Aktuelles

Kooperation sicherheitspolitischer Akteure der Bundesministerien

Montag, 26. September 2011

In seiner Begrüßung hob der Präsident der Bundesakademie, Dr. Hans-Dieter Heumann, die Bedeutung des in einer deutschen Tradition stehenden "vernetzten Ansatzes" für die Sicherheitspolitik hervor.

Zwei Herren sitzen an einem Tisch mit Mirkophonen

Präsident und Vizepräsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik bei der Begrüßung der Referatsleiter
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik

Den Auftakt zu dieser Referatsleitertagung machten der Sicherheitspolitische Direktor des Auswärtigen Amtes, Herbert Salber, und der Vizepräsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Rainer Meyer zum Felde, mit Vorträgen über die aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen Deutschlands vor dem Hintergrund eigener Analysen und Einschätzungen. Salber skizzierte u.a. die operativen Herausforderungen und Hauptfelder deutscher Sicherheitspolitik – Stärkung der GSVP, Rolle der NATO, Stärkung der Rolle der OSZE, beleuchtete die Initiativen Deutschlands im UN-Sicherheitsrat und gab einen Ausblick auf die AFG-Konferenz 10 Jahre nach Petersberg. Meyer zum Felde befasste sich vor allem mit strategischen sicherheitspolitischen Aspekten, insbesondere mit der Verschiebung sicherheitspolitischer Mächte und Konstanten auf globaler Ebene.

Die Diskussion um aktuelle sicherheitspolitische Herausforderungen Deutschlands beschäftigte sich vor allen Dingen mit den globalen Machtverschiebungen insbesondere in finanzieller Hinsicht. Weitgehende Einigung bestand in der Ansicht, dass in Zukunft Sicherheit mit immer weniger Finanzmitteln gewährleistet werden müsse. Insbesondere der Verweis auf die Vermeidung von Doppelstrukturen in EU und NATO stieß auf breite Zustimmung. Mit nur einer Steuerzahlergemeinschaft können nicht die gleichen Fähigkeiten in verscheidenen Institutionen abgebildet werden. Während sich die NATO auf robuste militärische Fähigkeiten konzentrieren sollte, könnte die EU ihre bereits weitentwickelten „Softpower“-Fähigkeiten intensiv einsetzen. Da sich die USA in ihren militärischen Fähigkeiten in Zukunft eher auf einen prä-9/11-Status beschränken und sich im Rahmen der Fokussierung auf den pazifischen Raum aus Europa zukünftig zurückziehen würden, sei die verstärkte sicherheitspolitische Integration und Verantwortungsübernahme der EU notwendig. Im Rahmen dieser notwendigen Integration befürworteten sowohl Referenten als auch Teilnehmer eine entschiedene Weiterführung der mit den Stichworten „Pooling“ und „Sharing“ beschriebenen Prozesse. Trotz aller sicherheitspolitischen Herausforderungen auf inter- und supranationaler Ebene wurde auch die Ausrichtung Deutschlands diskutiert. Während einige Teilnehmer/-innen die Wichtigkeit bewährter deutscher außenpolitischer Instrumente wie in der konventionellen Rüstungskontrolle hervorhoben, wurde auch Kritik an Einsatzfähigkeit und Einsatzbereitschaft militärischer Instrumente geäußert. Die Perzeption Deutschlands auch bei europäischen Bündnispartnern als Verbündeter, der Risiken scheue, wäre ein Hindernis auf dem Weg zu einer integrierten europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Im zweiten Panel des Nachmittags befassten sich Dr. Markus Dürig, Referatsleiter im Bundesministerium des Innern, und Andreas Könen, Fachbereichsleiter im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, mit Fragen der Cyber-Sicherheit am Beispiel des im Sommer 2011 in Dienst gestellten Nationalen Cyber-Abwehrzentrums. Anhand dieser Einrichtung, die weniger eine Behörde mit exekutiven Befugnissen als eine reine Informationsaustausch-Plattform darstellt, zeigte sich die gelungene Verwirklichung der Kooperation und Koordination aller relevanten sicherheitspolitischen Akteure in diesem zukünftig an noch Relevanz gewinnenden Feld.

