Arbeitspapiere

Der saudisch-russisch-amerikanische Ölpreiskrieg und die geopolitischen Auswirkungen

5/2020
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Der jüngste Ölpreiskrieg basiert auf erheblichen Fehleinschätzungen sowohl der saudischen als auch russischen Führung, die beide die globale Coronapandemie und ihre weltwirtschaftlichen Auswirkungen unterschätzt haben. Die Doppelkrise des Ölpreiskrieges und der Pandemie haben zeitweise den internationalen Ölpreis um rund zwei Drittel auf unter 20 US-Dollar pro Fass abstürzen lassen. Mit dem jüngsten Ölpreiskompromiss ist es Riad und Moskau weder gelungen, die USA in eine gemeinsame OPEC+-Förderkürzung einzubinden, noch den Ölpreis nachhaltig zu stabilisieren. Die geoökonomischen und geopolitischen Auswirkungen dürften umso größer sein, je länger die Pandemie sowie die weltwirtschaftliche Rezession anhalten und die Megatrends der globalen Machtverschiebungen beschleunigen.

Erdöl ist noch immer die wichtigste Energiequelle mit rund 34 Prozent der globalen Energienachfrage. Die weltweite Rohölnachfrage ist in 2019 erstmals auf das Niveau von 101 Millionen Fass pro Tag ( mb/d – million barrel per day) angestiegen. Seit dem letzten Einbruch des internationalen Erdölpreises in 2014 konnte dieser auf 50-70 US-Dollar pro Tonne jedoch nur deshalb stabilisiert werden, weil sich die OPEC-Mitgliedsstaaten und Russland seit Dezember 2016 jedes Jahr auf eine Erdölproduktionskürzung einigen konnten. Allerdings waren die Verhandlungen stets schwierig und die jeweilige Kompromisslösung der OPEC mit Russland (auch „OPEC+“ genannt) brüchig, zumal sich nicht alle Vertragsstaaten an die vereinbarten nationalen Produktionskürzungen gehalten haben. Vor allem Saudi Arabien musste die bisher vereinbarten Ölförderbeschränkungen mit eigenen Marktanteilverlusten bezahlen. Dies war vor allem auf den stetigen Anstieg der US-Schieferöl-produktion zurückzuführen, zumal sich Washington bisher nicht in eine globale Förderbeschränkung des „OPEC+-Kartells“ hat einbinden lassen. Inzwischen sind die USA vom einstmals größten Rohölimporteur sogar zum weltgrößten Rohölproduzenten und Nettoexporteur aufgestiegen.

Die Verhandlungen für eine erneute Ölförderkürzung waren Anfang März am Unwillen des Kremls gescheitert, der nicht bereit war, im Rahmen einer gesamten Förderkürzung der OPEC+ um 3,6 mb/d die russische Produktion um 1,5 mb/d zu drosseln. Daraufhin erklärte Saudi-Arabien Russland und indirekt auch den USA den „Ölpreiskrieg“, indem alle früheren Förderbeschränkungen aufgehoben wurden und Riad seine Ölproduktion stärker ausweitete. Nur Saudi Arabien ist kurzfristig in der Lage, mittels seiner strategischen Rohölproduktionsreserven (spare capacity) die eigene Förderung innerhalb kürzester Zeit derart zu steigern. In deren Folge musste sich die ohnehin bestehende Überversorgung auf dem globalen Rohölmarkt weiter verschärfen und den Ölpreis unter zusätzlichen Druck setzen.
Anfang April war der Ölpreis mit unter 20 US-Dollar pro Fass auf das niedrigste Ölpreisniveau seit den islamistischen Terroranschlägen vom 11. September 2001 abgerutscht. Inzwischen wird die Ölpreispolitik aber noch zusätzlich durch die globale Coronapandemie beeinflusst, da eine globale Quarantänepolitik die Weltwirtschaft und damit auch die Ölnachfrage sowie den Ölpreis zusätzlich unter Druck setzen. Diese globale Doppelkrise wirkt sich auf viele staatliche Ölproduzenten wirtschaftlich und finanziell verheerend aus.

