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NATO Talk in Berlin: Renaissance der Abschreckungspolitik

Dienstag, 24. November 2015

Im Hotel „Adlon“ zogen mehrere hundert Experten der Sicherheitspolitik am 23. November eine „Halbzeitbilanz“ auf dem Weg zum nächsten Gipfel der Nordatlantikallianz: Die Erwartungen an Warschau 2016 sind hoch.

Ein Kampfpanzer mit NATO- und polnischer Flagge sowie zwei Soldaten auf einem militärischen Übungsgelände in Polen

Großübungen als Zeichen von Einsatzbereitschaft und Bündnissolidarität:
Manöver „Noble Jump 2015“ im Juni in Polen. Foto: NATO

„Wir sind nicht zusammengekommen um über, sondern mit dem Bündnis zu reden“, formulierte Karl-Heinz Kamp, Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, den Anspruch des „NATO Talk around the Brandenburger Tor“ der Deutschen Atlantischen Gesellschaft (DAG) und der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Unter dem Titel „Die NATO auf dem Weg nach Warschau“ widmete sich die in Kooperation mit der Botschaft der Republik Polen in Berlin ausgerichtete Veranstaltung den veränderten Perspektiven transatlantischer Sicherheit.

Als zentrale Problemlagen für die Allianz im Vorfeld des Warschauer Gipfels nannte der BAKS-Präsident zwei Entwicklungen, die zu Spannungen führten: Einerseits erlebe das System kollektiver Verteidigung in Folge der russischen Aggression in der Ukraine eine Renaissance - hieran seien in erster Linie die östlichen Bündnismitglieder interessiert. An der Südflanke der NATO hingegen liege der Fokus auf dem Erstarken des islamistischen Terrorismus und den Flüchtlingsströmen. Kamps Forderung: „In Warschau muss es einen Interessenausgleich geben, um eine Spaltung des Bündnisses zu verhindern.“

Festsaal im Berliner Hotel \"Adlon\" während der Konferenz der Deutschen Atlantischen GesellschaftIm Ballsaal des „Adlon“. Foto: Waldemar Salesski

Auch DAG-Präsident Christian Schmidt sieht Europa und die NATO vor den größten sicherheitspolitischen Herausforderungen seit dem Ende des Kalten Krieges. Eine neue Unsicherheit habe Einzug gehalten, der Krieg sei nach Europa zurückgekehrt. Schmidt mahnte, die Bande europäischer und transatlantischer Solidarität neu zu knüpfen. Auch Stephan Steinlein, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, forderte eine klare Haltung: Russland müsse signalisiert werden, dass die Gemeinschaft sich nicht spalten lasse. Gleichzeitig sollten die noch vorhandenen Brücken nach Moskau erhalten bleiben, um auf diplomatische Weise zu einer regelbasierten Sicherheitsarchitektur in Europa zurückzukehren.

Diesen „dual track“ unterstrich auch Horst-Heinrich Brauß, Beigeordneter Generalsekretär der NATO für Verteidigungspolitik und Streitkräfteplanung. „Politischer Dialog und glaubhafte Abschreckung gehören zusammen“, erklärte der deutsche Generalleutnant.

„Warschau ist kein Ziel, sondern eine weitere Etappe.“

Die polnischen Erwartungen an den kommenden Gipfel fasste Botschafter Jerzy Margański prägnant zusammen: „Fünf Jahre nach Lissabon braucht die NATO eine neue Strategie.“ In Warschau müssten Antworten auf drängende Fragen gefunden werden – die hybride Kriegsführung in der Ukraine, die destabilisierende Wirkung des Bürgerkriegs in Syrien auf dessen Nachbarländer und die jüngsten Terroranschläge forderten das Bündnis heraus. Wenngleich in der politischen und militärischen Reaktionszeit Fortschritte zu verzeichnen seien, markiere Wales 2014 lediglich den Beginn eines noch nicht abgeschlossenen Transformationsprozesses. „Warschau ist kein Ziel, sondern eine weitere Etappe“, so Margański.

Zwischen zwei Flaggen ist Admiral a.D. James G. Stavridis während eines Vortrags zu erkennenAdmiral a.D. James G. Stavridis während seines Vortrags. Foto: Waldemar Salesski

Trotz des Spagats zwischen den so unterschiedlichen Herausforderungen im Osten und Süden waren sich die Teilnehmer einig in ihren hohen Erwartungen an den NATO-Gipfel im nächsten Jahr: Warschau müsse der „Umsetzungsgipfel“ der Beschlüsse von Wales werden. Die Bündnisverteidigung sei unteilbar; Terrorismusbekämpfung und glaubhafte Abschreckung schlössen sich nicht gegenseitig aus. Konferenzteilnehmer James Stavridis, 2009 bis 2013 NATO-Oberbefehlshaber Europa, gab sich dazu zuversichtlich: „NATO is the most capable alliance in history and has the capacity to do it both.“

Autor: Martin Langhorst