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Besuch des LGAN 2007 an der BAKS – Vernetzte Sicherheit in genauer Betrachtung

Donnerstag, 19. März 2009

Vernetzte Sicherheit ist deutlich mehr als nur der Wille, verstärkt zusammen arbeiten zu wollen, so skizzierte Dr. Heiko Borchert in seinem Eingangsreferat den Kern von Vernetzter Sicherheit. Er führte aus, dass dieser schillernde Begriff mittlerweile eine Eigendynamik entfaltet hat, so dass jeder sicherheitspolitische Akteur seine spezifischen Interessen und Zielvorstellungen in diesen Begriff hinein interpretieren möchte.

Viele Offiziere der Bundeswehr sitzen im historischen Saal der Bundesakademie für Sicherheitspolitik 
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik

Die Notwendigkeit, Vernetzte Sicherheit im 21. Jahrhundert zu implementieren, ist unbestreitbar. Das war das Fazit des Vortrages von Dr. Borchert. Im Wege einer Zwischenbilanz versuchte er den gegenwärtigen Sachstand zu skizzieren und noch offene Umsetzungsprobleme zu definieren.

Ausgangspunkt der Betrachtung ist eine Analyse des Sicherheitsumfeldes, insbesondere der relevanten Herausforderungen: Proliferation von Massenvernichtungswaffen, organisierte Kriminalität, Staatszerfall, Terrorismus, regionale Konflikte u. v. a. m. Strittig wird hingegen die Diskussion spätestens dann, wenn es um die operativen Konsequenzen und den zu definierenden Handlungsbedarf geht. Herr Dr. Borchert differenzierte zunächst in den herkömmlichen Kategorien von innerer und äußerer Sicherheit sowie militärischen und nicht militärischen Akteuren, dann über die private bzw. die hoheitlich determinierte Arena politischen Handelns. Er konstatierte, dass es insbesondere erforderlich ist, die Beurteilungsfähigkeit zu stärken, sich neue Wissensgrundlagen zu erschließen, die Entscheidungsabläufe zu optimieren und auch den Sicherheitssektor neu zu organisieren.

Im Hinblick auf den letztgenannten Punkt sah er natürlich auch die im deutschen System zugrunde liegenden Schwierigkeiten im Hinblick auf den Sicherheitsföderalismus und den diesem Prinzip innewohnenden Kompetenzaufteilungen zwischen Bund und Ländern.

Er stellte weiterhin fest, dass es bislang vielversprechende Ansätze für mehr Kohärenz im Handeln und ein umfassendes Verständnis von Sicherheit gibt, dass aber die Umsetzung nur in Teilbereichen erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Beispielhaft verdeutlichte er diese Einschätzung anhand der ressortübergreifend vorgenommenen Lageanalyse im gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum. Weitere operative Konsequenzen aus diesem gemeinsamen Lagebild, wie ein einheitlicher Kräfteansatz, oder eine gemeinsame Strategiedefinition aller beteiligten Akteure fehlen noch.

Strukturelle Probleme und verfassungsrechtliche Grenzen sind ein weiterer Aspekt welcher der vollständigen Umsetzung von Vernetzter Sicherheit im Wege stehen. So ist das im Grundgesetz verankerte Ressortprinzip versus der Richtlinienkompetenz des deutschen Bundeskanzlers/-kanzlerin ein problematischer Aspekt. Letztendlich konstatierte Herr Dr. Borchert, dass auch Deutschland um eine all umfassende Sicherheitsstrategie nicht umhin kommen werde, dies jedoch auch davon abhängig sein wird, welchen Stellenwert der Sicherheitspolitik durch Politik, Medien und Bevölkerung beigemessen werden wird.

Nach diesem ebenso detaillierten wie kenntnisreichen Einstiegsvortrag wurden hochrangige Vertreter des Auswärtigen Amtes, des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, des Bundesministeriums des Innern und des Bundesministeriums der Verteidigung um Ihre Einschätzung zur Umsetzung von Vernetzter Sicherheit gebeten.

Frau Hoven vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung stellte darauf ab, dass heutige moderne Entwicklungspolitik nicht mehr bedeutet, Brunnen zu bohren und Bäumchen zu pflanzen. Vielmehr plädierte sie für ambitioniertere Anstrengungen mit dem Ziel der weltweiten Armutsbekämpfung, der Förderung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und von guter Regierungsführung. Kurzfristige Erfolge werden auch bei einem kohärenteren Zusammenwirken von entwicklungspolitischen Akteuren mit anderen Institutionen nicht sofort sichtbar sein, da Entwicklungszusammenarbeit den Aspekt der Nachhaltigkeit betont.

Herr von Ungern-Sternberg vom Auswärtigen Amt verdeutlichte anhand der Prozesse und Entscheidungsabläufe in den Vereinten Nationen den Wandel im Verständnis von Sicherheit. Auch die neue US-Regierung hat einen erweiterten Ansatz von Sicherheit in ihr Regierungshandeln aufgenommen. Er wies ferner darauf hin, dass die Perspektive auf sicherheitspolitische Herausforderungen stark vom jeweiligen Standpunkt des Landes abhängt. So dominieren in westlichen Staaten als vorrangige Bedrohungen der internationale Terrorismus, die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen sowie der Staatszerfall. In Entwicklungsländern werden hingegen die Armutsbekämpfung und die Begrenzung von Epidemien und Pandemien als Bedrohung höchster Priorität betrachtet.

Diese unterschiedlichen Wahrnehmungen sind die große Herausforderung der internationalen Staatengemeinschaft bei der Formulierung gemeinsamer Lösungsansätze.

Herr Dr. Schmidt vom Bundesministerium des Innern stellte insbesondere darauf ab, dass es darauf ankomme, Kohärenz in den Köpfen zu erreichen. Jedes Ressort und jeder Akteur muss zunächst im Wege einer Horizonterweiterung das herkömmliche Kästchendenken überwinden. Nur so kann ein gemeinsames Verständnis für die heute anstehenden Bedrohungen und Herausforderungen gefunden werden. So lange jedoch Ressortegoismen dominieren, wird es mit der Umsetzung politischer Zielvorgaben schwierig sein.

Letztlich stellte General Warnecke vom Bundesministerium der Verteidigung anhand seiner praktischen Erfahrungen aus Afghanistan heraus, dass Militär der Politik grundsätzlich nur Zeit verschaffen kann, um politische und umfassende Lösungen für die Situation zu finden. Er plädierte für strategische Geduld. Eine Verbesserung der Situation vor Ort kann nicht über Nacht erreicht werden.

In der abschließenden Diskussion und Fragerunde mit den Teilnehmern des Generalstabslehrgangs wurde deutlich, dass zahlreiche Synergieeffekte durch mehr Kohärenz im Planen und Handeln zu erzielen sind. Dies gilt unter Voraussetzung, dass alle relevanten Akteure bereit wären, ressort- und ebenenübergreifend zu agieren. Für die Verwirklichung Vernetzter Sicherheit ist es erforderlich, gemeinsame Lösungsansätze auf der Grundlage eines einheitlichen Lagebildes und einer nationalen Priorisierung in Form einer nationalen Sicherheitsstrategie zu finden. Ein isolierten Neben- und teilweise Gegeneinander von Akteuren ist hingegen nicht sinnvoll.

Autor: Dr. Hoffmann, O. Juncker