„Ohne Sicherheit gibt es keinen Aufbau, ohne Aufbau keine Sicherheit“, so eine Afghanistan betreffende Feststellung im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung. Diese sich gegenseitig bedingenden Voraussetzungen für Stabilität und Entwicklung, gelten in besonderer Weise für das von Kriegen und inneren Umwälzungen gebeutelte Land am Hindukusch.
Winfried Nachtwei und Kersten Lahl
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspoliti
Aufgrund der prekären Entwicklungen der letzten Monate, nahm sich das diesjährige Follow-up der Bundesakademie für Sicherheitspolitik des komplexen Themas an. Ziel dieser Veranstaltung war es, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen umfassenden Einblick in die deutschen Anstrengungen in Afghanistan zu ermöglichen und mit ausgewiesenen Experten über den Status quo und Perspektiven zu diskutieren. Dabei war es den Organisatoren ein besonderes Anliegen, unterschiedlichen am Aufbau und der Sicherung Afghanistans beteiligten Behörden und Organisationen, ein Forum für die Vorstellung ihrer Arbeit zu bieten.
Der Teilnehmerkreis der Veranstaltung setzte sich aus den Alumni der Seminare für Sicherheitspolitik von 2008 und 2009 zusammen. Anderthalb Tage diskutierten diese Entscheidungsträger aus öffentlicher Verwaltung, Wirtschaft und Militär darüber, wie sich die ressortübergreifenden Anstrengungen in Afghanistan für einen nachhaltigen Erfolg optimieren lassen.
Weitgehende Einigkeit bestand in der Feststellung, dass eine Stärkung des zivilen Engagements, sowohl personell als auch finanziell, dringend erforderlich ist, um eine nachhaltige Stabilisierung Afghanistans zu ermöglichen. Die Hervorhebung des Engagements in Afghanistans im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung, als von „besonderem nationalen Interesse“, fand breite Zustimmung und die geplante Berufung eines Sonderbotschafters sowie die Bildung eines Kabinettsausschusses für Afghanistan wurden als überfällige Maßnahmen zur besseren Koordinierung der dortigen Anstrengungen begrüßt.
Zudem solle der Aufbau der afghanischen Bildungseinrichtungen und die Entwicklung der lokalen und regionalen Wirtschaft gleichermaßen vorangetrieben werden. Zukünftigen Absolventen müssen auch gute berufliche Perspektiven eröffnet werden, so ein weiteres Diskussionsergebnis.
Einer der Referent kritisierte in seinem Vortrag, dass der Wissenstand über Afghanistan, das Land, die Bevölkerung und die Entscheidungsträger/-strukturen, trotz des fast 8jährigen Engagements, bei den (deutschen) Entscheidungsträgern, immer noch sehr rudimentär sei. Um das komplexe afghanische „Wechselspiel“ bei der Bildung und Umbildung von Allianzen verstehen zu können, sei zudem auch das bessere „Kennenlernen“ des Gegners notwendige Vorbedingung. Hier müsse folglich mehr getan werden um eine entsprechende Empathie zu entwickeln.
Teilnehmer des Follow-Up 2009 beim Abendvortrag
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik
Ebenfalls wurde die Wahrnehmung des Afghanistan-Einsatzes durch die beteiligten Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr diskutiert. Als Probleme kamen sowohl die gefühlte Gleichgültigkeit der deutschen Bevölkerung gegenüber den Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan und die für die Bundeswehr in diesem Ausmaße neuen Erfahrungen von Verwundung, Töten und Tod im Einsatz zur Sprache.
Ein Höhepunkt waren die Ausführungen des aus dem Bundestag scheidenden Verteidigungsexperten von Bündnis90/Die Grünen, Winfried Nachtwei. Dieser berichtete von seiner 14. und letzten Abgeordnetenreise nach Afghanistan. Nachtwei sprach sich dabei besonders für eine Stärkere Förderung der afghanischen Landwirtschaft durch die deutsche Entwicklungshilfe aus.
Einigkeit unter den Referenten und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des diesjährigen Follow-up herrschte darin, dass die derzeitigen Anstrengungen für ein Gelingen der Gesamtmission nicht ausreichen. Dabei wurde besonders darauf hingewiesen, dass der Anteil ziviler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter erhöht werden müsse. Zur Entlastung der ISAFInternational Security Assistance Force-Truppen und im Sinne des „Afghan Ownership“, sei es weiterhin von besonderer Wichtigkeit Aufbau und Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte (Streitkräfte und Polizei) weiter voranzutreiben und die Sicherungs- bzw. Stabilisierungsaufgaben sukzessive an diese zu übertragen.
Autor: Christian Klein