Aktuelles

Follow-up der Seminare für Sicherheitspolitik 2010 und 2011

Donnerstag, 24. November 2011

Nach der Begrüßungsrede des Präsidenten der Bundesakademie, Botschafter Dr. Hans-Dieter Heumann, skizzierte der Vizepräsident, Oberst i.G. Rainer Meyer zum Felde, in einer sicherheitspolitischen Tour d´horizon die Anforderungen und Erwartungen, die in der aktuellen Lage von Seiten der Verbündeten und Partner in NATO und EU an Deutschland herangetragen werden.

Ein Herr hält einen Vortrag

Dr. Arndt Freiherr Freytag von Loringhoven, der Beauftragte für Grundsatzfragen der EU im Auswärtigen Amt, zu Gast bei der BAKS
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik

Insbesondere gehe es darum, die „Kultur der militärischen Zurückhaltung“ zu hinterfragen. Diese werde zwar in der breiten Bevölkerung mit hoher Zufriedenheit quittiert, führe aber zu einer einseitigen Verlagerung der Aufgaben im Bereich Security und Defence auf andere europäische Partner, die alleine nicht in der Lage seien, europäische Handlungsfähigkeit zu garantieren. Deutschland müsse ein hohes Interesse daran haben, durch angemessene Beiträge zur Stabilität Europas – wo auch immer diese gefordert seien – das Vertrauenskapital gegenüber den Bündnispartnern zu stärken. Der vernetzte Ansatz solle jedoch nicht aus dem Auge verloren werden: Eine konstruktive zivil-militärische Zusammenarbeit sei weiterhin dringend notwendig.

Die folgenden Vorträge zu verschiedenen Aspekten des Schwerpunktthemas spiegelten in ihrer Bandbreite den umfassenden Ansatz der Sicherheitspolitik wider, für den die Bundesakademie eintritt. Hochrangige Gastredner waren der Beauftragte für Grundsatzfragen der Europäischen Union im Auswärtigen Amt, Dr. Arndt Freiherr Freytag von Loringhoven, der Europaabgeordnete Elmar Brok sowie der ehemalige Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Prof. Dr. Norbert Walter.
Auch ehemalige Seminarteilnehmer brachten ihre Expertise aus dem diplomatischen, finanzpolitischen, wissenschaftlichen und militärischen Bereich in die Veranstaltung ein. So stellte ein Vertreter der Ungarischen Botschaft die Erwartungen einer Partnernation an die sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit Deutschlands dar. Eine Referatsleiterin aus dem Bundesministerium der Finanzen setzte sich mit der Frage auseinander, ob die Politik noch Einfluss auf die Steuerung der Finanzmärkte hat. Eine Mitarbeiterin der Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft mbH stellte mit Blick auf den deutschen Beitrag Anspruch und Wirklichkeit der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik gegenüber. Ein deutscher Vertreter im EU Military Staff schließlich zeigte Chancen, aber auch Grenzen einer Europäischen Armee auf.
Die Vortragenden knüpften an die aktuelle Diskussion um die Folgen der Schuldenkrise an und stellten Überlegungen an, welche Rolle Deutschland bei der Problemlösung spielen könnte. Der Prozess eines vertieften Zusammengehens der Eurozone müsse angestoßen und vorangetrieben werden, um einer Marginalisierung Europas vor allem im Verhältnis zu den aufstrebenden Mächten im Wirtschaftsraum Asien-Pazifik entgegenzuwirken. Wesentliche Ergebnisse der Veranstaltung waren folgende :

Zwei Herren im Anzug unterhalten sich

Die Lage ist ernst: Präsident Dr. Heumann und der Europaabgeordnete Elmar Brok tauschen sich aus
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik

Schuldenkrise:

Die Schuldenkrise stellt die Staaten in Europa und weltweit vor existenzielle Fragen und erfordert entschlossenes Handeln auf Seiten der Regierungen. Primäre Aufgabe in Europa ist dabei die nachhaltige Schuldenrückführung. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass nur ein gemeinsames und eng abgestimmtes Handeln der EU-Staaten wirksame Lösungen ermöglicht und Vertrauen zurückgewinnt. Nationale Lösungen sind im Rahmen des hochintegrierten und erfolgreichen europäischen Binnenmarktes ungeeignet, stattdessen müssen nun weitere Integrationsschritte vollzogen werden. So richten sich Maßnahmen nicht nur auf eine kurzfristige Linderung der Krise, sondern auf eine dauerhafte Wachstums- und Zukunftsfähigkeit des europäischen Wirtschaftsraums. Eine gemeinsame und stabile deutsch-französische Haltung ist eine Grundvoraussetzung, es gilt jedoch alle EU-Staaten aktiv einzubinden. Nur so kann das politische und wirtschaftliche Gewicht des Kontinents nachhaltig stabilisiert und ausgebaut werden. Deutschland kann dabei als Impulsgeber wirken, darf jedoch keinesfalls zu dominant auftreten. Das Zeitfenster für Entscheidungen in dieser Richtung wird jedoch immer enger. Denn auch wenn die Schuldenkrise nicht schnell zu überwinden ist, müssen schon jetzt die Weichen für langfristige Strukturveränderungen gestellt werden.

