DFS 2016 – Podium 4

Deutsches Forum Sicherheitspolitik

Podium IV: "Ertüchtigung, Krisenprävention 2.0 – Sicherheitspolitische Herausforderungen in den nächsten fünf Jahren"

 

Agnieszka Brugger MdB
Bündnis 90/Die Grünen

Prof. Dr. Heinz-Gerhard Justenhoven
Institut für Theologie und Frieden

Rüdiger König
Ministerialdirektor, Auswärtiges Amt

Michael Niemeier
Direktor beim Bundeskriminalamt, Bundesministerium des Innern

Dieter Warnecke
Generalleutnant, Bundesministerium der Verteidigung

Moderation: Dr. Wulf Schmiese, ZDF

 

Vernetzte Sicherheit, comprehensive approach, die Notwendigkeit ziviler Lösungen bei der Prävention und Lösung von Konflikten, diese Schlagworte umreißen ein neues Verständnis von Sicherheit, wie es auch im jüngst erschienenen Weißbuch der Bundesregierung angesprochen wird. Alle Teilnehmer des abschließenden Panels des DFS 2016 zum Thema "Ertüchtigung und Krisenprävention 2.0 - Sicherheitspolitische Herausforderungen in den nächsten fünf Jahren" waren sich einig, dass Sicherheit nicht mehr in erster Linie aus rein militärischer Perspektive zu verstehen ist, sondern ein umfassendes Denken und Handeln erfordert, bei dem vorrangig zivile Lösungsansätze im Vordergrund stehen müssen. Dementsprechend ist die Herstellung von Sicherheit auch nicht mehr bloß Aufgabe des Militärs, sondern ebenso der Entwicklungszusammenarbeit, der Diplomatie oder der Ausbildungshilfe.

Während Agnieszka Brugger jedoch die Ansicht vertrat, dass sowohl im Weißbuch wie in der realen politischen Diskussion immer noch zu sehr eine vorwiegend oder sogar rein an militärischen Lösungen orientierte Perspektive vorherrsche, vertraten die Vertreter der Exekutive, Generalleutnant Warnecke, Botschafter König und Michael Niemeier vom BMI dezidiert die Auffassung, dass das Weißbuch die teils schmerzlichen Lehren aus den vergangenen zehn Jahren, insbesondere in Afghanistan, aufnehme und gelungen resümiere. Richtig sei allerdings, dass in der Öffentlichkeit teils noch zu wenig Bewusstsein für das umfassende Engagement der Bundesregierung auf dem zivilen Sektor bestehe. Beispiele gebe es genug, etwa im Aufbau des Gesundheitswesens in Afghanistan oder der Ausbildungshilfe für Polizeibehörden im nordafrikanischen Raum, bei der rechtsstaatliche Methoden vermittelt werden.

Frieden muss langfristig und umfassend gedacht werden

Probleme der unterschiedlichsten Art, das machte die Diskussion allerdings auch deutlich, gibt es noch zuhauf, nicht nur vor Ort, sondern durchaus auch bei uns selbst. Prof. Justenhoven verwies eindringlich darauf, dass nicht nur viele der Krisen von heute einen kolonialgeschichtlichen Hintergrund haben, sondern unterstrich auch, dass unser Erwartungshorizont meist viel zu kurzfristig getaktet ist. Die Herstellung von Frieden, von guter Regierungsführung und von Sicherheit müsse in Dekaden betrachtet werden, nicht in Legislaturperioden. Botschafter König ergänzte mit Blick auf die mannigfachen Herausforderungen vor Ort, dass es schlichtweg keine Patentrezepte gebe. Jeder Konflikt sei in seiner Genese und seinen grundlegenden Bedingungen anders. Man habe angesichts der vielfältigen und komplexen Probleme lernen müssen, grundsätzlich eine Haltung der Demut gegenüber der Größe der Herausforderungen zu entwickeln. Auch Scheitern sei, trotz aller Bemühungen, leider immer möglich.

Unterschiede zwischen den Teilnehmern des Panels wurden wieder in der kritischen Frage der Herstellung von Konsens auf internationaler Ebene erkennbar. Frau Brugger und Prof. Justenhoven hoben gemeinsam die Bedeutung von internationalen Organisationen hervor und plädierten dafür, diese zu stärken. Generalleutnant Warnecke sah unter Verweis auf das Beispiel Syrien, hingegen die praktische Notwendigkeit, künftig eher auf Koalitionen der Willigen zu setzen. Es werde immer schwieriger, auf internationaler Ebene noch einen Konsens zu einem Konflikt bzw. den Lösungsansätzen, die dieser erfordert, herzustellen.

Das zuletzt von Moderator Schmiese angeschnittene Thema Cybersicherheit konnte in seinen mannigfachen Facetten – offensiv, defensiv, Zuständigkeit in der Bundesregierung – nur noch andiskutiert werden.

Autor: Ulf Brüggemann