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Zusammenfassung Modul 8: Engagement in Krisenregionen

Dienstag, 14. Juni 2011

Den Beginn des Moduls 8 markierte eine Einführung der Seminarteilnehmer in die Komplexität von Konfliktursachen und Konfliktdynamiken durch das Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) der Universität Duisburg-Essen.

Zwei Herren sitzen an einem Tisch und halten einen Vortrag

Der israelische Gesandte Nahshon im Vortrag vor dem Seminar für Sicherheitspolitik
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspoliti

Methodische Programmpunkte des Moduls:

1. Ursachen von Krisen

Den Beginn des Moduls 8 markierte eine Einführung der Seminarteilnehmer in die Komplexität von Konfliktursachen und Konfliktdynamiken durch das Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) der Universität Duisburg-Essen.

Welche wichtige Rolle Identitäten als tatsächliche oder vermeintliche Konfliktursache spielen, wurde anhand eines Vortrages des österreichischen Bundesministeriums für Landesverteidigung deutlich. Gerade in der nahöstlichen Region spielen die wechselseitigen Interpretationen nationaler Identitäten und religiöser Narrative eine entscheidende Rolle für das Konfliktgeschehen der heutigen Zeit und der näheren Zukunft.
Im Weiteren beleuchtete ein hervorragend informierter Vortrag des Journalisten der Süddeutschen Zeitung das Problem der nuklearen Abrüstung und Nichtverbreitung anhand des Beispiels Irans.
Dieser Vortrag wurde ergänzt durch eine Einschätzung des heutigen Iraks und der aktuellen Herausforderungen durch einen Seminarteilnehmer aus dem Auswärtigen Amt.

2. Analyse, Maßnahmen und Vorbereitung

Damit die jeweiligen Maßnahmen Deutschlands in den unterschiedlichen Krisenregionen gelingen, ist eine umfassende und zielgerichtete Analyse der Ausgangslage und der Rahmenbedingungen notwendig. Um die politischen Prioritäten und nachrangigen Ziele Deutschlands in regionalen Konflikten beispielhaft kennen zu lernen, wurde das Seminar durch einen MdB a.D. kenntnisreich und leidenschaftlich mit Kriterien, Entscheidungsprozessen, Ergebnissen und Nebenwirkungen der deutschen Beteiligung am internationalen Krisenmanagement vertraut gemacht.

Als Institution zur Analyse von Konflikten schafft der Bundesnachrichtendienst Grundlagen für politische Entscheidungen der Bundesregierung. Daher trug der Bundesnachrichtendienst im Seminar zu aktuellen Entwicklungen im Krisenbogen von Marokko bis Pakistan und zum Nahostkonflikt vor. Vor allem die Analyse von Charakteristika, Mechanismen und Typologien der jüngsten Umbrüche und Revolten in Nordafrika vermittelte dem Seminar einen wertvollen Vorrat an Erkenntnissen für die anstehende Feldstudie in dieser Region.

Angesichts der Wirkung von wirtschaftlichen Veränderungen auf gesellschaftliche Wirklichkeiten befasste sich das Seminar in einem nächsten Schritt mit Aspekten des Handels innerhalb der Region Nordafrika + Mittlerer Osten (MENA) und darüber hinaus. Dabei diskutierte das Seminar mit Experten der Germany Trade & Invest, der Deutsch-Arabische Industrie- und Handelskammer Kairo und des Deutschen Industrie- und Handelskammertag über die Frage, ob durch eine Teilhabe der MENA-Region am Welthandel eine Stabilisierung der Region gelingen kann.

Angesichts verringerter Ressourcen für das Engagement Deutschlands kommt der Bewertung von Maßnahmen eine stetig wachsende Bedeutung zu. In welcher Weise staatliche Instrumente in Krisenregionen eingesetzt werden und wie deren Erfolgskontrolle gewährleistet wird, beschäftigte das Seminar in nächsten Schritt. Dazu informierten hohe Beamte des BMI, des AA, des BMVg und des BMZ in einer gemeinsamen Veranstaltung die Teilnehmer über die wechselseitige Zusammenarbeit, deren Prinzipien und der daraus gezogenen Lernerfahrungen aus den teilweise gemeinsamen Einsätzen innerhalb der letzten 20 Jahre.