Drei Herren sitzen und halten einen Vortrag

Panel zur Cybersecurity mit Fachbereichsleiter Könen vom BSI, Oberst i.G. Meyer zum Felde (BAKS) und Referatsleiter Dr. Dürig vom BMI (v.l.n.r.) im "Rosenburgsaal" der BAKS
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik

Im Rahmen der Vorträge und Debatten über die neue Gefahr von Cyber-Angriffen und aktuelle deutsche Abwehrmaßnahmen wurde insbesondere die Verwundbarkeit der Bundesrepublik Deutschland deutlich. Mit der Entwicklung von 60.000 neuen Schadprogrammen pro Tag und der Infizierung von 21.000 Websites sind Gefahrenszenarien ungeahnter Reichweite denkbar. Die sozialen und politischen Auswirkungen eines Angriffes auf die monatlichen Auszahlungen der Deutschen Rentenversicherung wären zum Beispiel gravierend. Das Nationale Cyber-Abwehrzentrums, angegliedert an das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), sammelt, analysiert und bewertet Informationen über mögliche Cyber-Attacken, koordiniert die Schutz- und Abwehrmaßnahmen und gibt Empfehlungen an den Cyber-Sicherheitsrat weiter. In diesen Aufgaben wird es durch alle relevanten Akteure aus Polizei, Geheimdiensten, Militär und Wirtschaft zur Sicherung der deutschen IT-Infrastruktur unterstützt. Diskussionsbedarf bestand bzgl. der Möglichkeit einer offensiveren Vorgehensweise gegen Cyber-Attacken, welche jedoch neben potentiellen rechtlichen Hürden bereits an der einwandfreien Identifikation der Täter scheitert. Dem Leitbild einer vernetzten und umfassenden Sicherheit folgend engagiert sich Deutschland daher auch in strukturschwächeren Partnerländern zur frühzeitigen Bekämpfung transnationaler Internetkriminalität. Eine Kodifizierung von staatlichen Verhaltensregeln im Sinne des Völkerrechts wird aber wohl kaum in naher Zukunft realisiert werden können.

Am nächsten Tag wurde die Tagung mit einem Besuch im Berliner Dienstsitz des BMVg bei Staatssekretär Stéphane Beemelmans fortgesetzt. Dieser referierte zum Thema: „Sicherheitspolitische Auswirkungen der Bundeswehrreform auf die Zusammenarbeit mit anderen Ressorts“. Dabei erläuterte er die Eckpunkte der Bundeswehrreform 2011 sowie die künftigen Strukturen des BMVg. Überdies befasste er sich mit Fragen der Handlungsfähigkeit Deutschlands angesichts einer immer engeren Integration der Streitkräfte und den damit zusammenhängenden Problemen von parlamentarischer Beteiligung versus Bündnisfähigkeit.

Nach einem Besuch des Dokumentationszentrums „Topographie des Terrors“ stand am Nachmittag im Bundeskanzleramt ein Hintergrundgespräch mit dem Leiter der Abteilung Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik, Ministerialdirektor Dr. Christoph Heusgen, an. Dieser referierte zum „Demokratischen Umbruch in Nordafrika – Strategische Herausforderungen und Handlungsoptionen für die Ressorts“, befasste sich aber auch mit der politischen Frage der Anerkennung Palästinas in den UN.
In einer Aussprache zum Abschluss der zweitägigen Veranstaltung bewerteten die Teilnehmer und -innen die Tagung als erfolgreich und erkenntniserweiternd sowie wertvoll insbesondere deswegen, weil sie zur Festigung und Stärkung des Netzwerkgedankens auf der Referatsleiterebene von Bundesressorts beigetragen habe.

Autoren: Dr. Roman Schmidt-Radefeldt und Dipl.-Kfm. Gerhard Bahr