Die Referenten aus Politik, Diplomatie, Wissenschaft und Streitkräften beleuchteten den revolutionären Demokratisierungsprozess in der arabischen Welt aus zum Teil äußerst gegensätzlichen Blickwinkeln und trugen so dazu bei, dass sich die Teilnehmer ein sehr differenziertes Bild des "Vorderen Orients im Umbruch" machen konnten.
Blick ins Publikum
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik
Die Referenten aus Politik, Diplomatie, Wissenschaft und Streitkräften beleuchteten den revolutionären Demokratisierungsprozess in der arabischen Welt aus zum Teil äußerst gegensätzlichen Blickwinkeln und trugen so dazu bei, dass sich die Teilnehmer ein sehr differenziertes Bild des "Vorderen Orients im Umbruch" machen konnten. Die Herausforderungen, gerade auch an die deutsche Politik, aber auch für Israel, die palästinensischen Gebiete und die teilweise autokratisch regierten Staaten Nordafrikas und der arabischen Welt wurden in Vorträgen und Diskussionen - auf dem Panel und mit dem Publikum mehr als deutlich. Es zeigte sich aber auch, dass die Verwirklichung von Handlungsoptionen vor allem vom politischen Willen aller Beteiligten abhängt.
Im Ergebnis zeigte sich, dass der aktuelle Umbruch in den nordafrikanischen Staaten und im Nahen Osten eine historische Zäsur für die arabische Welt insgesamt darstellt. Er hat seine Wurzeln in maroden, überkommenen Machtstrukturen einerseits und in einer jungen Generation andererseits, die auch freiheitliche Werte und ökonomische Perspektiven vehement einfordert. Zugleich eröffnet der in Gang gekommene Prozess – bei aller Ungewissheit über seinen Ausgang – den arabischen Staaten erstmals die Option eines freiheitlich-demokratischen Weges zwischen autokratischer und islamisch-theokratischer Herrschaft. Um diesen Prozess zu einem Ziel zu führen, der die legitimen Interessen der Bevölkerung der Region ebenso wie die Interessen der "westlichen" Gemeinschaft berücksichtigt, ist ein Engagement der internationalen Gemeinschaft unerlässlich.
Bevor sich das Fachpublikum und die Referenten dem eigentlichen Thema widmeten, fand am Vorabend des Colloquiums traditionsgemäß eine Serenade in der Julius-Leber-Kaserne in Berlin, gefolgt von einem festlichen Abendessen statt. In dessen Verlauf hielt Professor (em.) Dr.-Ing. Michael Jischa, Ehrenvorsitzender der Deutschen Gesellschaft Club of Rome, die Festrede. In seinen Ausführungen schlug er einen weiten Bogen von den Anfängen der menschlichen Gesellschaft, über die Erfindung von Ackerbau und Viehzucht, die Bronze- und Eisenzeit bis zur heutigen digitalen Revolution. Dabei zeigte er immer wieder Rahmenbedingungen und Folgen von grundlegenden Revolutionen in der Menschheitsgeschichte bis zur heutigen Herausforderung der Deckung eines stetig höher werdenden Energiebedarfs auf. Als Beispiel einer – zumindest teilweisen – Deckung des Bedarfs in Europa erläuterte er das DESERTEC-Project. Das der Initiative zugrunde liegende Konzept beruht auf der Tatsache, dass die Wüsten der Erde an einem Tag mehr Energie von der Sonne empfangen, als die gesamte Menschheit in einem Jahr verbraucht. Technische Fortschritte bei Solarthermischen Kraftwerken machen das Ziel realistisch, Europa bis zum Jahr 2050 zu 15% mit sauberem Strom aus den Wüsten Nordafrikas zu versorgen. Der Transport soll über neu entwickelte Gleichstromautobahnen mit einem revolutionär niedrigen Transportverlust durch das Mittelmeer gelingen. Auf diese Weise könnte dazu beigetragen werden, die Welt von fossilen Brennstoffen unabhängiger zu machen und wesentlich zur Rohstoff- und Versorgungssicherheit Europas beizutragen. Dieser Vortrag bot reichlich Stoff für interessante Diskussionen an den Tischen und damit auch gleich einen Einstieg in die Thematik des Colloquiums, da die Zukunft des DESERTEC-Projects auf politisch stabile Verhältnisse in Nordafrika angewiesen ist.
