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15 Minuten bis zur Entscheidung: Studierende briefen Führungskräfte

Freitag, 5. Oktober 2018

Bei der Studierendenkonferenz Sicherheitspolitik gestalten erarbeiten Studierende ein Führungskräftebriefing für reale Entscheidungsträger aus mehreren Bundesministerien
– Zeitdruck inklusive. Die Studierendenkonferenz 2018 befasste sich mit Sicherheit,
Stabilität und Entwicklung in Afrika.

Zwei Frauen blicken zu einem General, der im Vordergrund sitzt; eine der Frauen sitzt; die andere steht, hält ein Notebook in der Hand und spricht gestikulierend.

Marie Rittich und Sophie Schäffer beim Briefing für Brigadegeneral Wolfgang Ohl. (BAKS/Krüger)

Als der Abteilungsleiter den Raum betritt, herrscht angespannte Stille. Ministerialdirektor Thomas Binder leitet die Abteilung G im Bundesministerium des Innern, für Sport und Heimat. Er hat eine Entscheidung zur Weiterentwicklung des deutschen Migrationsmanagements in Afrika zu treffen – kein einfaches Feld. Für 10:30 Uhr ist das Briefing zur Vorbereitung angesetzt, 15 Minuten für alle Fakten und Optionen müssen reichen, denn Zeit ist in der Berliner Politik eine knappe Ressource.

Ting Xiang und ihr Kollege Sven Jovy tragen dem Abteilungsleiter vor. Jovy erläutert an einer projizierten Karte Migrationsrouten von Afrika nach Europa und schildert bisherige Maßnahmen der EU und Deutschlands beim Migrationsmanagement. Sein Befund: „Die Lage ist komplex, viele Faktoren sind zu beachten.“ Xiang trägt zwei erarbeitete Optionen vor. Eine relativ schnell umsetzbare Option 1 seien bilaterale Kooperationen zwischen Deutschland und afrikanischen Partnerstaaten, um Registrierungszentren in Transitländern aufzubauen und die lokalen Wirtschaftsstrukturen gezielt zu stärken. Xiang empfiehlt hingegen Option 2, eine europäische Lösung – in Anlehnung an die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit in der EU-Verteidigungspolitik spricht sie von einer „PESCO für Migrationspolitik“. Diese wäre effektiver, bedürfe allerdings „viel Überzeugungsarbeit für die Beteiligung der anderen EU-Staaten.“

15 Minuten müssen reichen – denn Zeit ist eine knappe Ressource

Nur wenige geschlossene Türen weiter läuft zeitgleich ein anderes Briefing. Brigadegeneral Wolfgang Ohl ist Unterabteilungsleiter Politik im Bundesministerium der Verteidigung. In der Bundesregierung gibt es Überlegungen, das deutsche Engagement für die Sicherheit in der Sahelregion auszuweiten, und die Bundeswehr könnte dazu einen Beitrag leisten. Da die Mandate des Bundestages für die Einsätze in Mali bald auslaufen, ist keine Zeit zu verlieren. Marie Rittich und Sophie Schäffer tragen Ohl Möglichkeiten zur Optimierung der Missionen vor. Die Optionen könnten Eingang in ein neues Mandat zur Weiterführung der Einsätze finden, welches das Bundeskabinett dann zur Entscheidung in den Bundestag einbringt.

Ein Mann und eine Frau stehen und gestikulieren in Richtung einer Flipchart und einer Präsentationsstellwand; im Vorderund sitzt ein Mann, der in ihre Richtung blickt.

Ting Xiang und Sven Jovy briefen Ministerialdirektor Thomas Binder aus dem Bundesinnnenministerium zu Migrationsbewegungen von Afrika nach Europa. Foto: BAKS/Krüger

Nachdem Rittich die Situation vor Ort beurteilt hat, legt Schäffer dem General konkrete Optionen vor, die vor allem auf die Stärkung der malischen Streitkräfte zielen. Sie reichen von der verstärkten Einsetzung malischer Verbindungsoffiziere über die Verbesserung des besonders wichtigen Lufttransports mittels Hubschraubern bis hin zur Einrichtung einer militärischen Schulungseinrichtung, die auch Zivilberufe lehrt und so den Übergang ehemaliger Soldaten ins Zivilleben fördern kann. „Das würde nicht nur die Effektivität, sondern auch die Legitimität der Streitkräfte Malis in der malischen Bevölkerung verbessern“, führt Schäffer aus.

