Die Bundesakademie für Sicherheitspolitik veranstaltet jedes Jahr in Zusammenarbeit mit der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) ein Seminar Staatliche Sicherheitsvorsorge. Teilnehmerinnen und Teil-nehmer sind Führungskräfte aus verschiedenen Bereichen insbesondere der Bundes- und Landesverwaltung, die sich häufig der Situation ausgesetzt sehen, unvermittelt erfolgreiches Krisenmanagement betreiben zu müssen. Sie werden vom Auswärtigen Amt und den Bundesministerien des Innern und der Verteidigung benannt.
Präsident Dr. Heumann mit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages Elke Hoff
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik
Auf vielfachen Wunsch wurde für das diesjährige Seminar wieder das Thema "Strategische Risiko- und Krisenkom-munikation" ausgewählt, 26 Interessierte nahmen an der fünftägigen Veranstaltung teil.
Am Anfang stand eine sicherheitspolitische Tour d'horizon von Experten des Auswärtigen Amtes, des Bundesinnenmi-nisteriums und der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Dabei wurde insbesondere folgendes hervorgehoben:
- der Fokus US-amerikanischer Außenpolitik verschiebe sich weg von Europa zum pazifischen Raum (auch wegen der demografischen Entwicklung in Europa, im übrigen sei nach amerikanischer Auffassung das "europäische Problem" nunmehr gelöst),
- Erwartungen der Verbündeten Deutschlands stünden oft im diametralen Gegensatz zur mehrheitlichen Meinung der deutschen Bevölkerung , die häufig gegen ein sicherheitspolitisches Engagement von Deutschland im Ausland sei,
- die Notwendigkeit der Beteiligung des Deutschen Bundestages könne im Einzelfall eine Hürde für eine europäische Integration in der Sicherheitspolitik sein.
Ein Vorsitzender einer Bürgerinitiative, die besonders auf öffentlichkeitswirksame Maßnahmen angewiesen ist, machte deutlich, dass viele langwierige öffentliche Auseinandersetzungen vermieden werden könnten, wenn die Kommunikation bereits von Anfang an ehrlich verlaufen würde.
Die wirtschaftlich immer schwieriger werdende Situation von Tageszeitungen ändert auch den Journalismus selbst, und zwar in negativer Hinsicht. Diese Fazit zog ein auch wissenschaftlich ausgewiesener Experte der deutschen Presselandschaft. Der Druck zur Kommerzialisierung und Emotionalisierung der Berichterstattung werde immer stärker. Viele gute Journalisten hätten die Zeitungen verlassen, es sei im Gegensatz zu früher kaum mehr möglich, dass sich Journalisten auf ein Thema, wie z.B. Sicherheitspolitik, spezialisieren könnten.
Im Gegensatz zu sinkenden Leserzahlen bei Tageszeitungen gebe es ein deutliches Plus bei den sog. sozialen Medien (Google, Facebook, Twitter). Hier sei der rechtliche Rahmen häufig aber völlig unzureichend: wenn z.B. Facebook etwas Falsches über Verhältnisse in Deutschland behaupte, gebe es kein Recht der Gegendarstellung, weil dann kalifornisches Recht gelte, dem eine Gegendarstellung unbekannt sei.
Bei einer eher wissenschaftlich orientierten Betrachtung ergibt sich, dass Risiken oft sehr unterschiedlich wahrgenommen werden, Bildungsstand, politische Überzeugung und auch der Grad der Emotionalisierung der Debatte können zu sehr unterschiedlichen Wahrnehmungen führen, was in der staatlichen Kommunikation so gut wie möglich berücksichtigt werden müsse.
Erfahrungen von Bundesministerien bei der Kommunikation mit der Bevölkerung zeigen, dass gelegentlich verteilte Zuständigkeiten (insbes. auf Bund und Länder) zu Problemen führen; der Bürger werde zuweilen auch dadurch verunsichert, dass er zwischen den Meinungen von Behörden und unabhängigen (selbsternannten) Experten wählen muss. Meist sei ein vorgefertigter Fragen- Antwort - Katalog (FAQ) hilfreich.
Sich generell mehr mit den sozialen Netzwerken zu befassen, riet ein Journalist, der sich vor allem mit Fragen der Sicher-heitspolitik befasst, den Behörden. Damit würden vor allem jüngere Bevölkerungsschichten erreicht. Möglichkeiten der sozialen Netzwerke führten allerdings öfters zu Situationen, in denen die Grenze zum strafbaren Geheimnisverrat überschritten werden kann (z.B. sog. geotagging im Hinblick auf die operative Sicherheit von Streitkräften).