Im Eröffnungsvortrag des Colloquiums am nächsten Morgen widmete sich Professor Dr. Udo Steinbach vom Centrum für Nah- und Mittelost-Studien an der Philipps-Universität in Marburg dem Thema „Handlungsbedarf und Handlungsoptionen im Nahen und Mittleren Osten“.
Dabei ordnete er den demokratisch-revolutionären Umbruch in Nordafrika zeitlich-historisch als das Ende des 20. Jahrhunderts der arabischen Welt ein, das mit dem ersten Weltkrieg begonnen habe und ein Jahrhundert der Revolutionen gewesen sei.
In seinem Vortrag analysierte Steinbach die aktuellen Umbruchsentwicklungen in den verschiedenen arabischen Staaten als einen Prozess des revolutionären Wandels, der in unterschiedlichen Rhythmen und unter gänzlich unterschiedlichen Voraussetzungen stattfände. Steinbach mahnte, dass Europa diesen Wandel in den arabischen Transformationsstaaten als Chance begreifen und durch neue Formen der ökonomischen Interdependenz fördern müsse, anstatt - wie bisher – der „Petrifizierung“ der arabischen Welt das Wort zu reden. Wenn die ökonomischen Perspektiven sich nicht verbesserten, sei eine Radikalisierung in den arabischen Gesellschaften zu befürchten. Notwendig sei daher eine Art „Marshall-Plan“ für Arabien. Die EU, die ja eine größere staatlich-kulturelle Vielfalt als der arabische Raum darstelle, könne mit ihrer historischen Erfahrung – erst ökonomische Vernetzung, dann politische Einigung – vorbildhaft auch für die Arabische Liga wirken. Wichtig sei aber, dass die Hilfestellung aus Europa in der geeigneten Form erfolge. Steinbach schlug vor, vor allem den Kulturdialog zwischen der EU und den arabischen Nationen, der im Zeitalter der arabischen Potentaten eingeschlafen sei, zu intensivieren. In diesem Zusammenhang plädierte Steinbach für eine neue Vision im Umgang der EU mit der arabischen Welt, die auf das antike Konzept des „mare nostrum“ – also das Mittelmeer als gemeinsamer verbindender Kooperations- und Kommunikationsraum zurückgreifen könne.
Steinbach ging sodann auf verschiedene Konflikte und Krisenregionen ein: Der Nahost-Konflikt bleibe zentral; er sei ein Stachel im Fleisch der Araber, weil er mit der Erfahrung der kollektiven Erniedrigung einhergehe. Auch eine „Ein-Staaten-Lösung“ hielt er in diesem Zusammenhang für überlegenswert. Die Türkei sei – so Steinbach - eine dynamische Regionalmacht, die als Vorbild für die neuen arabischen Gesellschaften dienen könne. In Sachen Iran plädierte der Referent für eine Loslösung von der einseitigen Fixierung auf Ahmadinejad und das Atomprogramm hin zu einer Orientierung auf die dynamische iranische Gesellschaft; auch hier könne ein intensiver Kultur- und Menschenrechtsdialog die gesellschaftlichen Veränderungen vorantreiben.
Nach der Kaffeepause stand das erste Panel mit dem Thema „Optionen und Interessen im Nahost-Konflikt – Ist ein Durchbruch erreichbar?“ auf dem Programm.
Unter der Moderation des Präsidenten der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Generalleutnant a.D. Kersten Lahl, referierten als Panellisten neben Botschafter Dr. Hans-Dieter Lucas, Deutscher Vertreter im Politischen und Sicherheitspolitischen Ausschuss der Europäischen Union und Frau Dr. Muriel Asseburg von der Stiftung Wissenschaft und Politik auch Avi Primor, ehemaliger israelischer Botschafter in Deutschland sowie der Generaldelegierte Palästinas in der Bundesrepublik Deutschland, Abdel Shafi.
