Zum Einstieg stellten der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, und der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Dr. Hans-Georg Maaßen, übergreifende Herausforderungen für die deutsche Sicherheit dar.
Botschafter a.D. Karl Flittner beim Einführungsvortrag in die Krisenregion zum Auftakt der Fallstudie SAHEL.
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik
Beide berichteten aus der Arbeit ihrer Organisationen und informierten über Veränderungen und aktuelle Entwicklungen in Zusammenhang mit der Bedrohung durch Terrorismus, Islamismus und Rechtsextremismus. Hierbei wurde deutlich, dass die Bedrohungslage durch gegenseitiges „Hochschaukeln“ der verfeindeten Gruppen eine zusätzliche Dynamik erfährt (z.B. gezielte Provokation durch islamfeindliche Karikaturen oder Filme). Außerdem lernen radikale Gruppierungen zunehmend voneinander und kopieren erfolgreiche Methoden und Strategien der Gegenseite. Für alle beobachteten Phänomene spielt das Internet eine zunehmend wichtige Rolle.
Nach der Grundlagenarbeit des ersten Moduls hatten die Teilnehmer des SP13 nun die Gelegenheit, die Wechselwirkung zahlreicher Faktoren, die als Ursachen und Auslöser verschiedenster Konflikte zu regionaler Instabilität beitragen, genauer zu betrachten. Hochkomplexe, oft langwierige Krisen wie etwa im westafrikanischen Sahel haben – unabhängig von der räumlichen Begrenzung der gewaltsamen Auseinandersetzung oder der internationalen Wahrnehmung – einen immer höheren Grad an Auswirkungen, die weit über den regionalen Kontext hinausgehen. Im Rahmen der Fallstudie „Sahel“ – mit besonderem Fokus auf die aktuelle Eskalation in Mali – wurden die Zusammenhänge zwischen Fragilität, Organisierter Kriminalität, Migration und Terrorismus verdeutlicht. In Paneldiskussionen und fachlich begleiteten Arbeitsgruppen diskutierten Experten aus Wissenschaft und Politik mit dem Seminar zu den einzelnen Faktoren, ihren Implikationen für die europäische und deutsche Sicherheit und zur Strategie der deutschen Bundesregierung.
Zum Abschluss des Themenschwerpunktes wurde das Phänomen Terrorismus durch seminarinterne Expertise vertieft. Hierzu informierten zunächst Vertreter aus dem Bundeskriminalamt und einer Landespolizei über langfristige Entwicklungen und Abwehrstrategien gegen Terrorismus und Islamismus, während ein weiterer Seminarteilnehmer Definitionen und Abgrenzungen der Begriffe Radikalismus, Extremismus und Terrorismus sowie Islamismus, Dschihadismus und Salafismus im Kontext des aktuellen Forschungsstandes vorstellte.
Cyber-Sicherheit
Zum Thema „Cyber-Sicherheit“ standen die Aspekte Kriminalität und Abwehr sowie Strategie und Politik im Vordergrund.
Andreas Könen, Vizepräsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), beschrieb die Elemente der deutschen Cyber-Sicherheitsvorsorge, unter anderem die enge Zusammenarbeit von Behörden des Bundes und der Länder im Nationalen Cyber-Abwehr-Zentrum. Diese sollen einen optimalen Schutz der nationalen IT-Netzwerke und -Infrastrukturen gewährleisten und den Einsatz von hochspezialisierten Computer Emergency Response Teams (CERT) bei der aktiven Bekämpfung von Cyberangriffen koordinieren.
Im anschließenden Workshop vertieften Cyber-Sicherheits-Experten in kleineren Gruppen die Themen Cyber-Strategie, Cyber-Kriminalität, Wirtschaftsspionage und Cyber-Außenpolitik und verdeutlichten nationale Handlungsoptionen. Seminarteilnehmer ergänzten die Ausführungen der Experten mit Beiträgen aus ihrem eigenen beruflichen Arbeitsfeld.
