Zwei Szenarien für das Jahr 2035 – Der Klimawandel als Sicherheitsrisiko
Der Klimawandel ist eines der größten Sicherheitsrisiken unserer Zeit. Wenn die Bundesregierung beim Klimaschutz nicht ambitioniert genug vorgeht und die internationale Gemeinschaft das Pariser Abkommen nicht konsequent umsetzt, drohen die Folgen der Erderwärmung in Deutschland und weltweit die Lebensgrundlagen massiv zu gefährden. Zur Stärkung der Resilienz der Bundesrepublik sollten Sicherheitspolitik und Klimapolitik im Sinne der integrierten Sicherheit aufeinander abgestimmt werden. Foto: Bundeswehr/Kevin Schrief
Szenario: Klimaschutz als Teil Integrierter Sicherheit
Im Jahr 2035 ist Klimaschutz fester Bestandteil einer integrierten Sicherheitsstrategie. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft haben erkannt, dass die Bewältigung der Klimakrise nicht nur ökologische, sondern auch sicherheitspolitische Dimensionen hat. Frühzeitiges und entschlossenes Handeln und konsequente Investitionen haben Deutschland resilienter gegenüber den Folgen der Erderwärmung gemacht.
Durch die Einhaltung national vereinbarter Klimabeiträge ist Deutschland auf dem Weg, in den kommenden zehn Jahren bis 2045 klimaneutral zu werden. Mit der vor sieben Jahren aktualisierten europäischen Energiesicherheitsstrategie sind dafür zentrale Weichen gestellt worden, insbesondere durch den massiven Ausbau erneuerbarer Energien und die schrittweise Elektrifizierung aller Sektoren. Die Offshore-Windkapazitäten in Nord- und Ostsee wurden durch entsprechende Förderprogramme und eine enge Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft im europäischen Verbund stark ausgebaut. Diese Maßnahmen haben die Energiesouveränität der EU spürbar gestärkt.
Die Folgen des Klimawandels gefährden die Gesundheit der Menschen viel stärker als noch vor zehn Jahren, doch konsequente Anpassungsmaßnahmen dämpfen seine Auswirkungen. Flüsse und Küsten sind besser vor Überflutungen geschützt, Städte verfügen über mehr Grünflächen, Hitzeaktionspläne und klimagerechte Architektur. Landwirtschaft, Wassermanagement und Verkehrssysteme sind so ausgerichtet, dass sie mit Dürren und Starkregen umgehen können. Katastrophenschutzorganisationen wie das Technische Hilfswerk und die Feuerwehren sind personell wie technisch gut ausgestattet und arbeiten eng mit europäischen Partnern zusammen. Bei Extremwetterereignissen können sie schnell und effektiv reagieren.
Außenpolitisch erweist sich Deutschland als verlässlicher Partner in der internationalen Klimapolitik und leistet substanzielle Beiträge zu Anpassungsfonds sowie zum Loss-and-Damage-Fonds, um besonders vulnerable Staaten beim Umgang mit den Folgen des Klimawandels zu unterstützen. Zugleich wirkt die Bundesrepublik innerhalb der EU und in internationalen Foren als Brückenbauer, der Klimaschutz konsequent mit Sicherheits- und Stabilitätsfragen verknüpft.
Klimabedingte Migration wird auch als Chance verstanden. Deutschland hat Partnerschaftsabkommen mit klimavulnerablen Staaten geschlossen, um qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen. Damit begegnet es dem Fachkräftemangel, der für die erfolgreiche Umsetzung der grünen Transformation der Wirtschaft entscheidend ist, und schafft zugleich neue Perspektiven für Menschen aus stark betroffenen Regionen.
So zeigt sich 2035: Deutschland ist nicht frei von Krisen, aber krisenfester als zuvor. Durch konsequentes Handeln und internationale Kooperation trägt die Bundesrepublik dazu bei, dass Europa Sicherheit und Stabilität auch in einer wärmer gewordenen Welt bewahren kann. Klimaschutz ist zum Fundament der Sicherheitsarchitektur geworden und beweist, dass Vorsorge günstiger und wirkungsvoller ist als spätes Reagieren.
