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Gesucht: Junge Sicherheitspolitiker

Freitag, 20. September 2013

Die erste Tagung speziell für junge Sicherheitspolitiker/innen an der BAKS behandelte das Thema „Fragile Staatlichkeit – Herausforderungen für die internationale Sicherheit“

Seit 2002 beschäftigt die Bundesakademie für Sicherheitspolitik  (BAKS) eine Vielzahl von Praktikantinnen und Praktikanten. Aus verschiedensten Fachrichtungen kommend, oftmals interdisziplinär und international ausgebildet, bringen sie junge, zukunftsorientierte Perspektiven in sicherheitspolitische Diskurse ein. Am 20. und 21. September 2013 fand zum ersten Mal eine Tagung speziell für diesen Adressatenkreis statt, gefördert durch den Freundeskreis der Bundesakademie. Über zwanzig dieser „jungen Sicherheitspolitiker/innen“ aus den Jahren 2005 bis 2013 fanden sich an der BAKS zusammen, um gemeinsam mit renommierten Erfahrungsträgern das Thema „Fragile Staatlichkeit“ zu diskutieren und sich untereinander zu vernetzen.

In seiner Begrüßung hob der Präsident der Bundesakademie, Botschafter Dr. Hans-Dieter Heumann, das Engagement und den Wert der Praktikant/innen für die BAKS hervor. Mittlerweile kann die Akademie auf über 150 „Ehemalige“ zurückblicken, die größtenteils am Ende ihres Studiums oder schon im Berufsleben stehen. Dieser Nachwuchs bildet heute und in Zukunft einen wichtigen Anteil der „sicherheitspolitischen Community“ in Deutschland.

Der inhaltliche Fokus der Tagung lag auf dem Thema „Fragile Staatlichkeit“. Rund 1,5 Milliarden Menschen leben in Ländern, die von Gewalt, Konflikten und unsicheren politischen Verhältnissen geprägt und weit davon entfernt sind, die Millennium-Entwicklungsziele zu erreichen. Diese „fragilen Staaten“ führen die deutsche Sicherheitspolitik immer öfter an ihre Grenzen und sind Quelle von regionalen Konflikten und Destabilisierungsprozessen, die sich nicht nur auf die lokale sondern auch auf die globale Sicherheit auswirken. Zusammen mit Referenten u.a. von der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD), staatlichen und nicht-staatlichen Organisationen sowie der Wissenschaft setzten sich die Teilnehmer/innen  in Vorträgen und Arbeitsgruppen mit verschiedenen Aspekten fragiler Staatlichkeit auseinander.

Generell werden jene Staaten als fragil angesehen, in denen die Regierung nicht willens oder in der Lage ist, staatliche Grundfunktionen im Bereich Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit, soziale Grundversorgung und Legitimität zu erfüllen. Fragilität führt in der Regel zu weiteren Problemen wie Armut, Hunger, Menschenrechtsverletzungen und gewalttätigen Konflikten, häufig auch mit entsprechenden „spill-over“-Effekten für die umliegende Nachbarschaft. Aus eigener Kraft können sich die meisten betroffenen Staaten nicht mehr aus ihrer Situation, einer Spirale aus Armut, Destabilisierung und Gewalt, befreien. Stephan Massing, Leiter des International Network on Conflict and Fragility der OECD, thematisierte in seiner Keynote Speech die Ursachen und Implikationen  von fragiler Staatlichkeit und zeigte Handlungsmöglichkeiten für die internationale Gemeinschaft auf. Massing verdeutlichte, wie interne und externe Faktoren, wie z.B. soziale Ungerechtigkeiten und die Diskriminierung von Minderheiten, dazu beitragen, eine Regierung zu delegitimieren und zu destabilisieren.

In vier regionalen Arbeitsgruppen (zu Nahost, Nordafrika, Afghanistan/Pakistan und der Sahelzone) setzten sich die Teilnehmer anschließend unter der Anleitung von Experten mit den Ursachen und Auswirkungen von Fragilität auseinander. Dabei wurde beispielsweise deutlich, dass Fragilität in der Nahostregion vor allem durch die willkürliche Grenzziehung der Kolonialmächte, die ohne Rücksicht auf die Heterogenität der politischen und religiösen Identitäten erfolgte, begünstigt wird. Eine Stabilisierung der Region kann nur durch verstärkte Integration der verschiedenen Minderheiten in den politischen Prozess erfolgen. In Afghanistan erschwere hingegen die starke interne Fragmentierung sowie die Vielzahl an externen Akteuren und Interessen eine Stabilisierung des Landes.

Obwohl in der anschließenden Reflexion einige Gemeinsamkeiten zwischen den Regionen – wie zum Beispiel die extreme Fragmentierung von Identitäten, Akteuren und Interessen sowie die fehlende Legitimation und Autorität der verschiedenen Regime – zur Sprache kamen, wurden vor allem die unterschiedlichen Ausprägungen von Fragilität deutlich. Bei allen Gemeinsamkeiten muss jedes Land und jede Region für sich gesehen werden, und die Komplexität der einzelnen Konflikte verlangt individuelle Lösungsansätze.

Die Frage nach den Handlungsoptionen der Bundesregierung im Umgang mit fragilen Staaten stand im Zentrum des zweiten Tages des Seminars. Am Fallbeispiel Afghanistan wurden das deutsche Engagement und die politikfeldübergreifende Kooperation vor Ort beleuchtet.  Zusammen mit Einsatzrückkehrern aus dem Auswärtigen Amt, der Bundeswehr, der Polizei, der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit sowie der Deutschen Welthungerhilfe debattierten die Teilnehmer, ob und wie der „vernetzte Ansatz“ in der Praxis funktioniert und ob er im Umgang mit fragiler Staatlichkeit hilfreich ist.

In den Gesprächen wurde deutlich, dass der vernetzte Ansatz in Afghanistan nur in Teilen funktioniert hat. Während es in der Zusammenarbeit zwischen den Institutionen der Bundesregierung gewisse Fortschritte bei Koordination und Kooperation gab, bleiben „natürliche Grenzen“ zwischen nicht-staatlichen und staatlichen Akteuren, insbesondere dem Militär, bestehen. Die unterschiedlichen Mandate und Zielsetzungen der einzelnen Akteure, aber auch die abweichenden Einsatzrhythmen und die vielen personellen Wechsel behindern den Anspruch des vernetzen Ansatzes in der Praxis und erschweren die Kooperation. 

Um die Vernetzung und den Austausch der ehemaligen BAKS-Praktikanten/innen weiter zu fördern, wurde die Veranstaltung mit einem internen Erfahrungsaustausch zu Berufsprofilen und Karrierewegen im sicherheitspolitischen Umfeld abgerundet. Am Ende waren sich die Teilnehmer einig: Die ungezwungene, lockere Atmosphäre und die dialogorientierten Arbeitsgruppen machten die Veranstaltung zu einem vollen Erfolg.

Autorin: Philine Apenburg