Während der Studienreise nach Brüssel wurden zudem Positionen und Aktivitäten der NATO diskutiert. Einen wichtigen Aspekt stellt die Entwicklung gemeinsamer technischer Standards dar, um die eigenen Netzwerke und Kommunikationssysteme vor Angriffen zu schützen.
Bevölkerungsschutz und kritische Infrastruktur
Im dritten Schwerpunkt widmete sich das Seminar dem Thema „Bevölkerungsschutz und Kritische Infrastrukturen (KRITIS)“. Dazu führten zunächst Teilnehmer des SP13 – Vertreter des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) sowie der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) – in die Strukturen und Akteure des Systems des deutschen Bevölkerungsschutzes ein, um die gesamtgesellschaftliche Aufgabe des Schutzes kritischer Infrastrukturen aus dem staatlichen Auftrag zur Daseinsvorsorge herzuleiten und die Stellung im Gesamtsystem zu verdeutlichen.
Darauf aufbauend erläuterte eine externe Referentin die konkreten Schutzkonzepte, Initiativen und aktuellen Fragen zum Thema KRITIS auf nationaler und internationaler Ebene. Ein weiterer SP13-Teilnehmer ergänzte dies im Hinblick auf die Bedeutung der Zusammenarbeit von Staat und Infrastrukturbetreibern mit einem konkreten Beispiel auf Landesebene. Das nationale ressort- und ebenenübergreifende Krisenmanagement, einschließlich der strategischen Krisenmanagementübungsreihe „LÜKEX“, stellte im Anschluss der zuständige Referatsleiter aus dem Bundesministerium des Innern (BMI) dar. Abgerundet wurde der Themenbereich mit einer Exkursion zum KKI, Kompetenzzentrum Kritische Infrastrukturen GmbH, Berlin.
Demographie/Migration/Integration/Identität
Der vierte große Themenschwerpunkt des Moduls wurde über eine Analyse globaler demographischer Trends eingeleitet: fortschreitende Alterung der Gesellschaften in den westlichen Industriestaaten, ein rapide wachsender Anteil von Jugendlichen in den meisten Entwicklungs- und Schwellenländern, zunehmende Urbanisierung und globale Migration werden mittelfristig gravierende sicherheitspolitische Implikationen auf die betroffenen Gesellschaftsstrukturen haben.
Ein Highlight im Bereich Migration / Integration war ein Besuch im Berliner Bezirk Neukölln mit dem Ziel, einen Einblick in Integrationsarbeit „an der Basis“ zu gewinnen – für viele Seminarteilnehmer, die überwiegend am Schreibtisch sitzen, eine ganz neue Erfahrung. In der Şehitlik Moschee am Columbiadamm lernten die Teilnehmer unterschiedliche Akteure des Netzwerks kennen, das sich im Bezirk zur Förderung der Integrationsarbeit zusammengeschlossen hat. Unter Moderation des Integrationsbeauftragten von Neukölln stellten sich Vertreter des Betreibervereins der Moschee, der Polizeidirektion V, des Projekts „Stadtteilmütter“ sowie die Leiterin einer Ganztags-Grundschule in Neukölln als Gesprächspartner zur Verfügung. Zurück in der BAKS folgte eine kontroverse Diskussion zwischen der Autorin und Anwältin Seyran Ateş und der Honorarprofessorin Barbara John, langjährige Ausländerbeauftragte des Berliner Senats und Ombudsfrau für die NSU-Opfer. Auch hier stand im Raum, dass in Deutschland noch keine diskriminierungsfreie Gesellschaft gelebt würde und Pluralität (das Recht so zu sein, wie man ist) noch keine Selbstverständlichkeit sei.