So sind nicht nur die Staatshaushalte der Petrostaaten weiterhin in einem hohen Ausmaß auf Ölexporteinnahmen angewiesen, die auf einem fiskalischen Ölpreis von zumeist mehr als 60 US-Dollar basieren. Daran hat auch die im April vereinbarte Förderkürzung um 9,7 mb/d für Mai und Juni, welche jüngst bis Ende Juli verlängert wurde, kaum etwas geändert. Obgleich sie bis Ende des Jahres monatlich um 7,7 mb/d fortgeführt werden soll, fällt die Reduzierung zu gering aus, um den globalen Nachfragekollaps von 101 mb/d auf bis zu 73 mb/d im April abzufangen und den Ölpreis wieder stärker auf mehr als 50 US-Dollar zu stabilisieren. Gegenwärtig liegt er zwar wieder bei rund 40 US-Dollar pro Fass. Im Jahresdurchschnitt 2020 dürfte er aber kaum darüber steigen, zumal es Riad und Moskau auch weiterhin nicht gelungen ist, Washington in eine neue OPEC+-Förderkürzung einzubinden, auch wenn das Förderniveau in den USA selbst wiederum bis Ende des Jahres aufgrund der Konsolidierungstendenzen und dem Ölpreisverfall um drei bis 7,5 mb/d zurückgehen könnte. Zwischen Ende März und Anfang Juni ist die US-Förderung um 2 mb/d gefallen. Die eskalierende geopolitische Dynamik dieser Doppelkrise darf vor allem dann nicht unterschätzt werden, wenn die weltwirtschaftliche Rezession infolge der Pandemie anhält und es gleichzeitig Saudi Arabien sowie Russland (unter möglicher Einbindung der USA) nicht gelingen sollte, doch noch eine nachhaltigere Ölproduktionsbeschränkung zu vereinbaren und diese dann auch verbindlich umzusetzen.

Saudi Arabien als OPEC-Führer: Zwischen Einigungszwang und Modernisierungsdruck

Der von Saudi Arabien erklärte Ölpreiskrieg ist auch der Impulsivität des 34 Jahre jungen Kronprinzen Mohammed bin Salman geschuldet – aber noch mehr seinen Ambitionen, das Land künftig mit seiner Modernisierungsstrategie „Vision 2030“ vom Erdöl unabhängiger zu machen und die saudische Wirtschaft zu diversifizieren. Als weltweit drittgrößter Erdölproduzent war die saudische Ölproduktion vor dem jüngst erklärten Ölpreiskrieg auf 9,8 mb/d abgesunken. Der gegenwärtige Marktanteil Saudi Arabiens, Russlands und der USA bei der weltweiten Erdölförderung macht immerhin mehr als 35 Prozent aus (jener der OPEC rund 45 Prozent). Daher sind die drei führenden Erdölproduzenten nicht nur auf eine Kooperation untereinander, sondern auch mit den anderen OPEC-und Nicht-OPEC-Förderstaaten angewiesen. Inzwischen hat die OPEC mehr Mitgliedsstaaten aus Afrika als aus dem Mittleren Osten.

Bereits 2015 hatte der langjährige frühere saudische Ölminister Ali al-Naimi einen Ölpreiskrieg gegen die USA erklärt, war aber seinerzeit gescheitert. Auch der jüngste saudische Ölpreiskrieg sowohl gegen Russland als auch die USA war von Beginn an mit hohen wirtschaftlichen und (geo)politischen Risiken behaftet. So hat das Königreich zwar die mit Abstand weltweit geringsten Ölförderkosten mit rund zehn US-Dollar pro Fass gegenüber Russland mit mindestens 25 US-Dollar und den USA mit zumeist 35-45 US-Dollar pro Fass. Allerdings basiert der saudische Staatshaushalt 2020 auf einem Erdölpreis von 76 US-Dollar für ein Fass Rohöl, sodass jeder größere Rückgang des Erdölpreises und der Exportmengen größere Auswirkungen auf die Staatseinnahmen und den Haushalt hat. Zwar kann die saudische Führung auf große Währungsreserven in einem Umfang von 502 Milliarden US-Dollar zurückgreifen. Doch allein 2020 könnte der Ölpreiskrieg zusammen mit der weltwirtschaftlichen Rezession das saudische Königshaus mehr als 100 Milliarden US-Dollar kosten.