Botschafter Primor machte gleich zu Anfang deutlich, dass der Nahost-Konflikt zwar nicht genuin ursächlich für die anderen regionalen Konflikte sei, wohl aber eine gewisse grundlegende Stimmung in der arabischen Welt kreire.
Auf der anderen Seite beleuchtete Botschafter Primor die besondere Situation in Israel, wo das Thema Sicherheit nach wie vor die Hauptfrage ist und der revolutionäre Prozess in der arabischen Welt mit einer gewissen Skepsis verfolgt wird. Die Erfahrung habe gezeigt, dass sich Demokratie nicht erzwingen lasse, aber die arabische Welt habe einen Schritt in die richtige Richtung getan – der Transformationsprozess müsse als Chance begriffen werden.
Die grundlegenden Probleme, die dem Friedensprozess im Nahen Osten im Wege standen – das Akzeptieren der Existenz Israels durch die arabischen Staaten auf der einen Seite und die israelische Bereitschaft zum Verzicht auf das Westjordanland auf der anderen Seite – seien mehr oder weniger gelöst, so dass die Bedingungen für einen Frieden in Nahost gegeben seien. Warum es gleichwohl immer noch schwierig erscheint, darauf blieb Primor eine Antwort schuldig.
Der palästinensische Vertreter Shafi ging auf das zentrale Anliegen der Israelis ein und machte deutlich, dass die Palästinenser zu jedweden Sicherheitsgarantien bereit seien. Die zentrale Frage für die Palästinenser sei indes die des Landes – in Gestalt eines wirklich lebensfähigen palästinensischen Staates (Zweistaatenlösung). Haupthindernis für den Friedensprozess sei aus palästinensischer Sicht daher vor allem die israelische Siedlungspolitik. Die Hauptforderung der palästinensischen Demonstrationen sei es, die territoriale Spaltung Palästinas zu überwinden. Shafi begrüßte den Wandel in der arabischen Welt, der letztlich auch den Anspruch Israels, die einzige Demokratie im Nahen Osten zu sein, auflösen werde.
Frau Dr. Asseburg wies hin auf den Widerspruch zwischen der Freiheitsbewegung im Nahen Osten und der Fortdauer der israelischen Besatzung. Der Nahostkonflikt sei das größte Hindernis für die Stabilisierung der gesamten Region. Gleichwohl beurteilte die Referentin die Koordinaten und Voraussetzungen für einen Friedensprozess durchaus positiv: Kompromisse bei schwierigen Fragen wie z.B. der Flüchtlings- oder Jerusalemfrage seien möglich. Die EU müsse dabei eine führende Rolle im Nahost-Quartett übernehmen und im Konsens einen palästinensischen Staat (in den Grenzen von 1967) anerkennen, wenn dieser im Herbst ausgerufen werden sollte.
Botschafter Dr. Lucas erläuterte den konzeptionellen Beitrag der EU zum Nahost-Friedensprozess und plädierte für eine Art Transformationspartnerschaft, welche die europäische Nachbarschaftspolitik nach Süden hin neu gestaltet. Aufgrund ihrer reichen Erfahrung mit regionaler Kooperation könne die EU insoweit einen substantiellen Beitrag leisten. Die Parameter für die Endstatusverhandlungen in Bezug auf die Zweistaatenlösung müssten vom Nahostquartett geklärt werden. Als Hindernisse für einen erfolgreichen Abschluss der Friedensverhandlungen identifizierte Lucas die israelische Siedlungspolitik, die Blockade von Gaza, die Zuspitzung der humanitären Lage in den Palästinensergebieten sowie die mangelnden wirtschaftlichen Perspektiven.