In Verbindung mit dem Thema „Integration“ wurde auch die Frage nach Identität und Identifikation mit einer Gesellschaft bzw. einem Staat gestellt. Ein Vertreter der ZDK Gesellschaft Demokratische Kultur GmbH erläuterte den Zusammenhang von Identität und Extremismus und warb dafür, dass Gesellschaft und Politik sich offen mit radikalen Einstellungen auseinandersetzen und so die Argumentationsmuster entkräften sollten. Professor em. Dr. Klaus Bade, ehemals Universität Osnabrück, beförderte zum Abschluss mit kritischen Thesen zum Umgang mit Integration in Deutschland noch einmal eine lebhafte und kontroverse Debatte im Seminar und forderte einen neuen Gesellschaftsvertrag, der Deutsche mit und ohne Migrationshintergrund zusammenbringt.
Das Sicherheitspolitische Seminar SP13 im Gespräch mit Monsieur Laurent Pic (3. v.l.), dem diplomatischen Berater des Französischen Primierministers.
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik
Empfang der Deutschen Botschafterin in Paris, Dr. Susanne Wasum-Rainer mit Gelegenheit zum Austausch mit Seminarteilnehmern des französischen Institut des hautes études de défense nationale (IHEDN)
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik
Studienreise Frankreich - Paris
Die erste Studienreise des SP13 führte nach Paris. Auf eine Einführung in der deutschen Botschaft folgten Gespräche mit Laurent Pic, diplomatischer Berater des französischen Premierministers, und mit Michel Miraillet, Leiter des Planungsstabes im französischen Verteidigungsministerium, über die nationale bzw. internationale Sicherheitslage mit Schwerpunkt Mali. Besonders interessant war, dass Frankreich bei der laufenden Überarbeitung seines Weißbuches zur Sicherheitspolitik auch britische und deutsche Vertreter eingebunden hat.
Das SP13 besuchte außerdem den Entwicklungsausschuss der OECD, um auf internationaler Ebene die Themen Konflikt und Fragilität mit Vertretern des International Network on Conflict and Fragility (INCAF) weiter zu vertiefen.
Höhepunkt der Gespräche in Paris war ein Treffen des Seminars mit der 65. session nationale Verteidigungspolitik, dem zivil-militärischen Kurs des IHEDN (Institut des Hautes Études de Défense Nationale), welches einen vertieften und ausgesprochen fruchtbaren Austausch über die gemeinsamen Herausforderungen von Sicherheit und Verteidigung erlaubte.
Studienreise Brüssel - NATO
Hinsichtlich der Rolle supranationaler Akteure der Sicherheitspolitik konnte das Seminar in Brüssel einen unmittelbaren Eindruck der Herausforderungen für die NATO gewinnen. In einer einführenden „tour d’horizon“ legte der Deutsche Ständige Vertreter im Nordatlantikrat, Botschafter Martin Erdmann, zunächst aktuelle Schwerpunkte und Themenfelder dar und charakterisierte die historisch-gesellschaftlich begründeten Herausforderungen deutschen Agierens in der Allianz im Kontrast zur Erwartungshaltung anderer Nationen an das größte europäische Mitglied. Der Direktor des Internationalen Militärstabes, Generalleutnant Jürgen Bornemann, gab dem Seminar einen Überblick über die Operationen und Einsätze der NATO und verdeutlichte die damit verbundenen Herausforderungen am Beispiel des Engagements in Afghanistan post-2014. Weitere Themenfelder wie „Neue globale Herausforderungen und strategische Optionen“ oder „NATO in Nordafrika“ zeigten auf, wie sich die Organisation für die Zukunft aufstellt. Ein besonders kritischer Bereich ist dabei die Fähigkeitsentwicklung, die mit dem Abteilungsleiter Militärpolitik intensiv diskutiert wurde. Diese steht zum einen unter dem Einfluss sinkender Verteidigungshaushalte und muss zugleich nationalen Interessen und Vorbehalten Rechnung tragen.
Mr. Graham Muir, Leiter der Policy and Planning Unit der Europäischen Verteidigungsagentur während seines Vortrags vor dem SP (rechts). Links im Bild: Botschafter Dr. Heumann, Präsident der BAKS.
