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„Zukunft benutzen“: UNESCO-Experte Riel Miller über Strategische Vorausschau

Dienstag, 7. März 2017

Der UNESCO-Foresightexperte Dr. Riel Miller sprach im Rahmen des Diskussionsforums Foresight an der BAKS über die Anforderungen der Strategischen Vorausschau.

Riel Miller von der UNESCO spricht an der BAKS vor sitzenden Zuhörern.

Dr. Riel Miller leitet den Bereich Foresight bei der UNESCO in Paris. In der Diskussion an der BAKS sprach er sich für ein "Instrumentalisieren von Zukunft" aus. Foto: BAKS

„Zukunft“, so Riel Miller, Leiter des Foresight-Bereichs bei der UNESCO in Paris, müsse man „benutzen“. Denn erst durch das „Instrumentalisieren von Zukunft“ werde die Lücke zwischen einer bloß theoretischen Antizipation künftiger Zeit und der praktischen Umsetzung daraus abgeleiteter Handlungsimperative geschlossen – ein wichtiger Schritt vor allem in Bezug auf ressortübergreifende Kooperation und vernetztes Krisenhandeln.

Anlässlich des Diskussionsforums Foresight, das am 13. Februar 2017 an der Bundesakademie für Sicherheitspolitik stattfand, erklärte Miller anschaulich, welche fundamentale Bedeutung in diesem Zusammenhang Strategiefähigkeit hat und wie man sie fördert und trainiert. Für die Präzision und Konsistenz einer Strategie seien mehrmonatige Übungen und Explorationsprozesse entscheidend, so Miller. Daneben sei es der Wissenstransfer zwischen den Entscheidungsbeteiligten: Die „kollektive Intelligenz“ aller Beteiligten sei für Handlungsfähigkeit in komplex vernetzten Strukturen wesentlich. Letztlich gelinge der Brückenschlag zwischen künftigen Erfordernissen und gegenwärtig zu ergreifenden Maßnahmen vor allem durch die wirksame Vernetzung der Entscheidungsbeteiligten.

Zukunftsbilder als Ausgangspunkt von Transformationsprozessen 

Transformation beginnt für Miller in der Zukunft. Eine Strategie müsse demnach gegenwärtiger Entscheidungsfindung vorgreifen. Es gelte, Zukunftsbilder zu generieren, an denen aktuelles Handeln orientiert und bewertet werden könne, um diese „Zukünfte“ entweder herbeizuführen, den Umgang mit ihnen zu verbessern und Krisenhandeln einzuüben.

Der UNESCO-Experte Dr. Riel Miller spricht zu Veranstaltungsteilnehmern an der BAKS.

Schwerpunkt Foresight: Die BAKS führt regelmäßig nationale und internationale Experten aus der Strategischen Vorausschau zusammen. Foto: BAKS

Das Produkt seiner Methode des handlungsorientierten Umgangs mit Zukunft bezeichnet Riel Miller als „Future Literacy“, also „Lesefähigkeit der Zukunft“ und damit als eine Kompetenz so wesentlich wie Alphabetisierung. In der Tat bestimmen Narrative, wie wir Zukunft antizipieren, erzählen und lesen, und wie wir Gegenwart gestalten. Zukunft zu „instrumentalisieren“, kann demnach nicht nur ein Weg sein, sich substanziell auf künftiges Geschehen einzustellen, sondern auch ein Schlüssel, die Gegenwart besser zu verstehen, sich zu orientieren und das Spektrum an Handlungsmöglichkeiten zu erweitern.

In diesem Zusammenhang sei Unsicherheit, wenn auch Feind jeder Planung, keinesfalls immer nur als ein negativer Zug der Zukunft zu betrachten. Im Gegenteil, so Miller, verliere die Zukunft einen Großteil ihres Bedrohungspotentials in dem Moment, da man Unsicherheit als Ressource, Quelle von Flexibilität und als Motiv für neue Handlungsoptionen betrachte. Mit Unberechenbarkeit und Ambiguität umzugehen, sei eine durchaus bereichernde und gewinnbringende Fähigkeit – denkt man etwa an Entwicklungen wie den Brexit und die veränderte US-Außenpolitik unter Präsident Donald Trump.

Towards the Future and Back to Present?

Millers Ansatz weckte großes Interesse beim Publikum. Ganz grundsätzliche Fragen über den Umgang mit Zukunft und das besagte „Instrumentalisieren von Zukunft“ wurden aufgeworfen: Welche Transformation ist wünschenswert? Welche Wandlungsprozesse sollten forciert, welche eher gebremst werden? Wie Zukunft denken: als einen gestaltbaren Raum der Progression, der unter immer zahlreicher werdenden Akteuren aufgeteilt und immer diverseren Ansprüchen genügen muss? Denn wer Zukunft instrumentalisieren will, muss voraussetzen, dass andere das auch tun und dabei eine womöglich ganz andere Vision im Blick haben als man selbst. Diese Frage betrifft den Kern der Transformationsdebatte und die Frage, ob es in Bezug auf die Zukunft nur eine Blickrichtung, nämlich die nach vorn, gibt: Gestaltet man die Zukunft orientiert an künftigen Belangen? Oder schaut man sowohl nach vorn als auch zurück und orientiert an dem, was man von heute nach morgen retten will?

Riel Miller konnte mit seinem Vortrag an akute methodische, aber auch ideell und politisch relevante Fragen rühren und vor allem verdeutlichen: Möchte man Zukunftsfragen beantworten, wird es ohne Strategische Vorausschau und den gleichzeitigen Blick auf die Gegenwart nicht gehen.

Autoren: Julia Buchholtz, Katharina Pachmayr und Norbert Reez