Eine weitere Veranstaltung für die Seminarteilnehmer durch die Arbeitsgemeinschaft Entwicklungspolitische Friedensarbeit (FriEnt) erweiterte das Spektrum der Formen deutschen Engagements in Konflikten und Krisen um Aspekte zivilgesellschaftlicher Aktivitäten. Anhand von Beispielen aus der Arbeit von FriEnt zur Förderung von Versöhnungsinitiativen in Konfliktländern wurde die Vielschichtigkeit moderner Sicherheitspolitik erneut deutlich.

Welche Grenzen die Instrumente des zivilgesellschaftlichen Engagements in Krisenregionen unterworfen sind, wurde während einer Podiumsdiskussion zur Frage von humanitärer Hilfe in bewaffneten Konflikten deutlich. Ein Vertreter des AA, des Deutschen Roten Kreuzes und der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ stellten die jeweiligen Ansätze ihrer Organisationen zur Arbeit unter den genannten Bedingungen dar und arbeiteten Gemeinsamkeiten und Unterschiede heraus.

Ein Schlüssel für das Gelingen von zivilen Engagement Deutschlands in Krisenregionen ist befähigtes und verfügbares Personal. Der Besuch des Seminars im Zentrum für Internationale Friedensmissionen (ZIF) in Berlin informierte die Teilnehmer über die Bereitstellung von ziviler Expertise durch das ZIF für VN-Missionen, EU-Missionen und andere Einsätze der internationalen Gemeinschaft zur Krisenbewältigung und Konfliktnachsorge. Anhand praktischer Beispiele aus den Friedenseinsätzen in Afghanistan und Sudan wurden Herausforderungen und Grenzen der Internationalen Engagements erneut deutlich.
Als direkte Vorbereitung für die Feldstudie erhielten die Seminarteilnehmer eine Einführung in den Nahostkonflikt im Lichte des Völkerrechts durch die Humboldt-Universität zu Berlin. Desweiteren vermittelte ein hoher Beamter des AA-Transformationsstabes Ägypten dem Seminar aktuelle Einblicke in die Lage des Landes. Die Teilnehmer wurden über die Maßnahmen der Bundesregierung zur politischen Flankierung der inneren Umbrüche in der MENA-Region am Beispiel Ägyptens informiert.

Der Gesandte des Staates Israel in Deutschland informierte das Seminar zur geostrategischen Lage und den Interessen Israels unter besonderer Berücksichtigung der jüngsten politischen Instabilitäten in der Region.

3. Feldstudie Ägypten

Als erste Station der Studienreise in eine Krisen- und Konfliktregion besuchte das Seminar Ägypten. Der deutsche Botschafter in Ägypten empfing das Seminar in der Hauptstadt Kairo und trug zur aktuellen Lage im Lande vor. Hauptaugenmerk seiner interessanten Ausführungen bildeten die Perspektiven des Demokratisierungsprozesses und Anmerkungen zur zukünftigen außenpolitischen Rolle Ägyptens. Anschließend erhielt das Seminar die Möglichkeit zum Gespräch mit Vertretern deutscher Institutionen in Ägypten. Dazu zählte u.a. die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die Konrad-Adenauer-Stiftung ebenso wie das Deutsche Archäologische Institut.

Ein Gespräch mit dem Head of International Relations Unit des Al Ahram Center for Political and Strategic Studies zu Fragen der innenpolitischen Entwicklung Ägyptens nach dem Sturz Hosni Mubaraks erlaubte es den Teilnehmern, sich ein vertieftes Bild von der Lage im Lande zu machen. Besonders interessant war dessen Einschätzung zu den aktuellen Kräfteverhältnissen der ägyptischen Innenpolitik. Weitere Themen des Gesprächs befassten sich mit der Rolle des „neuen“ Ägyptens im Nahostkonflikt und den sicherheitspolitischen Dimensionen der historischen Umbrüche am Südufer des Mittelmeers.
Zum selbigen Themenkreis stand der Leiter Policy Planning des ägyptischen Außenministeriums den Teilnehmern für eine Aussprache zur Verfügung. Dabei erhielt das Seminar die Gelegenheit zur Zukunft der Reformbewegungen zu diskutieren.