„Da musst Du jetzt liefern“

Um 10:45 Uhr enden pünktlich beide Briefings. Daraufhin tun Ministerialdirektor Binder und Brigadegeneral Ohl etwas, das ihr Terminplan ansonsten nicht hergibt: Sie nehmen sich Zeit und geben den Referenten nach ihren Vorträgen ein Feedback. Denn Xiang, Jovy, Rittich und Schäffer haben Ihr Briefing gemeinsam mit 80 weiteren Kommilitoninnen Kommilitonen während der Studierendenkonferenz 2018 des Bundesministeriums der Verteidigung und der BAKS erarbeitet. Unter der Schirmherrschaft der Bundesministerin der Verteidigung Dr. Ursula von der Leyen galt es für die Studierenden im Rahmen des diesjährigen Themas Sicherheit, Stabilität und Entwicklung in Afrika, sicherheitspolitische Szenarien zu erschließen und in simulierten Briefings Handlungsoptionen für reale Entscheidungsträger aus vier Bundesministerien vorzubereiten.

Links im Bild sitzen zwei geschäftlich gekleidete Frauen und zwei uniformierte Männer an einem Tisch und schreiben; rechts im Bild steht eine Frau mit einem Notebook in der Hand und spricht zu ihnen.

Sophie Schäffer schildet Brigadegeneral Wolfgang Ohl (Mitte) mögliche Optionen für weitere Beiträge der Bundeswehr zur Stärkung der Streitkräfte Malis.
Foto BAKS/Krüger

Wie im ministeriellen Alltag spielte dabei auch Zeitdruck eine Rolle: „Da musst Du jetzt liefern“, fasste Jovy, der in Aachen ein Masterstudium absolviert, die Briefingsituation zusammen. Für Xiang, die in Bayreuth einen Masterabschluss anstrebt, waren es „drei intensive Tage voller Eindrücke von den unterschiedlichen Blickwinkeln der Ministerien“. Besonders spannend habe sie es empfunden, sich als Studierende auf Augenhöhe einbringen zu können. Auch Schäffer, die bald ihr Bachelorstudium in Berlin abschließen wird, sagte, es sei „wenig Zeit gewesen“, doch eine gute Einarbeitung im Team habe viel wettgemacht. Sie unterstrich vor allem die Chance, „von Führungskräften ein direktes Feedback zu bekommen.“

Staatssekretär unterstreicht Vernetzten Ansatz

Der Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung Dr. Peter Tauber hob zum Auftakt der Konferenz die Bedeutung des Austauschs zwischen Universität und Praxis hervor: „Es bricht uns ja nicht an mangelnder Erkenntnis – wir haben nur öfters mal ein Umsetzungsproblem.“ Hier sei das akademische Wirken wichtig, und aus der Einsicht müsse dann auch Handeln folgen, so der Staatssekretär. Das Rahmenthema Afrika sei aus seiner Sicht besonders geeignet, Herausforderungen und Handlungsbedarfe vernetzter Sicherheit und gesellschaftlicher Entwicklung zu diskutieren, so Tauber, denn Afrika "steht wahrscheinlich wie kein zweiter Teil unseres Globus“ für politischen, wirtschaftlichen und sozialen Wandel.

Staatssekretär Dr. Peter Tauber steht an einem Rednerpult und spricht in ein Mikrofon; im Hintergrund steht eine hellblaue Pressewand mit der Aufschrift BAKS.