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik
Studienreise Brüssel - Europäische Union
Ein weiteres Ziel der Reise nach Brüssel war es, die Arbeits- und Wirkungsweise der aus sicherheitspolitischer Sicht wichtigsten EU-Institutionen und die Mitwirkung der einzelnen Mitgliedstaaten im europäischen Entscheidungsprozess besser kennenzulernen. Dies wurde zum einen durch unmittelbaren Austausch mit Vertretern der Europäischen Kommission, des Europäischen Auswärtigen Dienstes, der Europäischen Verteidigungsagentur, mit einem Mitglied des Europäischen Parlaments sowie mit dem Anti-Terrorismus-Koordinator des Ministerrates und zum anderen in Gesprächen mit Mitarbeitern der Ständigen Vertretung Deutschlands bei der EU erreicht.
Die Teilnehmer des SP13 konnten dabei die Entwicklung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) bzw. Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) seit dem Vertrag von Lissabon und die Rolle Deutschlands im Konzert der europäischen Staaten ausführlich diskutieren. Im Zusammenhang mit dem im Dezember anstehenden GSVP-Gipfel wurde die doppelte Erwartung gegenüber dem Europäischen Rat betont: der Gipfel solle der GSVP strategische Orientierung bringen sowie in konkreten Bereichen zu praktischen Ergebnissen führen.
Ein Besuch im Hanse-Office, der gemeinsamen Vertretung der Freien und Hansestadt Hamburg und des Landes Schleswig-Holstein bei der EU, vermittelte zudem einen detaillierten Einblick in die Zusammenarbeit der Bundesländer mit der EU anhand konkreter Beispiele.
Fazit
Eine scharfe Grenzziehung zwischen innerer und äußerer Sicherheit ist heutzutage unrealistisch: die Sicherheitslage in Deutschland wird einerseits massiv von innenpolitischen Entwicklungen, andererseits aber durch Faktoren beeinflusst, die von anderen Regionen der Welt ausgehen und auf die Verhältnisse in Deutschland einwirken. Eine Bewältigung solch „übergreifender Herausforderungen“ allein auf nationaler Ebene ist so schlichtweg unmöglich.
Die Dimensionen von krisenhaften Entwicklungen sind vielschichtig und müssen umfassend betrachtet werden, um wirksame, nachhaltige Ansätze entwickeln zu können. Es steht daher die Vernetzung der zur Verfügung stehenden Handlungsinstrumente bei der Wahrnehmung von Aufgaben der nationalen Sicherheitsvorsorge im Vordergrund – zwischen verschiedenen Politikfeldern, im föderalen System, auf europäischer und globaler Ebene. Dabei kommt dem Dialog der Akteure eine wichtige Rolle zu. Nur so können einseitige Perzeptionen abgebaut und in teils aufwendigen Konsultationsprozessen mögliche Handlungsfelder unter Berücksichtigung der verfügbaren Fähigkeiten einzelner Akteure mit unterschiedlichen Interessen abgestimmt werden.
Vor dem Hintergrund der erforderlichen Reaktion auf vielschichtige Bedrohungen, verbunden mit den Änderungen der geopolitischen Rahmenbedingungen, sind die europäischen Nationen – gerade auch unter Berücksichtigung beschränkter finanzieller Ressourcen – zukünftig immer stärker gefordert, nationale Egoismen zurückzustellen und gemeinsame Ansätze zu entwickeln. Auch als Grundlage für den Europäischen Gipfel im Dezember erfordert dies eine gezielte Positionierung, wie sich Deutschland als global agierender Akteur unter den sich verändernden Rahmenbedingungen aufstellen sollte, um seine strategische Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit zu erhalten.
These
Gemeinsame Sicherheitsvorsorge gegen übergreifende Herausforderungen bedingt nicht nur einen ganzheitlich-konzeptionellen Ansatz sowie die praxisorientierte Vernetzung der relevanten Akteure, sondern wird zukünftig im Zuge begrenzter Ressourcen auch den Verzicht auf eigenständige Handlungsfähigkeit zugunsten gemeinsam bereitgestellter Fähigkeiten im kohärenten Ansatz erfordern.
Autor: Arbeitsgruppe Afrika SP 13