Szenario: Sicherheitspolitischen Folgen des Klimawandels ohne Kurskorrektur
Deutschland blickt im Jahr 2035 auf eine verlorene Dekade im Hinblick auf Klimaschutzmaßnahmen zurück. Das Pariser Abkommen jährt sich zum 20. Mal, doch die Umsetzung seiner Ziele ist in weite Ferne gerückt. Das 1,5-Grad-Ziel im Vergleich zum vorindustriellen Niveau wird von der Weltgemeinschaft nicht erreicht werden. Die Erde steuert mittlerweile auf eine globale Erwärmung von über drei Grad Celsius bis Ende des Jahrhunderts zu.
Weder die notwendige Reduktion von Treibhausgasemissionen noch die grüne Transformation der Wirtschaft wurden konsequent vorangetrieben. Der Umstieg auf erneuerbare Energien blieb hinter den eigenen Zielsetzungen zurück, wodurch Deutschland weiterhin in erheblichem Maße von fossilen Energieimporten, insbesondere Erdgas, abhängig ist, mit negativen Auswirkungen für Wettbewerbsfähigkeit und Energiesicherheit. Auch außenpolitisch wurde eine entscheidende Chance vertan: Die Bundesrepublik konnte weder innerhalb der EU noch auf internationaler Ebene ausreichend Länder dazu bewegen, den Klimaschutz ambitioniert voranzutreiben.
Neben der verpassten Emissionsminderung bleiben auch Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel in Deutschland unzureichend, nicht zuletzt infolge zunehmender politischer Polarisierung und knapper Haushaltskassen auf Bundes- und Landesebene. Populistische Akteure stellen den menschengemachten Klimawandel in Frage, in einzelnen Regierungsbeteiligungen auf Landesebene blockieren sie auch dringend notwendige Investitionen, etwa in den Ausbau des Hochwasserschutzes, die Stärkung der Hitzeresilienz in Städten oder den Schutz landwirtschaftlicher Flächen. Die Folgen sind gravierend: Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen, Hitzewellen und Dürren nehmen auch in Deutschland spürbar zu. Heiße und trockene Sommer führen zu massiven Ernteeinbußen, während großflächige Waldbrände Bevölkerung und Infrastruktur zusätzlich belasten. Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen wie das Technische Hilfswerk sowie die Feuerwehr stoßen regelmäßig an ihre Grenzen.
Die Folgen: Deutschland ist verwundbarer denn je gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels. Doch diese machen nicht an nationalen Grenzen Halt. Besonders in ärmeren Staaten sind die Auswirkungen des Klimawandels verheerend. In Regionen wie Nordafrika, dem Nahen Osten und Teilen Subsahara-Afrikas verschärft der Klimawandel bestehende Probleme: Er verstärkt Armut, Ungleichheit und Staatszerfall. Dürren, Wasserknappheit und Ernteausfälle führen dort zu schweren humanitären Krisen und verschärfen Ressourcenkonflikte. Dies führt auch zu Flucht- und Migrationsbewegungen, die Europa zunehmend unter Druck setzen. Die sicherheitspolitische Dimensionen eines ungebremsten Klimawandels sind unübersehbar geworden. Die Klimakrise hat sich zu einem zentralen Risikofaktor für Sicherheit, Wohlstand und Stabilität entwickelt – in Deutschland ebenso wie weltweit.
Das Denken in Szenarien zählt zum täglichen Handwerkszeug von Führungskräften in Politik, Behörden, Wirtschaft und Zivilgesellschaft – und zu den Methoden der Strategischen Vorausschau, wie sie die BAKS vermittelt. Anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Arbeitskreises Junge Sicherheitspolitik haben wir zehn AKJS-Angehörige gebeten, zehn Jahre in die Zukunft zu blicken und zwei Szenarien zu entwerfen: Was wäre der sicherheitspolitische worst case? Und wie soll sich Deutschland stattdessen aufstellen, um als freiheitliche Demokratie in einem sicheren Europa zu bestehen? Ihre Einschätzungen und Empfehlungen erscheinen hier in loser Folge.