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Sicherheitspolitische Informationsveranstaltung für Mitglieder des Deutschen Bundetages

Dienstag, 24. Januar 2012

Dass wir Deutsche ein Volk der Dichter und Denker seien, wird gerne von uns erinnert. Dass wir auch gute Planer und Organisatoren sein können, wird international anerkannt. Nur wenn es um die Entwicklung von Strategien geht, besteht national sowie international Einigkeit: das liege uns nicht so. Warum ist das so? Und wie ließe sich eine deutsche sicherheitspolitische Strategie entwickeln?

Ansicht einer Veranstaltung, bei der viele Herren an einem Tischkreis sitzen

Infoveranstaltung für Mitglieder des Deutschen Bundestages
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik

Die BAKS lud zur Beantwortung dieser und noch mehr Fragen die Mitglieder des Deutschen Bundestages nach Pankow. Ziel war der Austausch zum Thema „Deutsche Sicherheitspolitik: Wo liegt der Anspruch, welches ist die Wirklichkeit?“. Dabei begann die Veranstaltung mit einem wissenschaftlichen Exkurs über die strategische Ausrichtung deutscher Interessen. Ausgehend von der „Scheckbuchpolitik“ des letzten Jahrhunderts sei es deutsche Strategie gewesen die eigenen Interessen zu „camouflieren“, um sich bei Entscheidungen stärker nach Bündnispartnern zu richten. In der jetzigen Situation der Finanzkrise werde von Deutschland als europäische Wirtschaftsmacht jedoch Führungsverantwortung erwartet. Damit sei die Strategie der Bündnisorientierung vor eigener Gestaltung zum Scheitern verurteilt. Eine neue Strategie sei aber nicht zu erkennen, wenn politisches Handeln als „alternativlos“ kommuniziert werde. Grundprinzip des strategischen Denkens sei eben das Denken in Szenarien und das Abwägen von Alternativen. Dagegen würde die Politik derzeit eher „auf Sicht fahren“. Die Ursache dafür liege aber nicht allein bei der Politik. Es bestand Konsens bei Referenten sowie Teilnehmern, dass strategische Gedankenspiele viel zu wenig von „think tanks“ geführt werden, die dann der Politik als Empfehlungen zur Seite stünden. Dieses läge aber auch an der Kultur der deutschen Denkfabriken, die gemessen an den USA beispielsweise nicht so stark ausgeprägt sei.

Im zweiten Teil der Veranstaltung ging es um den konkreten Handlungsbedarf hinsichtlich des Umbruchs in der arabischen Welt. Hierzu richtete sich der Blick vor allem auf die aktuelle Situation in Ägypten. Die Rolle des ägyptischen Militärs sei derzeit weniger als Motor der Revolution zu erkennen. Vielmehr würde die Militärführung die Situation verschärfen und verstärkt durch Aktionen in Erscheinung treten, die eine Niederschlagung der Revolution vermuten lassen: sei es der gewaltsame Vorgang gegen Demonstranten oder die Verhaftung von Aktivisten. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass das Lagebild nicht zu eindimensional hinsichtlich der Akteure sein darf. Auch innerhalb des Militärs gebe es unterschiedliche Ansichten und Interessen. Besonders wichtig sei aber, dass der Tahir-Platz nicht stellvertretend für ganz Ägypten stehe. Dort hätten zwar Studenten den Anfang der Proteste gebildet, später folgten aber auch Arbeiter und Gewerkschafter; und nicht nur in Kairo. Die Verkürzung der Aktivisten auf die Attribute: jung, modern, facebook-gesteuert würde ein falsches Bild der Proteste geben. Der Anteil säkularer Modernisierer wurde mit vier Prozent angegeben. Ebenso sei in der medialen Berichterstattung eher die Losung „Freiheit und Würde“ aufgegriffen worden. Die im übrigen Land hervorgebrachte Forderung nach „Brot, Freiheit und Gerechtigkeit“ sei aber nicht thematisiert worden. Solche Annahmen aufgrund falscher Lagebilder könnten das hohe Wahlergebnis der Muslimbruderschaft nicht erklären, vielmehr führten sie nur zu weiteren Überraschungsmomenten. Es sei für daher für europäische Partner zu akzeptieren, dass für die nächsten fünf Jahre in Ägypten die „islamische Tendenz die Macht erobert hat“. In dem Zusammenhang wurde auch darauf hingewiesen, dass eine neue Erscheinungsform des Islam zu erwarten sei. Die Einschätzung der Referenten hinsichtlich einer Bewertung der arabischen Revolution war eher positiv. Die Befürchtung eines Konflikts größeren Ausmaßes teilten die Referenten in Bezug auf einen möglichen Krieg mit dem Iran.

Autor: Björn Hawlitschka