In der Diskussion ging es dann um Sicherheitsgarantien, wobei Einigkeit darüber bestand, dass im Grunde nur eine robuste Sicherheitsgarantie der USA die israelischen Sicherheitsbedürfnisse befriedigen könnte – eine solche Garantie sei aber aus innenpolitischen Gründen nicht zu erwarten. Auf der anderen Seite wurde immer wieder betont, dass ein zusammenhängendes Territorium Voraussetzung für einen überlebensfähigen Palästinenserstaat sei. Dabei wurde der Vorschlag gemacht, dass die Palästinenser quantitativ genau so viel Land zurückerhalten sollten, wie sie seit 1967 verloren hätten – was aber im Umkehrschluss bedeute, dass sie nicht notwendigerweise dasselbe Land zurückerhalten müssten. Das Rückkehrrecht von 4 Mio. Flüchtlingen wurde als nicht realistisch eingestuft. Vielmehr müsste man ihnen in "ihren derzeitigen" Ländern menschenwürdige Bedingungen ermöglichen.
Frau Dr. Haber und GenLt. a.D. Lahl
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik
Nach der Mittagspause lag der Schwerpunkt der Veranstaltung auf der Türkei. In einem Vortrag mit anschließender Aussprache referierte Ministerialdirektorin Dr. Emily Haber, Politische Direktorin im Auswärtigen Amt, zum Thema „Die neue türkische Außenpolitik – Chancen und Risiken aus deutscher Sicht“.
Frau Dr. Haber betonte in ihrem Vortrag die positive Rolle der Türkei, die mit ihrem soft-power-Ansatz große Attraktivität in der Region genieße. Als östlichster Vorposten der NATO verbinde die Türkei Islam und Demokratie miteinander und sei daher prädestiniert für eine außenpolitische Rolle mit Fokus auf Krisenmanagement und Krisenvermittlung im Vorderen Orient. Immerhin grenze die Türkei an Regionen, die in der letzten Dekade politisch stark erschüttert worden seien.
In diesem Zusammenhang habe die türkische „Null-Probleme-mit-Nachbarn-Außenpolitik“ viel ideologischen „Ballast“ abgeworfen und zu pragmatischen und stabilitätsorientierten Beziehungen mit den Nachbarstaaten geführt: So trete die Türkei heute auf dem Balkan als Anwalt Bosniens auf, trage zur Stabilität in der Kaukasusregion bei oder binde Syrien stärker ein. Dramatisch verschlechtert habe sich allerdings die Beziehung der Türkei zu Israel.
Weiter befasste sich Frau Dr. Haber mit der Frage des EU-Beitritts der Türkei. Dabei beklagte sie, dass man die Türkei in Deutschland zu sehr durch das Prisma der Beitrittsverhandlungen wahrnehme, wobei das generelle wirtschaftliche und gesellschaftliche Potential der Türkei leicht aus dem Blickfeld gerate. Es liege in deutschem Interesse, das strategische Potential der Türkei zum gegenseitigen Nutzen weiter auszubauen. In diesem Zusammenhang plädierte Frau Dr. Haber für eine institutionalisierte Ausprägung eines strategischen Dialogs mit der Türkei, die unabhängig neben die laufenden Beitrittsverhandlungen treten müsste. Diesbezüglich dürfe man die Finalität der Beitrittsverhandlungen (mit Blick auf den EU-Beitritt der Türkei) nicht grundsätzlich infrage stellen, da sich dies negativ auf die Dynamik des türkischen Transformationsprozesses auswirken könnte. Der Prozess der EU-Beitrittsverhandlungen habe die Türkei sowohl innen- als auch außenpolitisch verändert. Gleichwohl stellte Frau Dr. Haber klar, dass die Türkei für einen EU-Beitritt in jedem Fall die Kopenhagener Aufnahmekriterien erfüllen müsse.
Hilbrecht, Umbach, Müller, Specht beim Panel zu Rohstofffragen
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik
Das anschließende Panel stand unter dem Motto „Regionalmacht Türkei: Rolle und Bedeutung für europäische und transatlantische Sicherheit“. Professor Dr. Hüseyin Bağci von der Middle East Technical University in Ankara, Generalmajor Heinrich Brauss vom Internationalen Stab des NATO-Hauptquartiers in Brüssel, Oberst Dr. Peter Forster, Chefredaktor der Militärzeitschrift SCHWEIZER SOLDAT, sowie Professor Dr. Günter Seufert von der Stiftung Wissenschaft und Politik führten mit kurzen Impulsreferaten in das Thema ein. Die anschließende, sehr lebhafte Diskussion wurde von Dr. Patrick Keller von der Konrad-Adenauer-Stiftung moderiert.