Auf der sich anschließenden Diskussionsrunde mit Vertretern der politischen Strömungen innerhalb der Jugendbewegung Ägyptens stellte sich die neue Vielfalt plastisch dar. Die unterschiedlichen Vertreter der Revolutionary Youth Union schilderten aus liberaler, moderat-islamischer, koptisch-christlicher, sozialistischer bis hin zu nationalistischer Perspektive die Wege in die Zukunft Ägyptens aus Sicht der äußerst vielschichtigen Demokratiebewegung. Außerdem nahmen die Vertreter Stellung zu den dringlichsten Bedarfen und Problemen der noch jungen Demokratiebewegung des Landes.
Ein Vertreter des gemäßigten Islam ägyptischer Prägung und Lehrbeauftragter an der Al-Azhar-Universität nahm zur gegenwärtigen Rolle der Religion in den Zeiten des Umbruchs Stellung. Die traditionell liberale Haltung der muslimischen Gläubigen in Ägypten zur Verbindung von Staat und Religion sah er nicht gefährdet, wenngleich sich die zu erarbeitende Verfassung eindeutig auf den Islam beziehen sollte. Die angespannten Beziehungen zwischen den Religionsgemeinschaften führte er auf das Erbe des Regimes Mubarak zurück.
Eine deutsch-ägyptische Diskussionsrunde widmete sich der Bedeutung von Wasser und Energie für die Sicherheitspolitik am Beispiel Ägyptens. Vertreter ägyptischer Institutionen und der GIZ erläuterten die enorme Bedeutung des Wassersektors in Ägypten für die gesellschaftliche Stabilität. Eine stetig wachsende Bevölkerung und die produzierende Wirtschaft sind auf die Versorgung mit den Grundgütern Strom und Trinkwasser angewiesen. Anhand der Zusammenarbeit der GIZ mit ägyptischen Institutionen zur technischen Aufwertung dieser kritischen Infrastrukturen und zur Weiterentwicklung der Versorgungssysteme wurde dem Seminar der Beitrag der Entwicklungszusammenarbeit zur Sicherheitspolitik erneut deutlich.

Die Rolle der Arabischen Liga im Nahostkonflikt, deren Positionen und Beiträge zu Friedensinitiativen für die Region, als auch Einschätzungen und Kommentierungen der Liga zu den jüngsten politischen Transformations- und Umsturzprozessen bildeten den thematischen Rahmen für eine Unterredung mit dem Kabinettschef des Generalsekretärs der Arabischen Liga. Insgesamt konstatierte er eine gestiegene Bedeutung der Liga durch die politischen Verschiebungen in deren Mitgliedsstaaten. Als wesentliche Themen auf der Agenda der Liga nannte er die jüngsten Entwicklungen im Sudan, Libyen, Syrien und Fragen des internationalen Handels.

Zum Abschluss des Besuches in Ägypten suchte das Seminar die „Tahrir-Lounge“ des Goethe-Instituts in Kairo auf. Während der Revolte gegen das Mubarak-Regime stellte das Goethe-Institut den Teilnehmern der Demonstrationen Räumlichkeiten zum Zwecke der Selbstorganisation zur Verfügung. In den Räumen konnten die Teilnehmer mit Aktivisten der Umbrüche sprechen, als auch eine Fotoausstellung mit Aufnahmen besichtigen, welche während der politischen Manifestationen entstanden und die Ereignisse anschaulich dokumentieren.

4. Feldstudie Libanon

Als Einführung in die aktuelle Lage erhielten die Teilnehmer ein Briefing zur Lage in Syrien durch den deutscher Verteidigungsattacheé für den Libanon und Syrien. Weitergeführt wurde der Vortrag durch die deutsche Botschafterin im Libanon. Sie informierte das Seminar über den Einfluss des „arabischen Frühlings“ auf die politische Situation im Libanon. Als mögliche strategische Folgen nannte die Botschafterin einen Verlust der prekären Stabilität im Libanon, da sich vor allem die christliche Bevölkerungsminderheit in eine verschlechterte Balance gedrängt sehen könnte.