Bereits in 2015 war der frühere Haushaltsüberschuss des Königreichs zu einem veritablen Haushaltsdefizit von 98 Milliarden US-Dollar mutiert. Die darauf zurückzuführenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten Riads waren ein wesentlicher Impuls des Kronprinzen, in eine eher unerwünschte OPEC+-Allianz mit Russland zur Stabilisierung des Erdölpreises im Dezember 2016 einzuwilligen. Diese ist von beiden Seiten keine Liebesheirat, sondern eher ein taktisches Interessenbündnis auf Zeit. Dies zeigte sich schon schnell in Folge, als der saudische Ölminister Prinz Abdulaziz wiederholt Moskau nicht zu Unrecht vorwarf, die vereinbarte Förderquote nicht wirklich umzusetzen. Riad kündigte unmittelbar nach dem Scheitern der ursprünglichen Verhandlungen um eine Förderkürzung mit Moskau Anfang März 2020 zunächst an, seine Erdölproduktion um weitere 300.000 Fass auf 12,3 mb/d auszuweiten und hätte damit über der bisherigen Fördermaximalkapazität von 12 mb/d gelegen. Theoretisch könnte Saudi Arabien aufgrund seiner großen Reserven mit massiven Investitionen seine Förderung sogar auf 20 mb/d ausweiten.

Russland: Der Kreuzzug gegen US-Schieferöl und die Fehleinschätzungen Moskaus

Die von Russland mit Saudi Arabien und der OPEC im Dezember 2016 vereinbarten gemeinsamen Förderquoten hatten den internationalen Erdölpreis im beiderseitigen Interesse auf einem Niveau von 50-70 US-Dollar pro Fass bis Anfang 2020 stabilisiert. Dies erlaubte Russland sogar, an Saudi Arabien vorbei zum zweitgrößten Erdölproduzenten der Welt aufzusteigen und zugleich seinen geopolitischen Einfluss in der Golfregion sowie im Mittleren Osten (insbesondere in Syrien und Irak) massiv auszubauen. Der Kreml versicherte offiziell, dass Russland auch geringere Erdölpreise von 25 bis 30 US-Dollar pro Fass für sechs bis zehn Jahre wirtschaftlich überleben würde. Der russische Haushalt in 2020 basiert noch auf einem internationalen Erdölpreis von 42 US-Dollar pro Fass. Zudem hat Russland seine Finanzreserven über seinen nationalen Wohlstandsfonds auf mehr als 170 Milliarden US-Dollar und Gold- sowie Währungsreserven in einem Umfang von 580 Milliarden US-Dollar aus seinen Öl- und Gaseinnahmen erweitert. Damit schien Moskau auf den ersten Blick für den Ölpreiskrieg sowohl gegen Riad als auch gegen Washington gut gerüstet. Saudi-Arabien bereitete sich allerdings darauf vor, den eigenen Haushalt auf einem Erdölpreis von lediglich zwölf bis 20 US-Dollar auszurichten. Doch während Riad seine tägliche Erdölförderung innerhalb kürzester Zeit um 2,5 mb/d erhöhen kann, sind dies auf russischer Seite lediglich 500.000 b/d auf 11,8 mb/d, was zudem eine längere Zeit der Umsetzung benötigt.

Das mittelfristige Problem Russlands ist jedoch, dass seine neueren Investitionen und die Förderung in der Arktis zu den weltweit teuersten gehören. Zudem sind die alten Erdölfelder schon heute zunehmend erschöpft und konnten nur durch aufwendige Investitionen in neuere Technologien auf einem höheren Förderniveau gehalten werden. Die Erschließung neuer Erdölfelder (einschließlich unkonventionellen Erdöls wie Schieferöl) benötigt jedoch riesige neue Investitionen sowie US-Technologien und Erfahrungen der amerikanischen Schieferölkonzerne. Dieses ist jedoch seit den US-Sanktionen infolge der russischen Krim-Annexion in 2014 nicht länger möglich. Als Schlüsselfigur beim jüngsten Ölpreiskrieg mit Saudi Arabien wurde der Chef des Ölkonzerns Rosneft, Igor Setchin ausgemacht, der seit langem die Einbindung Russlands in OPEC+-Förderkürzungen kritisiert hat, da diese primär den USA zugutekämen und sowohl Russland als auch Saudi Arabien dies mit dem Verlust von Marktanteilen bezahlt hätten. Doch die strategische Fehlentscheidung Setchins und Putins zum Ölpreiskrieg mit Riad und die Unterschätzung der Auswirkungen der globalen Pandemie auf die weltweite Ölnachfrage und den Ölpreisverfall werden im russischen Staatshaushalt bis Ende des Jahres zu offiziellen Verlusten in einer Größenordnung von 75 Milliarden US-Dollar führen – inoffiziell werden noch weitaus höhere Verluste beziffert, da derzeit die Auswirkungen der Pandemie auf Russland und sein schlechtes Gesundheitssystem kaum beziffert werden können.