Weiterentwicklung der GASP und der GSVP:

Die Entwicklung der Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) vollzieht sich derzeit nicht auf höchster politischer Ebene, sondern vor allem im Arbeitsbereich. Nach dem wichtigen Schritt der Einrichtung des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD), durch den die zusammenwachsende EU ihr Gewicht durch ein gemeinsames Auftreten nach Außen stärkt, gilt es dort Routinen zu entwickeln. Direkt nach seiner Aufstellung mit den Umschwüngen in Nordafrika konfrontiert, erzielt der EAD durchaus diplomatische Erfolge. Diese müssen jedoch stärker kommuniziert werden. Auch die Koordinierung des externen europäischen Auftretens insgesamt muss zur Selbstverständlichkeit werden, wofür beispielsweise harmonisierte Verfahren einen Ansatz bilden. Im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) zeigen sich durch die Sparbemühungen der europäischen Staaten sowohl Chancen als auch Risiken. Innerhalb der EU gewinnen Bemühungen zur gemeinsamen Nutzung, Beschaffung und Bereitstellung von Militärressourcen an Fahrt. Noch sind die Schritte auf dem Weg zu einer effizienten und gleichzeitig nachhaltig finanzierbaren Handlungsfähigkeit Europas auf wenige Bereiche, wie beispielsweise die Ausbildung, beschränkt. Eine erhöhte Zusammenarbeit in kleineren, homogenen Kerngruppen, kann hierbei eine Lösung bieten. Deutschland, das die Bundeswehr derzeit auch mit Blick auf internationale Verpflichtungen transformiert, könnte hierbei kleineren Partnern strategische Fähigkeiten zur Verfügung stellen und deren Kräfte nachhaltiger miteinbeziehen. Nötig ist zudem auch eine Koordination der europäischen Bemühungen mit denen der NATO, die sich derzeit ebenfalls um multinationale Lösungen bemüht, um die europäischen Kapazitäten zu erhöhen.

Ein Herr im Anzug spricht seinen Vortrag in ein Mikrophon

Professor Dr. Norbert Walter, ehemaliger Chefvolkswirt der Deutschen Bank, wirbt für das "Projekt Europa"
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik

Weiterentwicklung Europas:

Europa ist ein Erfolgsmodell. Durch die vertiefte Integration und die Erweiterung der Union ist ein Raum der Sicherheit und des Wohlstands entstanden, der anders nicht denkbar wäre. Dennoch fehlen aktuell entschiedene Bekenntnisse zur EU ebenso wie ehrgeizige Initiativen. Ein bedeutender Grund hierfür ist in der mangelnden „Vermarktung“ der europäischen Errungenschaften zu sehen. So verkennen beispielsweise Diskussionen über die Finanzierung der EU meist die positiven Effekte des Binnenmarktes. Ein barrierefreier Warenhandel ist beispielsweise ohne die regulativen Tätigkeiten der EU ebenso unmöglich wie die beständige Erhöhung der Innovationskraft der europäischen Wirtschaft, die sich nur im Verbund weltweit behaupten kann. Doch die wirtschaftliche Integration zieht notwendigerweise eine politische Integration nach sich. Eine gemeinsame Währung, gemeinsame Außengrenzen oder gemeinsame Wirtschaftsinteressen müssen auch politisch gemeinsam gesteuert werden. Dennoch zögert die politische Klasse, das Projekt Europa weiter voranzutreiben. Auch die Wirtschaft, die gerade in Deutschland deutlich vom europäischen Binnenmarkt profitiert, wendet sich zunehmend von Europa ab. Das Projekt Europa kann nur wiederbelebt werden, wenn eine tiefergehende politische Union als notwendige Komplementierung zur wirtschaftlichen Union hinzukommt. Als ein Vorbild für weitere Schritte kann dabei die stark föderal organisierte Schweiz dienen. Dort verbindet sich eine handlungsfähige Bundesregierung mit deutlich eigenständigen Kantonen zu einem politisch schlagkräftigen Verbund.

Autoren: Ursula Blanke, Michael Summerer, Kerstin Voy