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Afrika wirtschaftlich und politisch im Aufbruch

Mittwoch, 24. April 2013

Die merklich positive politische und wirtschaftliche Entwicklung Afrikas in den letzten Jahren stand im Berliner Colloquium 2013 im Vordergrund. Die Tagung widmete sich deshalb vor allem den Chancen, die Afrika für sich selbst und der internationalen Gemeinschaft zu bieten hat.

Vier Personen sitzen an einem Vortragstisch.

Vier internationale Afrikaexperten (v.l.n.r.): Michael Fiebig (BMZ), US-General Charles Hooper (USAFRICOM), Thomas Birringer (KAS), Roland Marchal (Paris).
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik

Am 24. und 25. April diskutierten namhafte Afrika-Experten aus Deutschland, Frankreich, den USA sowie von EU-Institutionen die Ursachen der Konflikte, boten Lösungswege aus Krisen an und skizzierten Zukunftsmöglichkeiten eines stabilen, sicheren Nachbarkontinents, innerhalb dessen sich das enorme wirtschaftliche Potential zu Gunsten aller entfalten könne. Die Meinungen der Experten blieben am Ende ausgewogen.

Wachstumslokomotive

Der deutsche Botschafter Egon Kochanke etwa stellt in Afrika zwar einen „Bedeutungsverlust Europas“ fest. Die EU habe lange als Vorbild gegolten, aufgrund ihrer Krisen und dem Auftreten Chinas in Afrika aber an Attraktivität verloren. Jedoch bescheinigte er dem Kontinent, dass er wirtschaftlich und demographisch zu den Wachstumslokomotiven in der Welt zähle. In den letzten zehn Jahren sei das Bruttoinlandsprodukt des Kontinents um 30 Prozent gewachsen. Auch die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise habe Afrika weitgehend unbeschädigt bewältigt. Zudem sei eine Festigung demokratischer Strukturen auf dem Kontinent zu beobachten, bei gleichzeitiger Abnahme bewaffneter Konflikte. Kochanke warb dafür, der Vielfältigkeit der afrikanischen Staaten gerecht zu werden: Für jeden einzelnen der 54 afrikanischen Staaten bedürfe es einer landesspezifischen Konzeption für entwicklungspolitische Maßnahmen und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Nur auf diesem Weg könnten Verbesserungen der politischen, wirtschaftlichen und versorgungstechnischen Lage entsprochen und ein Beitrag zur Stabilität Afrikas geleistet werden.

Eine Realisierung dieser Ansprüche könne jedoch nur auf der Basis einer international abgestimmten Afrikapolitik erfolgen, die zudem in den Einzelstaaten eine ressortübergreifende Zusammenarbeit voraussetzt. Diese Meinung vertraten einhellig Michael Fiebig, Leiter des Referats Nordafrika im Entwicklungshilfeministerium (BMZ), Roland Marchal vom französischen Nationalen Zentrum für Wissenschaftliche Forschung in Paris sowie US-Generalmajor Charles W. Hooper vom US-Oberkommando Afrika (USAFRICOM). Hooper sieht indes eine Hauptaufgabe des Westens darin, die afrikanischen Gesellschaften humanitär weiter massiv zu unterstützen. Afrika habe ein ausgeprägtes HIV-Problem; dem gelte es deutlich entgegenzutreten. Der amerikanische General wies außerdem darauf hin, dass der Westen dazu beitragen sollte, in afrikanischen Staaten das Bewußtsein dafür zu stärken, heimisches Militär stärker als bisher in zivile staatliche Strukturen einzubinden.

Ein Herr mit dunklem Anzug steht an einem Rednerpult.

Nicolas Westcott vom Europäischen Auswärtigen Dienst in Brüssel sieht als vorrangige Aufgabe der EU die Krisenprävention.
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik

Wachsendes Verantwortungsbewusstsein

Dieser Ansicht schloss sich Nicolas Westcott vom Europäischen Auswärtigen Dienst in Brüssel an. Er sieht vorrangige Aufgaben der EU in der Konfliktbekämpfung und der Krisenprävention. Aber auch beim Wiederaufbau gescheiterter Staaten (failed states) sowie dem Aufbau staatlicher Institutionen sollte nach Westcotts Ansicht die EU bedeutend stärker als bisher aktiv werden. Positiv hob Westcott die im Aufbau befindliche Afrikanische Friedens- und Sicherheitsarchitektur (APSA) der Afrikanischen Union (AU) hervor. Sie biete ein fortgeschrittenes Konzept zur Konfliktbekämpfung und Krisenprävention. Zwar leide die Struktur noch unter finanziellen, personellen und ausbildungstechnischen Defiziten und sei deshalb abhängig von internationalen Gebern. Jedoch offenbare die Afrikanische Union ein wachsendes Verantwortungsbewusstsein gegenüber Konflikten und begegne diesen mit adäquaten Mitteln. Die einst von der AU vehement vertretene Doktrin der Nicht-Einmischung in innerstaatliche Angelegenheiten sei passée. An ihre Stelle sei die Responsibility to Protect in den Grundprinzipien der AU verankert worden.