Die US-Schieferölförderung vor dem wirtschaftlichen Kollaps?

Im Zeitraum 2016 bis 2019 konnte die US-Rohölförderung um weitere 3,4 Millionen Fass pro Tag auf ein Förderniveau von 13,1 mb/d bis März 2020 zunehmen und gegenüber jenem vor dem Beginn der Schieferölrevolution in 2010 faktisch verdoppeln. Dies hat Präsident Trump – zusammen mit dem Ausbau der Schiefergasförderung und zunehmender Flüssiggasexporte (LNG) – zur Proklamation einer „Energie-unabhängigkeit“ und sogar weltweiten „Energiedominanz“ verleitet. Inzwischen wird ein Rückgang der US-Schieferöl-förderung um bis zu 7,5 mb/d bis Ende 2020 erwartet. Doch im Gegensatz zum letzten Ölpreiskrieg der Saudis gegen die US-Schiefergasförderung in 2015 haben sich die finanziellen Rahmenbedingungen geändert, auch wenn die Fracking-Unternehmen wie zuvor ihre Förderung im Gegensatz zu traditionellen Ölförderern sehr flexibel hoch- und herunterfahren können. Anders als in früheren Jahren können die kleineren und jüngeren Fracking-Firmen nicht länger auf billige Kredite zurückgreifen. Zwischen 2008 und 2018 haben US-Schieferölproduzenten rund 400 Milliarden US-Dollar über Kredite investiert, ohne dass diese bisher größtenteils zurückgezahlt worden sind. Gleichzeitig war die Geduld der Banken hinsichtlich der weiteren zeitlichen Aufschiebung für die Rückzahlung der gewährten Kredite bereits 2019 zunehmend erschöpft, weil die globale Nachfrage bei Erdöl schwächelte. Allerdings hat ein auf dem Weltmarkt historisch präzedenzloses Überangebot von rund 30 Milliarden Fass Rohöl zu einem Verfall des Erdölpreises auf zeitweise unter 20 US-Dollar geführt, bei dem nun auch viele mittelgroße Unternehmen nicht mehr wirklich profitabel arbeiten können. Denn diese benötigen einen Erdölpreis von zumeist mehr als 35-45 US-Dollar pro Fass. Laut Branchenkreisen sollen nur 16 Fracking-Unternehmen durchschnittliche Förderkosten von unter 35 US-Dollar pro Fass haben. Zeitweise war jüngst sogar erstmals ein Minuspreis von bis zu 40 US-Dollar zu verzeichnen, sodass die Produzenten für die Abnahme ihres Erdöls die Käufer bezahlen mussten. Dies wird in den USA auch in den kommenden Monaten keineswegs ausgeschlossen.

Insofern nahm nun der Druck auf den US-Präsidenten zu, einerseits diplomatisch vor allem auf den Verbündeten Saudi Arabien hinsichtlich einer neuen OPEC+-Vereinbarung für eine Erdölförder-beschränkung Einfluss zu nehmen; andererseits sind eine Reihe von wirtschaftlichen Unterstützungs-maßnahmen eingeführt worden. Hierzu gehören nicht nur weitere Steuererleichterungen, sondern es sollen auch 30 mb zusätzlich als strategische Reserven eingelagert sowie weitere rund 47 mb neue US-Einlagerungskapazitäten aufgebaut werden. Da allerdings die globale Erdölnachfrage vorerst nicht wieder stärker steigen wird, dürfte sich dieses Instrument schnell erschöpft haben. So war die diplomatische Intervention Präsident Trumps in Riad im Vorfeld der Ölförderkürzung im April entscheidend, als er und Kongressabgeordnete androhten, die US-Truppen aus Saudi Arabien in andere arabische Staaten (wie Qatar) zu verlegen und womöglich das 75-jährige bilaterale Sicherheitsbündnis aufzukündigen.