Einen Termin besonderer Art erlebte das Seminar anlässlich des Gesprächs mit dem Chef der „Freien Patriotischen Bewegung“. In seinen Ausführungen erläuterte er die notorisch kritische Position der „Freien Patriotischen Bewegung“ gegenüber der Politik des Staates Israel. Im Mittelpunkt der sich anschließenden Aussprache mit dem Seminar standen Themen wie der innerlibanesische Aussöhnungsprozess, Fragen der Entwaffnung der Hisbollah-Milizen, Syrien und die Eigenheiten des Konfessionalismus der libanesischen Verfassung.

Einen weitaus moderateren Ton schlug ein Abgeordnete des 14. März und Mitglied im Verteidigungsausschuss, an. Vor allem in Hinsicht auf die Haltung der libanesischen Gesellschaft und Politik zur Lage der palästinensischen Flüchtlinge gewann das Seminar wichtige Eindrücke. Auch hier verfestigte sich der Eindruck, dass die revolutionären Ereignisse in der gesamten Region ihre Spuren hinterlassen haben. Besonders die Ereignisse an den israelischen Grenzen im Süd-Libanon und auf den Golanhöhen wertete der Parlamentarier als ernste Herausforderungen für die Lage im Nahen Osten.
In der Diskussion mit dem Direktor des UNRWA Field Office Lebanon wurde deutlich, unter welchen Umständen die Palästinenser im Libanon bereits seit Jahrzehnten zu leben haben. Die vermittelten Rahmendaten zur Lage der Flüchtlinge machten anschaulich, welches Instabilitätspotenzial für Lösungsansätze im Lande existent bleibt. Auch der UNRWA-Vertreter teilte dem Seminar eine verhalten pessimistische Einschätzung zu den mittelfristigen Auswirkungen der „Arabellion“ auf die politischen Prozesse rund um die Flüchtlingsfrage mit.

Die Besuche der Seminarteilnehmer bei den UNIFIL-Kontingenten an verschiedenen Positionen an der Waffenstillstandslinie im Südlibanon waren sehr erkenntnisreich. Die Teilnehmer konnten sich an den Positionen der indischen, spanischen und nepalesischen Einheiten vor Ort ihr eigenes Bild von den täglichen Herausforderungen internationaler Friedenstruppen im Einsatz machen. In Verbindung mit dem Briefing durch eine hochrangige deutsche Mitarbeiterin der Politischen Abteilung der UNIFIL zur aktuellen politischen Lage, der Rolle der Hisbollah im Südlibanon und den mitunter kritischen Situationen entlang der „Blauen Linie“, gewann das Seminar Eindrücke aus erster Hand mit sehr hohem Erkenntniswert.

Zum Abschluss des Libanonkapitels der Studienreise erläuterte ein Vertreter des deutschen Anteils der Maritime Task Force der UNIFIL die Aufgaben, Kapazitäten, Schwierigkeiten und Fortschritte des Einsatzes in dieser Krisenregion. Der anschließende Austausch mit den vor Ort eingesetzten deutschen Marinesoldaten und Marinesoldatinnen bot für das Seminar die Gelegenheit, sich mit den Einsatzgegebenheiten für deutsches Personal in dieser Krisenregion vertraut zu machen.

Eine Menschengruppe steht aufgestellt für ein Foto

Das Seminar für Sicherheitspolitik an der libanesisch-israelischen Grenze
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik

5. Feldstudie Israel und Palästinensische Autonomiegebiete

Zum Auftakt des nächsten Kapitels der Feldstudie erhielt die Seminargruppe die Gelegenheit sich die neugeschaffenen Sperranlagen in und um Ost-Jerusalem durch einen Vertreter der israelischen NRO Terrestrial Jerusalem im Gelände erläutern und politisch verorten zu lassen. Anhand der sehr anschaulichen Wirklichkeit der Sperranlagen und den begleitenden Ausführungen des NRO-Vertreters gewann das Seminar wertvolle Erkenntnisse über die strategische Absicht hinter den baulichen Maßnahmen auf dem politisch umstrittenen Terrain.
Die Situation der Wohnbevölkerung im historisch und religiös äußerst sensiblen Bereich der Altstadt Jerusalems erläuterte der Generaldirektor des International Peace and Cooperation Centres.
Zur politischen Einordnung der komplexen Lage in Israel und den seit 1967 besetzten Gebieten einschließlich Jerusalems wurden die Teilnehmer vom Leiter des Deutschen Vertretungsbüros in Ramallah in die aktuelle Lage eingewiesen. In den Ausführungen fanden die Gewichtung der palästinensischen Prioritäten auf der Westbank und dem Gaza-Streifen ebenso Berücksichtigung, wie die Frage nach einer palästinensischen Einheitsregierung oder das Thema der Rückkehr der Flüchtlinge. Der Einfluss der EU und Deutschlands auf das Konfliktgeschehen wurde ebenfalls durch den Vertreter des AA dargestellt.
Anlass zur Reflektion gab der Besuch der United Nations Disengagement Observer Force (UNDOF) auf den Golan-Höhen und dem sich anschließenden Briefing durch das dort stationierte österreichische VN-Kontingent. Sehr deutlich wurde die strategische Bedeutung des Höhenzuges für die Sicherheitsperzeption Israels. Ebenso Teil des Lagebildes war die Bewertung der Siedlungstätigkeiten und der wirtschaftlichen Nutzung der Golan-Höhen, als auch die strategische Bedeutung der Wasserreserven für die Versorgung der gesamten Region. Selbstverständlich erhellte sich damit die Einschätzung des Seminars zur Motivlage der Konfliktbeteiligten erheblich.

Ein sehr interessanter Außentermin mit einer Vertreterin der Israeli Defence Forces (IDF) verschaffte dem Seminar die Gelegenheit, sich von einer beherrschenden Höhe an der Grenze zum Südlibanon aus mit der Einschätzung der IDF zur Sicherheitslage entlang der Waffenstillstandlinie von 2006 bekannt zu machen. Die topographische Einordung der sicherheitspolitischen Erkenntnisse vermittelte ein lebhaftes Bild der Lage. Zudem spiegelte dieser Termin sehr gewinnbringend die Wirklichkeit auf der anderen Seite der bereits im Südlibanon besuchten Trennlinie zwischen den Konfliktparteien wieder.
Dem eigentlichen Besuchsteil der Feldstudie in den Palästinensischen Autonomiegebieten vorgeschaltet, fand ein hochinteressantes Briefing durch das Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA) in Ost-Jerusalem statt. Das Seminar erhielt durch OCHA einen detaillierten Überblick zur humanitären Lage in den von Israel besetzten Gebieten. Anhand konkreter Zahlen und Daten zur Bevölkerungsentwicklung, Siedlungspolitik und vielschichtiger Fakten zur Situation der Menschenrechte in den Besatzungsgebieten verdeutlichte OCHA die sozio-ökonomischen Maßnahmen der israelischen Regierung im vielschichtigen Konfliktgeschehen.

Ein beeindruckender Höhepunkt und herausragende Lernerfahrung stellte eine Führung durch Hebron durch die israelische NRO Breaking the Silence dar. Ehemalige Angehörige der israelischen Streitkräfte haben diese NRO aufgebaut und es sich zur Aufgabe gemacht, über die Realität und die politischen Kosten eines jahrzehntelangen Okkupationsregimes zu informieren. Sehr nah an den Wirklichkeiten in Hebron hatte das Seminar Gelegenheit sich mit den Fragekomplexen radikaler Siedler und deren Vorgehen, den Realitäten von Check Points und der Wirkung des Kontrollregimes auf die palästinensische Bevölkerung bekannt zu machen. Ein anschließender Perspektivenwechsel auf die arabische Seite und die Besichtigung der durch europäische Mittel teilrestaurierte Altstadt rundeten das Bild ab.

Das Seminar besuchte das Dheishe-Flüchtlingslager und hatte im Phoenix Center Gelegenheit mit Vertretern der Flüchtlinge über deren Sorgen und Zukunftswünsche in angeregte und offene Diskussionen zu kommen. Im Nachgang gab es Gelegenheit mit Vertretern der UNRWA, GIZ, bzw. des Zivilen Friedensdienstes sich über deren Arbeit am Phoenix Center auszutauschen.