"Stärker erklären, was der Vernetzte Ansatz meint": Staatssekretär Dr. Peter Tauber beim Auftakt der Studierendenkonferenz 2018 an der BAKS.
Foto: Bundeswehr/Hildemann

„Wir müssen uns also bewusst machen: Unsere Freiheit, unser Leben in Freiheit, auch unsere wirtschaftliche Entwicklung sind untrennbar mit der Lebenssituation der Menschen in unserer Nachbarschaft verbunden“, sagte er weiter. Tauber unterstrich die Bedeutung des Vernetzten Ansatzes deutscher Sicherheitspolitik. In der gesellschaftlichen Diskussion würden oft nur einzelne Facetten davon, zum Beispiel Entwicklungs-zusammenarbeit oder Militäreinsätze für sich allein betrachtet. Er halte es für wichtig, „stärker noch in den Blick zu nehmen und stärker zu erklären, was dieser vernetzte Ansatz meint“ – und auch zu zeigen, dass es in der Praxis eine „Lernphase“ gebe, welche die beteiligten Behörden durchliefen.

Vier Ministerien – vier Arbeitsgruppen – viermal vernetzte Sicherheit

Vor diesem Hintergrund waren an der Studierendenkonferenz vier Bundesministerien beteiligt. Neben dem Innenministerium mit Ministerialdirektor Binder und dem Verteidigungsministerium mit Brigadegeneral Ohl waren das Auswärtige Amt mit BAKS-Vizepräsident und Diplomat Wolfgang Rudischhauser sowie das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mit Ministerialrat Ronald Meyer, der das Referat für die Sahelregion und Westafrika leitet, beteiligt. Zur Vorbereitung des Führungskräftebriefings erarbeiteten die Studierenden in vier Arbeitsgruppen gemeinsam mit Referentinnen und Referenten aus den vier Ministerien Entscheidungssituationen zu realitätsnahen Szenarien aus den ministeriellen Arbeitsfeldern, darunter Krisenpräventionsmaßnahmen, Auslandseinsätze der Bundeswehr, Entwicklungs-zusammenarbeit und Migrationsmanagement. Unterstützt wurden die Studierenden dabei von Jugendoffizieren der Bundeswehr, die mit sicherheitspolitischen Fragestellungen und Entscheidungsprozessen vertraut sind.

Eine gruppe junger Menschen steht um einen Tisch und diskutiert; auf dem Tisch stehen mehrere Notebooks.

Teamwork ist unerlässlich, denn die Konferenz fordert den Studierenden eine intensive Vorbereitung bei großem Zeitdruck ab.
Foto: BAKS/Krüger

Für die Studierenden bot die dreitägige Konferenz neben dem inhaltlichen Schwerpunkt Afrika und der Auseinandersetzung mit sicherheitspolitischen Entscheidungsprozessen auch Einblicke in die ministerielle Berufspraxis. So freute sich die Hamburger Bachelorstudentin Azra Gür über die Herausforderung, „zeitlich eng begrenzt eine bestimmte Leistung zu erbringen“ und zugleich über die Möglichkeit, „weitere Eindrücke von Berufswegen“ in der Außen- und Sicherheitspolitik zu erhalten. Ihr Kölner Kommilitone Philipp Thimm sah es ähnlich: „Man wird gefordert aber nicht überfordert und bekommt einen praktischen Einblick in den Vernetzten Ansatz.“ Port Koßmann, der vor kurzem seinen Masterabschluss in London erhalten hat, sagte, dass ihm die Konferenz geholfen habe, „einen breiten Überblick über verschiedene Ministerien zu erhalten“ und damit auch zu seiner beruflichen Orientierung beigetragen habe.

Sicherheitspolitik gestalten

Die Studierendenkonferenz Sicherheitspolitik gestalten fand erstmals 2015 statt und steht unter der Schirmherrschaft der Bundesministerin der Verteidigung Dr. Ursula von der Leyen. Sie wird einmal jährlich durch das Bundesministerium der Verteidigung und die Bundesakademie für Sicherheitspolitik in Berlin ausgerichtet und steht Studierenden aller Fachrichtungen offen.

Autor: Sebastian Nieke