer Führung durch die Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße mit anschließender Diskussion konnten die Seminarteilnehmer Teile der ehemaligen Grenzanlage der DDR besichtigen und sich intensiv über die Bedeutung der Grenzanlage für die Bürger und die Grenzsoldaten der DDR austauschen. Die individuelle Auseinandersetzung der Grenzsoldaten mit ihren Handlungsspielräumen zwischen Befehlslage und Gewissen wurde besonders eingehend diskutiert.

5. Planspiel

Ein dreitägiges sicherheitspolitisches Planspiel bildete den zusammenfassenden inhaltlichen Höhepunkt des Seminars. Als Angehörige ministerieller Arbeitsstäbe der im Bundessicherheitsrat vertretenen Ressorts mussten die Teilnehmer ihre gewonnene Handlungs- und Entscheidungskompetenz in multidimensional angelegten Krisenszenarien unter Beweis stellen.
Religiös und ethnisch bedingte Unruhen in einem regionalen Konflikt in einem fiktiven Land hatten zur Gefährdung von deutschen Staatsbürgern geführt. Damit verbunden waren Terrordrohungen und -anschläge in Deutschland. In den Phasen Lagefeststellung, Bewertung sowie intra- und interministerieller Abstimmung wurden Handlungsempfehlungen entwickelt und Entscheidungsvorschläge erarbeitet. In zahlreichen Formaten (u.a. Interviews, Pressekonfe-renzen, Talkshow) konnten die Semiarteilnehmer ihre im Modul 5 gewonnenen medialen Er-fahrungen gewinnbringend einsetzen.
Kabinettssitzungen der Bundesregierung wurden ressortübergreifend vorbereitend abgestimmt und die getroffenen Entscheidungen umgesetzt. Die komplex ausgearbeitete sicherheitspolitische Lage bot den Semiarteilnehmern die Möglichkeit, in zentralen innen- und außenpolitischen Bereichen die sich entwickelnden Problemfelder zu erkennen, systematisch darzustellen und daraus strategische Handlungsoptionen abzuleiten.
Auf der Basis der im bisherigen Verlauf des Seminars vermittelten Grundlagen der vernetzten Sicherheit konnten die Seminarteilnehmer die gesamte Bandbreite zur Konfliktlösung beitra-gender Handlungsoptionen abwägen. Diese umfassten von humanitärer Soforthilfe über lang-fristige Entwicklungszusammenarbeit auch die Unterstützung beim Aufbau eines Rechtsstaa-tes mit Polizei- und Justizkräften, schlussendlich aber auch den Einsatz militärischer Mittel. Der Einsatz sämtlicher Handlungsoptionen war dabei innerhalb der Regierung und mit multinationalen Partnern zu planen.
Die Komplexität dieser Handlungsstränge, aber auch der eigene zielgerichtete Beitrag am Gesamtprozess wurde den Seminarteilnehmern deutlich vor Augen geführt.

6. Vorstellung der Seminar übergreifenden Aufgabe (SÜA) im Bundeskanzleramt und an der der BAKS

Es ist bewährte Tradition, dass die Teilnehmer in der Zeit des sechsmonatigen Seminars für Sicherheitspolitik, über ein vom Bundeskanzleramt vorgegebenes Thema, eine Seminarüber-greifende Aufgabe (SÜA) erstellen.
Am 11. Januar 2011 hatte der Chef BK, Herr BM Ronald Pofalla, den Teilnehmern des Seminars für Sicherheitspolitik 2011 im Rahmen einer Abendveranstaltung das Thema „Europa und der Vordere Orient - zur strategischen Bedeutung der Türkei“ benannt. Dieses wurde unter besonderer Berücksichtigung des Nahostkonflikts, des Irans, der Energiesicherheit und von Migration und Integration bearbeitet.
Das SP11 ist den genannten Schwerpunkten in vier Arbeitsgruppen im Rahmen von Gruppen- und Einzelrecherchen nachgegangen. Wichtige Impulse stammten aus Vorträgen, Diskussionen mit Vertretern von Regierung, Opposition, Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft sowie von Feldstudien in Berlin, Hamburg, Brüssel, Paris, Moskau, Washington/DC, New York, Ankara, Istanbul, Kairo, Beirut, Tel Aviv, Jerusalem und Ramallah.

Im Laufe der Auseinandersetzung mit dem Thema „Europa und der Vordere Orient - zur strategischen Bedeutung der Türkei“ haben auch die Ereignisse in „Fukushima“ und deren Folgen für Deutschland sowie der „Arabische Frühling“ eine besondere Berücksichtigung in der SÜA gefunden.
Das SP11 hatte am 20.06.2011 im Bundeskanzleramt die Gelegenheit, die Ergebnisse der SÜA dem Staatsminister im Bundeskanzleramt, Herrn Eckart von Klaeden, vorzustellen und zu erläutern.
Abschließend fand am 22.06.2011 eine fachlich hochrangig besetzte Studienkonferenz zur SÜA statt, an der interessierte Diplomaten und Politikwissenschaftler aus verschiedenen Fakultäten, Stiftungen und Einrichtungen teilnahmen. Es herrschte eine angeregte Diskussion über die in der SÜA formulierten Standpunkte zu den Themen nahost, Iran, Energiepolitik sowie zu Fragen der Migration und Integration, darüber hinaus auch zu Perspektiven eines möglichen EU-Beitritts der Türkei. Die intensive, spannend geführte Debatte über die strate-gische Bedeutung der Türkei erwies sich für alle Seiten als nützlich und gewinnbringend.

7. Transferworkshop

Den Abschluss im Modul 9 bildete ein zweitägiger Transformationsworkshop. Hierbei hatten die Teilnehmer des SP 11 die Gelegenheit, im Seminar gewonnene Erkenntnisse zu reflektieren und zu diskutieren.
Diese Diskussion war wichtig, da die Seminarteilnehmer durch ihre unterschiedlichen beruflichen Hintergründe sowie die im Seminar zur Verfügung gestellten Informationen, Erkenntnisse unterschiedlich wahrnahmen, beurteilten und daraus folgend, zu teilweise unterschiedlichen Ergebnissen kamen.
Der Transformationsworkshop führte zu einer Bereicherung des Seminars, da die unterschiedlichen Perzeptionen der Teilnehmer reflektiert wurden. Der Gedanke der umfassenden Vernetzung stand dabei im Mittelpunkt.

Fazit:

In Modul 9 zeigte sich für die Semiarteilnehmer deutlich, wie komplex gesamtstaatliches sicherheitspolitisches Handeln auf den innen- und außenpolitischen Feldern ist und welche Bedeutung der vernetzte Ansatz hat. Der an der BAKS erlebte offene und sicherheitspolitische Diskurs mit herausgehobenen Entscheidungsträgern aus Politik, Wissenschaft, Medien und anderen gesellschaftlich relevanten Institutionen hat dazu intensiv beigetragen.

Autor: Arbeitsgruppe "Südamerika" des Seminars für Sicherheitspolitik 2011