Strategische Perspektiven

Die weltweite Erdölnachfrage von 100 mb/d in 2019 könnte nach vorläufigen Prognosen erstmals durchschnittlich um rund 10 mb/d in 2020 fallen. Trotz des weltweiten Ausbaus der Elektromobilität im Transportsektor gingen bisher die International Energy Agency (IEA) und andere globale Energieagenturen bis 2040 jedoch von einem weiteren Wachstum auf 121 mb/d aus, da vor allem die globale Nachfrage der petrochemischen Industrie die Verluste auf dem weltweiten Transportsektor mehr als kompensieren würden. Neuere Prognosen vor Ausbruch der Coronakrise haben den Höhepunkt der weltweiten Ölnachfrage (peak demand) zumeist um 2030 erwartet. Allerdings könnten auch die weltweiten Bemühungen zur Reduzierung des Plastikmülls sowie Recycling auch in diesem Bereich die Erdölnachfrage stärker einbrechen lassen und zusammen mit der Pandemiekrise bereits ab 2025 den peak demand einläuten. Die IEA geht für das 2°C-Ziel der globalen Klimaerwärmung davon aus, dass bei einem Erreichen der Zielsetzung die weltweite Ölnachfrage bis 2040 jedoch auf 67 mb/d fallen müsste. Fest steht vorerst allenfalls, dass die künftige Rohölnachfrage und Transformation des weltweiten Energiesystems weniger von wirtschaftlichen und technologischen Faktoren als von politischen Vorgaben determiniert wird.

Sowohl der erklärte Ölpreiskrieg Saudi Arabiens wie auch jenen Russlands gegen die US-Schieferölindustrie haben beide das internationale Umfeld und die weltwirtschaftlichen Auswirkungen der Coronapandemie Anfang März völlig unterschätzt. Bereits der letzte Ölpreiskrieg Riads in 2015/16 gegen die US-Schieferöl-produktion hatte sich als viel zu optimistisch erwiesen. Noch größer waren die wiederholten Fehleinschätzungen des Kremls seit 2010 sowohl gegenüber der Schiefergas- als auch der Schieferölrevolution in den USA und den Auswirkungen auf die weltweiten Öl-und Gasmärkte. Inzwischen scheint die russische Führung unter Präsident Putin nicht länger den ursprünglichen Optimismus des Rosneft-Vorsitzenden Setchin zu teilen, die US-Schieferölindustrie nachhaltig ruinieren zu können. Doch der Versuch des Kremls, die USA in eine erweiterte OPEC+ langfristig einzubinden, ist erneut gescheitert. Auf allen Seiten hat sich inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt, dass ein verlängerter Ölpreiskrieg nur Verlierer zurücklassen wird.

Die weltwirtschaftlichen Auswirkungen der Doppelkrise könnten für zahlreiche Erdölindustrien weltweit verheerend sein, da deren Förderkosten zumeist deutlich über jenen Saudi Arabiens, Russlands und auch der USA liegen. Ohne massive Stützung der ohnehin geschwächten europäischen und weiteren internationalen Erdölindustrien könnten diese nach Ende der Pandemie von staatlichen chinesischen und arabischen Staatsunternehmen übernommen werden, in deren Folge der weltweite wirtschaftliche Wettbewerb in der Erdölindustrie massiv schwinden und mittelfristig auch höhere Erdölpreise zur Folge haben könnte. Dies würde nicht nur geoökonomische, sondern auch geopolitische Folgen haben, die deutlich größer sein könnten, als jene infolge der globalen Finanzkrise von 2008. Einmal mehr würden sich damit auch historische Erfahrungen und Lehren wiederholen, da häufig größere weltweite Krisen zu einer Beschleunigung von ohnehin bereits ohnehin erkennbaren strategischen Megatrends globaler Machtverschiebungen führen.

Dr. Frank Umbach ist Research Director am European Centre for Energy and Resource Security (EUCERS) des King‘s College, London. Der Autor gibt seine persönliche Meinung wieder.

Arbeitspapier Thema: 
Energiepolitik
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