Der Besuch beim Catholic Centre for Human Rights in der Altstadt Jerusalem im Ostteil der Stadt befasste sich vor allem mit den alltäglichen Unzulänglichkeiten und bürokratischen Schikane für arabische Bewohner in Ost-Jerusalem.

Ein Gespräch mit dem stellv. Leiter des Negotiations Affairs Department der PLO vermittelte den Teilnehmern die Position der Organisation bezüglich der international favorisierten 2-Staaten-Lösung, des Status von Ost-Jerusalem, der fortschreitenden Fragmentierung des Siedlungsgebietes der Palästinenser durch die Sicherheitsbedürfnisse der israelischen Seite und der Sonderfrage, welche Position die Hamas zum Existenzrecht Israels einnimmt.

Das Seminar erlebte eine angeregte Diskussion mit dem Inhaber von „Pharmacare“. Hauptpunkte des Zusammentreffens bildeten die Bedeutung der wirtschaftlichen Entwicklung für die Konflikttransformation in den Autonomiegebieten und des Gaza-Streifens, sowie die dort herrschenden Rahmenbedingungen und Schwierigkeiten für wirtschaftliche Entwicklung.

Ein gemeinsames Panel in Ramallah mit einem deutschen Polizeiberater im Innenministerium der palästinensischen Autonomiebehörde und einem weiteren internationalen Experten zum Verlauf und dem Fortschritt des Staatsaufbaus, insbesondere der Sicherheitskräfte erbrachte wichtige Erkenntnisse. Die Ziele der Sicherheitssektorreform sowie die aktuelle Zahl und Stärke der bewaffneten Milizen in den Autonomiegebieten wurden dabei erörtert.

Das Gespräch mit dem Leiter der EU-Delegation in der Westbank und dem Gaza-Streifen befasste sich mit der aktuellen Lage, arbeitete den Einfluss der EU als größter Geldgeber auf das Konfliktgeschehen heraus und befasste sich mit der Einschätzung der EU zu den Endstatusfragen.

Auf Einladung des israelischen Außenministeriums gaben dem Seminar der Director for Strategic Affairs und der Head of Policy Research Centre einen strategischen Überblick zu den Themen Iran, der Lage an der israelischen Nord- und Südgrenze, den besetzten und den autonomen Gebieten in der Westbank. Die beiden Gesprächspartner des Seminars legten auch die Analyse Israels über die Veränderungen durch die Umbrüche, Aufstände und Veränderungen in der arabischen Welt dar.

Das Seminar besuchte die Gedenkstätte „Yad Vashem“ in Jerusalem und legte feierlich einen Kranz zum Angedenken der Ermordeten nieder.

Eine Diskussionsrunde mit Vertretern israelischer NRO zur Wahrnehmung des israelisch-palästinensischen Konflikts durch die Zivilgesellschaft fokussierte ebenfalls auf wichtige Aspekte innenpolitischer Natur. Unter anderem wurden die Stabilität der israelischen Regierung, die demografische Entwicklung Israels und die Gewichtung israelischer Interessen hinsichtlich der Lage in den Nachbarstaaten Ägypten, Libanon, Syrien und dem Iran aus Sicht von Nichtregierungsorganisationen diskutiert.

In einem Vortrag des stellv. Direktors des National Security Studies Centre der Universität Haifa zum Einfluss externer Akteure auf das Konfliktgeschehen in der Region, der sicherheitspolitischen Ausstrahlung des Palästinakonflikts auf die Region und der daraus resultierenden Prioritäten und Politiken Israels bildeten den anspruchsvollen Abschluss einer überaus spannenden und erkenntnisreichen Feldstudie.

6. Fazit

Als wesentliche Erkenntnisse aus dem Modul 8 können folgende Punkte festgehalten werden:
Für das Engagement in Krisenregionen ist essentiell, dass es

  1. den eigenen nationalen Interessen und Werten dient,
  2. analytisch ausreichend durchdrungen ist,
  3. geeignetes Personal sowohl für bilaterales als auch multilaterales Engagement verfügbar ist, und das
  4. die Konfliktparteien und Krisenpartner ein echtes Interesse an einer von außen unterstützten Bearbeitung der Entwicklungsdefizite und Konfliktfragen haben.

Autoren: Arbeitsgruppe "Nordamerika" des Seminars für Sicherheitspolitik 2011