Staatsfreie Zonen

Auf den Zusammenhang von gescheiterten Staaten und Extremismus gingen in weiteren Vorträgen Professor Winrich Kühne von der amerikanischen Johns Hopkins Universität, Thomas Binder vom Bundesinnenministerium sowie Generalmajor Norbert Stier, Vizepräsident für militärische Angelegenheiten des BND, ein. Am Beispiel Malis zeigte vor allem Professor Kühne auf, wie der internationale Drogenhandel im Verbund mit Machtvakua und der wirtschaftlichen Perspektivlosigkeit weiter Teile der Bevölkerung eine Keimzelle für terroristische Gruppierungen bilden konnte. Die anderen Experten verwiesen auf die Gefahr, dass zahlreiche „staatsfreie Zonen“ auf dem Kontinent terroristischen und extremistischen Gruppierungen ideale Rückzugs- und Einflussgebiete ermöglichten. Deshalb müsse Afrika insgesamt von der deutschen Sicherheitspolitik stärker als bisher wahrgenommen werden. Auch der „Arabische Frühling“, einst Inbegriff einer verheißungsvollen Bewegung für Demokratie und Menschenrechte in Nordafrika, ziehe zwei Jahre später erhebliche Sicherheitsrisiken nach sich. In Libyen etwa könne der Staat sein Gewaltmonopol nur in größeren Städten aufrechterhalten . Die Landesgrenzen hingegen würden von staatsungebundenen Milizen kontrolliert, die an einer politischen Lösung nicht interessiert seien.
Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker, skizzierte zum Abschluss des Colloquiums die Neuausrichtung der Bundeswehr und ihre konzeptionellen Einsatzperspektiven in Afrika. Obwohl die internationale Wahrnehmung der Bundeswehr nach wie vor weitgehend über den Afghanistaneinsatz definiert werde, sei damit zu rechnen, dass sich der deutsche Beitrag zur afrikanischen Sicherheitsarchitektur auf Grund der fragilen Situation in Mali, Libyen oder Somalia in Zukunft intensivieren werde. Der Generalinspekteur machte indes auch deutlich, dass die sicherheitspolitischen Entwicklungslinien in Afrika weit über den Handlungsrahmen der deutschen Streitkräfte hinausgingen und es deshalb einer ressortübergreifenden Afrikapolitik bedürfe.

Das Auditorium ist mit ungefähr 150 Personen gefüllt.

Ein aufmerksames Auditorium erfuhr viel über wirtschaftliche und politische Chancen und Risiken in Afrika.
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik

Fazit: Afrikahilfe bedarf besserer internationaler Abstimmung

Das Bild Afrikas wird von zwei unterschiedlichen Wahrnehmungen geprägt: In der öffentlichen, medial-bestimmten Debatte treten die fragilen afrikanischen Staaten in den Vordergrund und betonen die Risiken, die eine Zusammenarbeit mit diesen Staaten in sich birgt. Wer sich hingegen intensiv mit dem afrikanischen Kontinent befasst, gelangt zu einer differenzierten Anschauuung. Die Afrikaexperten des Berliner Colloquiums waren sich in der Einschätzung einig, dass sich der Kontinent als Ganzes seit geraumer Zeit wirtschaftlich und politisch positiv entwickelt. Für die Krisenregionen Afrikas wird der EU und der Nato ein Konzept empfohlen, das den Sicherheitsbegriff umfassend definiert:

Zwar seien militärische Komponenten zur Konfliktbekämpfung als auch für Peacekeeping-Einsätze nötig. Eine langfristige Stabilisierung fragiler Staatsverhältnisse sei indes nur im Rahmen von wirtschaftlicher und politischer Kooperation möglich. Dazu zählen prioritär die Förderung von Bildung, Bekämpfung von AIDS und die Verbesserung der versorgungstechnischen Infrastruktur. Eine international abgestimmte und in den jeweiligen Staaten außerdem ressortübergreifende Politik in und für Afrika halten die Experten für unabdingbar. Andernfalls werde die Europäische Union nur noch eine Nebenrolle spielen und an dem sich entfaltenden Potential Afrikas kaum teilhaben.

Autor: Lukas Schäfer