Wie weit können staatliche Behörden aktiv Themen in der Öffentlichkeit platzieren? Ein Chefreporter, ein Mitarbeiter des ARD-Hauptstadtstudios und ein Mitarbeiter des Bundespresseamts äußerten sich zu dieser Frage eher zurückhaltend. In einer Presselandschaft, in der der Faktor Zeit ein Übergewicht bekommen habe und die Verifizierung von Nachrichten in den Hintergrund geraten sei (den meisten Journalisten reiche heute bereits eine Quelle), richte sich die Auswahl, Aufbereitung und Platzierung von Themen in der Regel nach dem Sensationsgehalt der Nachricht. Die wirtschaftlichen Interessen der Zeitungen seien für diese ohnehin wichtiger als die Belange der Bundesregierung. Die von Behörden oft gewählten Methoden der Pressemitteilung und der Pressekonferenz seien ohnehin kein machtvolles Instrument für ein Agenda - Setting. Für die Bedeutung des Sensationsgehalts gab ein Mitarbeiter des Bundespresseamts folgendes Beispiel: Auf seine Frage an einen nach Afghanistan mitreisenden Journalisten, was er mit dem Foto der eben von ihm dort aufgenommenen neuen Schule machen wolle, antwortete dieser: es veröffentlichen, aber nur, wenn die Schule brennt.
So unterschiedlich Herkunft, Arbeitsgebiete und Erfahrungen der Journalisten auch waren, die an dem Seminar mitgewirkt haben, so ähnlich waren ihre Empfehlungen an die Mitarbeiter von Behörden für deren Pressearbeit:
Panel während der Begrüßung am 26.09.2011 mit einem Teil der Seminarteilnehmer
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik
- versuchen, schneller zu reagieren,
- soziale Netzwerke zumindest analysieren,
- mehr Bilder nutzen (nicht nur "in Texten denken"),
- frühzeitig (also lange vor einer Krise) Vertrauensverhältnis mit wichtigen Journalisten aufbauen,
- bedenken, dass Schweigen meist als Bestätigung aller Gerüchte wahrgenommen wird,
- besser eventuelle Fehler staatlicher Stellen einräumen als mit Phrasen die Situation zu "retten",
- im Fernsehen mehr Emotionen zeigen und
- berücksichtigen, dass einem Mitarbeiter staatlicher Behörden eine falsche Meldung eher übel genommen wird als einem Journalisten.
In einem Praxistraining mit zwei Szenarien konnten die Seminarteilnehmer unter Anleitung von fünf erfahrenen Journalisten üben, wie sie die Leitung oder den Pressereferenten ihrer Behörde in geeigneter Weise auf die Kommunikation in einer Risiko- und in einer Krisensituation vorbereiten.
Den Abschluss und politischen Höhepunkt der Veranstaltung bildete eine Diskussion mit zwei Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Von den zahlreichen Aspekten, die hier angesprochen wurden, sollen hier nur folgende erwähnt werden:
- Journalisten gerieten auf Grund der wirtschaftlichen Situation der Tageszeitungen immer mehr unter Druck, die politische Grundhaltung der Redaktion, mit der die Politik auch beeinflusst werden soll, selbst auch zu vertreten,
- vieles, was man als Politiker "transportieren" möchte, passe nicht in die Lebenswirklichkeit derjenigen, die man erreichen möchte - deshalb empfehlenswert, Analogien zu deren Lebenswirklichkeit zu bilden,
- einfache und präzise Sprache, aber mit Fingerspitzengefühl (Fall des Bundestagsabgeordneten, der öffentlich über Trennung vom Amt des Bundeskanzlers und des Parteichefs nachdachte - um diesen zu entlasten -, die Presse machte ihn daraufhin sogleich zum "Parteirebellen", der den Bundeskanzler zum Rücktritt aufgefordert habe),
- Agenda - Setting dann so gut wie ausgeschlossen, wenn zum selben Zeitpunkt für die öffentliche Meinung eine andere Meldung im Vordergrund stehe: Einzelheiten zur Bundeswehrreform konnten nicht in den Medien "untergebracht werden", als die Öffentlichkeit die Vorkommnisse auf der "Gorch Fock" extrem interessant fand.
Autor: Christian Fuchs