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Berliner Colloquium 2010

Dienstag, 16. März 2010

Der Umgang mit Massenvernichtungswaffen, ob atomar, chemisch, biologisch oder radiologisch, ist weiterhin eine der großen Herausforderungen für die internationale (Sicherheits-)Politik. Zwar konnte beispielsweise der erneute Einsatz von Kernwaffen nach 1945 durch diplomatisches Geschick, politische Klugheit und Glück vermieden werden.

Eröffnung des ersten Panels durch den Präsidenten der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Generalleutnant a.D. Kersten Lahl (V.l.n.r.: Harald Müller, Peter Gottwald, Klaus Naumann, Ramzy Ezzeldin Ramzy, Michael Rühle, Kersten Lahl
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik

Die aber schon alleine von der physischen Präsenz dieser Waffensysteme ausgehenden Gefahren bleiben allerdings weiterhin bestehen. Gleiches gilt auch für die biologischen und chemischen Kampfstoffe. Um einen möglichen (auch terroristischen) Einsatz zu verhindern, ist folglich die kontinuierliche Auseinandersetzung mit diesen Zeugnissen destruktiver Kreativität erforderlich.

Vom 16. bis zum 18. März 2010 diskutierten hochrangige Diplomaten, Wissenschaftler und Politiker vor und mit den über 200 Teilnehmern der Veranstaltung sowohl über die Frage der politischen Bedeutung der (atomaren) Abschreckung, der Proliferation sowie über die Gefahren eines mit biologischen, chemischen und/oder radiologischen Waffen ausgeführten Terroranschlags.

2010 ist besonders für die Kernwaffen ein Schlüsseljahr: Am 8. April unterzeichneten der amerikanische Präsident Barack H. Obama und sein russischer Amtskollege, Dmitri A. Medwedew, in Prag den Nachfolgevertrag des START-Abkommens. Darin verpflichten sich die beiden Staaten zu einer deutlichen Reduzierung ihrer Arsenale an strategischen Kernwaffen. Im Mai 2010 findet die nächste Überprüfungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrages (NPT) in New York statt. Des Weiteren beschäftigen die Nuklearprogramme des Iran und Nordkoreas die internationale Staatengemeinschaft. Die Gefahren durch Proliferation, also die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und deren Trägermittel, und den internationale Terrorismus schweben zudem wie Damoklesschwerter über jeder sicherheitspolitischen Agenda.

Eröffnet wurde das Berliner Colloquium 2010 mit der traditionellen Serenade in der Julius-Leber-Kaserne. Beim anschließenden festlichen Abendessen, sprach der Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowsky, als Festredner über die Politik in einem sozialen Brennpunkt.

Auf geschichtsträchtigem Boden, im „Historischen Saal“ der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, wo vor 20 Jahren eine wichtige Runde der „2+4“-Verhandlungen stattgefunden hat, begann die Tagung mit der Rede des amerikanischen Botschafters bei der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO), Glyn Davies. In seinen Ausführungen zum Thema „Das Ausschalten nuklearer Bedrohungen – Eine praktische Agenda für global handelnde Politik“, hob Davies besonders die Bereitschaft der Regierung von Präsident Obama hervor, sich mit Fragen der Abrüstung zu beschäftigen und besonders mit der Förderung der Global-Zero-Initiative einen Paradigmenwechsel eingeleitet zu haben. Aus der Sicht des Botschafters stellen daher Abrüstung, Nicht-Verbreitung und die friedliche Nutzung der Kernenergie die drei großen Herausforderungen der heutigen Zeit dar.

Unter der Moderation von General a.D. Klaus Naumann, diskutierten Botschafter Peter Gottwald, Beauftragter der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und der Rüstungskontrolle, Michael Rühle, Head Policy Planing and Speechwriting Section, NATO, Botschafter Ramzy Ezzeldin Ramzy, Botschafter Ägyptens in Deutschland und Professor Harald Müller, Geschäftsführendes Mitglied des Vorstands der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) im ersten Panel über die Bedeutung der Abschreckung im sogenannten „Zweiten nuklearen Zeitalter“.
Dabei blieb unter den Diskutanten strittig, ob Kontinuität oder Wandel den Diskurs um die Kernwaffen prägen und ob sich die Rahmenbedingungen nach dem Kalten Krieg tatsächlich entscheidend verändert haben. Der langjährige Erfolg der Abschreckung wurde als „unverschämtes Glück“ bezeichnet. Daher schloss das Panel mit dem Fazit, dass dieses Konzept so lange Geltung beanspruchen müsse, wie Kernwaffen existieren.

