Zu Beginn stand ein allgemeiner Überblick über die aktuelle militärische und sonstige Sicherheitslage in Afghanistan durch einen Mitarbeiter einer Sicherheitsbehörde des Bun-des. Dabei war der Grad der Durchsetzungsfähigkeit der Zentralregierung und das Problem der Korruption ebenso Thema wie der Ausbildungsstand der afghanischen Sicherheitskräfte und die Sozialgesetzgebung und die Altersvorsorge in Afghanistan.
Herr Nadjib, Gesandter der Botschaft Afghanistans, neben dem Vizepräsidenten der BAKS, Herrn Dr. Kurz, während eines Vortrages
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik
Ein Diplomat der Vereinigten Staaten von Amerika behandelte anschließend die wichtigsten Aspekte der Bedingungen für eine Verständigung mit den Taliban, die Rolle Pakistans sowie das regionale Umfeld von Afghanistan.
Die koordinierende Rolle, die das Bundeskanzleramt einnimmt bei der Abstimmung der Afghanistan-Politik des Auswärtigen Amts, des Bundesministeriums der Verteidigung, des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und des Bundesinnenministeriums, war Thema eines Panels im Bundeskanzleramt.
Ein Vertreter der afghanischen Botschaft nahm insbesondere zu Problemen beim weiteren Aufbau seines Landes, dem Verhältnis zu den Staaten, die sich in Afghanistan engagieren und den Gesprächskontakten zwischen der afghanischen Regierung und den afghanischenTaliban Stellung.
Unter einer eher wissenschaftlichen Perspektive behandelte ein Angehöriger der Freien Universität Berlin das Thema. Auf Grund seiner umfangreichen internationalen Erfahrungen und seiner mehrjährigen Beratungstätigkeit in Afghanis-tan konnte er sich detailliert mit den unterschiedlichen Erwartungen verschiedener afghanischer Bevölkerungsgruppen an den Aufbau ihres Landes, Erfolgen beim Programm für die Wiedereingliederung von afghanischen Taliban, aber auch Fehlern beim Aufbau des Landes befassen (nach seiner Auffassung zu hohe Investitionen in Straßen, zu wenig in Bildung und Gesundheit).
Insbesondere im Hinblick auf die Konsequenzen, die der Luft-Einsatz von Kunduz vom September 2009 in Politik und Öffentlichkeit ausgelöst hatte, befasste sich ein Sprecher des Bundesministeriums der Verteidigung mit den Schwierigkeiten einer erfolgreichen staatlichen Krisenkommunikation. Dabei sprach er sich für eine grundsätzlich möglichst vollständige Unterrichtung der Presse aus (auch von am Anfang unwichtig erscheinenden Details), damit würde ein "Enthüllungsjournalismus" vermieden werden können. Die Mitnahme von Journalisten nach Afghanistan bewährt sich nach seiner Auffassung sehr, die Pressevertreter zeigten sich nach dem unmittelbaren Kontakt mit den deut-schen Soldaten vor Ort sehr beeindruckt von deren Professionalität.
Die weitere Perspektive von Afghanistan war Gegegenstand eines Panels mit Vertretern der dort insbesondere engagierten Bundesministerien, nämlich des Bundesministeriums der Verteidigung, des Auswärtigen Amtes, des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie - unter dem Gesichtspunkt Ausbildung der Polizei in Afghanistan - des Bundesministeriums des Innern. Hier wurden mögliche Formen der Unterstützung der afghanischen Regierung vor und nach der schrittweisen Übergabe der Verantwortung an ihre Behörden angesprochen, aber auch Änderungen in der Sicherheitslage, ein gestärktes Selbstbewusstsein des afghanischen Parlaments und gelegentliche Schwierigkeiten bei der Gewinnung von deutschen Polizeibeamten für einen Afghanistan-Einsatz.
Eine führende Person des Arbeitsstabes Afghanistan/Pakistan im Auswärtigen Amt machte deutlich, dass die Erwartungen an ein stabiles Afghanistan, die das wesentliche Ziel des deutschen Einsatzes dort sei, nicht zu hoch angesetzt werden dürfen. Außerdem wurde die wichtige und teilweise gewandelte Rolle Pakistans thematisiert. Zur bereits im Bundeskanzleramt behandelten Koordination der maßgeblichen Bundesministerien ergänzte der Beamte des Auswärtigen Amtes, dass unter anderem jede Woche ein Video - Konferenz seiner Behörde mit dem Bundesministerium der Verteidigung, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowei dem Bundesinnenministerium abgehalten werde.
Eine Diskussion mit zwei Vertretern des Deutschen Bundestages, dem die Entscheidung über die Erteilung und Verlängerung des deutschen Afghanistan - Mandats obliegt, bildete den Abschluss des Seminars. Hier wurden insbesondere angesprochen, wie allgemein oder auch detailliert das Mandat formuliert sein müsse, die Bedeutung der Festlegung auf das Jahr 2014 für einen Abzug als ein Datum, das alle Beteiligen unter einen gewissen Druck setze sowie die Rolle Pakistans einschließlich seines Verhältnisses zu China, Indien und Bangladesh.
Autor: Wolf-Christian Fuchs