Die Panellisten waren in der Einschätzung einig, dass sich die Türkei in den letzten zwanzig Jahren grundlegend gewandelt habe. Insbesondere durch die EU-Beitrittsperspektive seien hier gesellschaftliche Veränderungen angestoßen worden, die sich deutlich auf die türkische Gesellschaft ausgewirkt hätten und das Land auch weiterhin nachhaltig prägen würden. Kritisch wurde in diesem Zusammenhang der derzeitige Stillstand der Beitrittsverhandlungen gewertet, der die innertürkischen Reformen deutlich verlangsamen würde.
Die Türkei wurde von den Panellisten durchweg als aufstrebende Regionalmacht gesehen, welche dank starkem Wirtschaftswachstums und günstiger demographischer Entwicklung aus einer Position der inneren Stärke heraus nun auch nach außen immer selbstbewusster auftrete und sich auf das eigene regionale Umfeld konzentriere. Äußerst kritisch wurde in diesem Zusammenhang die deutliche Verschlechterung der Beziehungen zu Israel gesehen. Die Türkei werde auch künftig als verlässlicher Bündnispartner von EU und NATO agieren. Allerdings müsse der Wandel in der Türkei von den Bündnispartnern ernst genommen werden. Anderenfalls seien Probleme vorprogrammiert, so wie etwa in der Libyenfrage, als die Türkei zu entscheidenden Beratungen nicht eingeladen wurde.
Prof. Bağci betonte, dass die Türkei mit ihrer gelungenen Verbindung von Demokratie und Islam für die im Umbruch befindliche arabische Welt Vorbildfunktion habe und diese Rolle auch selbstbewusst ausfüllen werde: „Die Zukunft der Region ist zurück – und die Türkei ist da!“ Dies gelte umso mehr, als die Türkei als einer der wenigen regionalen Akteure die Zeichen der Zeit erkannt habe und ihren Einfluss immer weniger über militärische Stärke und immer deutlicher per „Soft-Power“ geltend machen würde. Zwar spiele das Militär im Land nach wie vor eine herausragende Rolle, werde aber immer deutlicher zivilen Strukturen untergeordnet. Dies zeige sich beispielsweise im Umgang mit den Kurden im Irak, der inzwischen betont konstruktiv gestaltet werde.
Der Vortrag von Frau Dr. Haber und das Panel zur Türkei griffen das Thema der seminarübergreifenden Aufgabe des Bundeskanzleramtes an das laufende Seminar für Sicherheitspolitik der Bundesakademie für Sicherheitspolitik auf: „Europa und der Vordere Orient – zur strategischen Bedeutung der Türkei“. Damit konnten die 31 Angehörigen des diesjährigen Seminars, die an diesem Tag des Berliner Colloquiums teilnahmen, mit Fragen zur Diskussion beitragen und für ihre ressortübergreifende Arbeit profitieren.
Am nächsten Tag befassten sich die Teilnehmer des Colloquiums mit einem Thema, das nur vordergründig nichts mit dem Vortag zu tun hatte. Das Thema: „Sichere Rohstoffversorgung im instabilen Umfeld – Vom Kaspischen Meer bis zur Straße von Hormuz“. Schnell wurde aber auch hier die zentrale Rolle der Türkei bei der Gas- und Ölversorgung Europas und bei der Schaffung stabiler Rahmenbedingungen für die Versorgung mit energetischen und nicht-energetischen Rohstoffen deutlich. Auf einem Panel stellten sich Heinz Hilbrecht, Direktor in der Generaldirektion Energie der Europäische Kommission, Brüssel, Dr. Friedemann Müller von der Stiftung Wissenschaft und Politik aus Berlin sowie Wilko Specht vom Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. unter der Leitung von Dr. Frank Umbach nach prägnanten Eingangsstatements den Fragen der Teilnehmer.