Teilnehmer des Berliner Colloquiums 2010
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik

Der japanische Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland, Takahiro Shinyo, schloss mit seinem Vortrag über politische und geostrategische Aspekte der Massenvernichtungswaffen, den Vormittag des ersten Tages thematisch ab. Shinyo betonte dabei besonders die Bemühungen Deutschlands und Japans um die Eindämmung der Proliferation und die friedliche Beilegung der Streitigkeiten um die Atom(-waffen)programme des Iran und Nordkoreas. Als Vertreter des einzigen Landes, das die Folgen eines Atomwaffeneinsatzes unmittelbar erlebt hat, appellierte der Botschafter in einer bewegenden Rede an die Vernunft, diese Waffensysteme vollständig zu vernichten. Auch trat er der Diskussion um den virtuellen Atommacht-Status Japans entgegen, die er als überwiegend externe – also nicht japanische – Debatte bezeichnete. Japan halte weiterhin an seiner Politik der drei „non-nuclear principals“ – „not possessing, not producing, not permitting the introduction of the nuclear weapons into Japan“ – fest. Auch betonte der Botschafter, dass die Sicherheit von Europa und Asien eng miteinander verbunden seien.

Die Vorträge von Andreas Strub, Koordinator im Büro für Massenvernichtungswaffen des Rats der Europäischen Union, und Professor Joachim Krause, Direktor des Instituts für Sozialwissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, beschäftigten sich mit den Massenvernichtungswaffen im Zeitalter des internationalen Terrorismus.

Vertieft wurde dieses Thema im zweiten Panel. Hier diskutierten Botschafter Jacek Bylica, Head, Weapons of Mass Destruction Center, NATO, Timothy Jones, Principal Adviser, Office of the Counter Terrorism Co-ordinator, Europäische Union und Iris Hunger, Leiterin der Forschungsstelle biologische Waffen und Rüstungskontrolle am Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung an der Universität Hamburg. Moderiert wurde dieses Panel vom Leiter der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik, Oliver Thränert. Die Diskutanten kamen zu dem Ergebnis, dass die psychologische Wirkung eines terroristischen Einsatzes von Massenvernichtungswaffen, die physische weit übersteigen dürfte. Auch herrschte Einigkeit darin, dass beispielsweise die Wahrscheinlichkeit des Einsatzes einer sogenannten schmutzigen Bombe sehr gering sei, da die entsprechenden Vorbereitungen nur schwer geheim zu halten seien. Dennoch sei weiterhin eine enge Kooperation in der Staatengemeinschaft erforderlich, um dieses Risiko so niedrig wie möglich zu halten.

Der zweite Tag des Colloquiums wurde von Ministerialdirektor Manfred Schmidt, Leiter der Abteilung Krisenmanagement und Bevölkerungsschutz im Bundesministerium des Innern, eröffnet. Schmidt trug über Gefahrenabwehr und Prävention aus der Sicht seines Ministeriums. Dabei wies er darauf hin, dass auch die Vielzahl von Gefahrguttransporten ein Sicherheitsrisiko darstelle und der Katastrophenschutz in Deutschland zu einem großen Teil durch ehrenamtliche Helfer getragen wird. Durch seine Ausführungen bereitete Schmidt das Auditorium inhaltlich auf das sich anschließende Panel vor. Unter der Moderation von Professor Johannes Varwick, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, diskutierten die Mitglieder des Bundestages Clemens Binninger (CDU), Innenausschuss, Omid Nouripour (Bündnis90/Die Grünen), Verteidigungsausschuss, und Uta Zapf (SPD), Auswärtiger Ausschuss. Die Diskutanten beschäftigten sich ebenfalls mit der Gefahrenabwehr und Prävention, allerdings aus der Sicht politischer Entscheidungsträger. Dabei betonten die Abgeordneten besonders die Wichtigkeit, die deutsche Bevölkerung zu informieren und auf mögliche Katastrophenszenarien vorzubereiten. Ebenfalls plädierten die Mitglieder des Bundestages für einen weiteren Ausbau der Vernetzung der Behörden und eine weitere Verbesserung des Informationsaustauschs mit internationalen Partnern und Verbündeten.

Den Schlusspunkt der Veranstaltung setzte Botschafter Ulrich Brandenburg, Ständiger Vertreter Deutschlands im Nordatlantikrat. Im Rahmen seiner Ausführungen, informierte Brandenburg besonders über die Arbeit am „Neuen Strategischen Konzept“ der NATO und hob hervor, dass die Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen und die Zukunft der nuklearen Abschreckung Grundsatzfragen im Bündnis seien.

Autor: Christian Klein, Walter Schweizer