General Volker Wieker
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik
Alle Referenten waren sich darin einig, dass sich selbst bei einer günstigen globalen Entwicklung der Mangel an wichtigen Rohstoffen zu einem zentralen Thema der Zukunft entwickeln würde. Beim klassischen „Motor der Weltwirtschaft“ – dem Öl – plädierten die Experten gegenüber der Politik für die Durchsetzung einer deutlich ambitionierteren Austiegsstrategie, relativierten aber gleichzeitig „Horrorszenarien“ vor einem baldigen Versiegen der Ölquellen. Öl werde es dank neuer Fördertechniken und der Erschließung unkonventioneller Lagerstätten noch lange geben, allerdings zu immer höheren Preisen. Dr. Müller warnte zudem davor, dass vor dem Hintergrund des derzeitigen politischen Wandels im arabischen Raum, gekoppelt mit einer steigenden Nachfrage, eine Re-politisierung der OPEC mit allen Konsequenzen für die Liefersicherheit in Europa nicht ausgeschlossen werden könne.
Beim Erdgas konstatierte Hilbrecht eine etwas andere Situation. Hier sei das Problem nicht ein Mangel an Reserven, sondern Defizite bei der Infrastruktur, welche künftig zu Problemen führen könnten. Er und Müller warben daher für den weiteren Ausbau von Pipelinesystemen, die zum Einen die bessere Distribution innerhalb Europas zulassen würden und darüber hinaus weitere Lieferstätten, beispielsweise im kaspischen Raum, erschließen könnten. Versorgungskrisen, wie beim Gasstreit zwischen der Ukraine und Russland, sowie der starken Abhängigkeit einiger europäischer Staaten von Russland würde so die Spitze genommen.
Herr Specht widmete sich vornehmlich den nicht-energetischen Rohstoffen, die zwar nicht so stark im Fokus stünden wie Öl und Gas, ohne die aber keine moderne Industrie funktionieren könne. Er machte deutlich, dass der Mangel hier oft nicht auf schlechte geologische Verfügbarkeit, sondern schlicht auf fehlende Kapazitäten beim Abbau zurückzuführen sei – hier habe "der Westen" zu lange geschlafen. Die USA und Australien erschlössen zwar gerade mit Hochdruck neue Lagerstätten, dies würde sich aber erst um 2020 nachhaltig auf die Liefersituation auswirken. Bis dahin würde insbesondere China bei bestimmten wichtigen Rohstoffen wie Seltene Erden die Preise diktieren und künstlich Engpässe erzeugen um diese dann strategisch zu nutzen. Hilbrecht forderte vor diesem Hintergrund, dass Fragen der Rohstoffsicherheit in Deutschland künftig nicht mehr allein in der Regie des Wirtschaftsministeriums liegen dürften, sondern eng mit dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung angegangen werden müssten. Auch hier zeigt sich, dass der umfassende und vernetzte Ansatz von Sicherheitspolitik, wie ihn die BAKS seit Jahren fordert, für die Lösung zukünftiger Herausforderungen essenziell ist.
Zum Abschluss des Colloquiums referierte der Generalinspekteur der Bundeswehr Volker Wieker in einer tour d´horizon zum Thema „Der neue Ansatz für die Bundeswehr im europäischen und transatlantischen Kontext“. Dabei ging er auf Fragen der Bundeswehrreform und der Aussetzung der Wehrpflicht ebenso ein wie auf aktuelle Auslandseinsätze der Bundeswehr. Er betonte, dass man nationale Ambitionen realistisch festlegen müsse. Bezüglich konkreter militärischer Fähigkeiten müsse immer der höchste Intensitätsgrad als Maßstab genommen werden. Für Einzelheiten zu seinen Ausführungen folgen Sie folgendem Link: www.bmvg.de
Autoren: Schmidt-Radefeldt, Dölling, Schweizer