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Zusammenfassung Modul 3: Elemente globaler Ordnung und die Rolle der USA

Dienstag, 1. März 2011

Der nachstehende Beitrag gibt die sicherheitspolitischen Erkenntnisse aus der Innensicht einer Gruppe von acht Seminarteilnehmern und Seminarteilnehmerinnen des SP11 wieder.

Ein Herr und eine Dame sitzen an einem Rednertisch

Dr. Harald Klimenta von ATTAC zur Finanzkrise
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik

„Elemente globaler Ordnung und die Rolle der USA“ – unter dieser Überschrift befasste sich das Modul 3 mit der Frage, wie internationale Vereinbarungen, Organisationen und deren Mechanismen eine umfassend angelegte Sicherheitspolitik Deutschlands und der globalen Welt beeinflussen. Ferner sollte die Rolle der USA und deren sicherheitspolitische Anstrengungen untersucht werden.

In einem ersten Teil wurden Fragen der Globalisierung und deren politische, institutionelle, gesellschaftliche und wirtschaftliche Konsequenzen betrachtet. Abschluss dieser Teile des Moduls bildete die Frage nach den aktuellen Herausforderungen der transatlantischen Beziehungen bevor das Seminar im zweiten Abschnitt des Moduls zu einer 10-tägigen USA-Reise aufbrach. Bei dieser Reise galt es, den "Globalen Akteur" USA aus der unmittelbaren Nähe zu erfahren sowie darüber hinaus vor Ort in der Diskussion mit internationalen Organisationen die in Berlin diskutierten Inhalte zu vertiefen.

1. Globalisierung, VN, Internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik

Die Vereinte Nationen (VN), ihre Aufgabe als Forum für die Definition völkerrechtlicher Grundprinzipien, ihre Mechanismen für die Handlungsfähigkeit und insbesondere der  Reformbedarf des Sicherheitsrates stand im Mittelpunkt der Vorbereitung für die USA-Reise.

In diesen Diskussionen stellte sich auch die Frage nach dem Wandel der zukünftigen Bedeutung von staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen unter der Berücksichtigung von transnationalen Organisationen und der Bedeutung von globalen Akteuren. Die Diskussion über die Wirtschafts- und Finanzpolitik wurde auf der einen Seite durch die Bedeutung der unterschiedlichen Institutionen und auf der anderen Seite von den Effekten der Finanzkrise geprägt. Wesentliche Foren der internationalen Wirtschaft- und Finanzpolitik - wie G8 und G20 - sind informeller Natur. Die Einbeziehung der wichtigsten Schwellenländer in die globalen Diskussionen im Rahmen von G20 muss allerdings ihre Effizienz über das Krisenmanagement hinaus noch beweisen. Die interessanten und durchaus unterschiedlichen Betrachtungswinkel der Finanzkrise seitens der öffentlichen Hand, Banken und globalisierungskritischer Nicht-Regierungsorganisationen rundete dieses Thema ab.

Zwei Herren sitzen an einem Rednerpult

Präsident Lahl und US-Botschafter Murphy
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik

2. Transatlantische Beziehungen

Das Seminar ging in einzelnen Arbeitsgruppen der Frage nach, ob Europa und die USA sicherheitspolitisch auseinanderdriften, da zunehmend unterschiedliche Denk- und Urteilsansätze das Handeln der Akteure bestimmt. An den Beispielen des Afghanistan-Konflikts, des Managements globaler ökonomischer Risiken sowie der Haltung zu den VN wurde die Fragestellung mit der Hilfe von externen Experten untersucht. Das Ergebnis war wie erwartet kein eindeutiges, Differenzen im Verständnis zwischen Europa und den USA wurden vielmehr bei bestimmten Teilthemen gesehen. Diese Punkte wurden auch mit dem Botschafter der Vereinigten Staaten in Berlin Philip D. Murphy diskutiert. Letztendlich bewertete das Seminar die bestehenden guten transatlantischen Beziehungen auch aufgrund ihrer stabilen und erfolgreichen Geschichte als wichtig für die Sicherheit beider Seiten.

3. USA-Reise

Höhepunkt des Moduls war zweifelsohne die 10-tägige USA-Reise, die das Seminar nach Washington D.C. und New York führte.

Washington D.C.

Nachdem die Deutsche Botschaft in die derzeit aktuellen Themen in den USA und das Selbstverständnis der für den Besuch durch das Seminar vorgesehenen US-Dienststellen eingewiesen hatte, führte der erste Besuch  zum National Security Council – dem direkt dem Präsidenten in allen Fragen der nationalen Sicherheit und der Außenpolitik der USA zuarbeitenden Arbeitsstab. Dort bekam das Seminar einen Eindruck von den überaus engen Beziehungen und zahlreichen inhaltlichen Abstimmungen zwischen den Führungen beider Länder. Im US Department of State, dem Außenministerium der USA, hatte das Seminar die Gelegenheit, mit hochrangigen Experten Fragen der amerikanisch-chinesischen, der amerikanisch-türkischen und der amerikanisch-deutschen Beziehungen zu erörtern. Es wurde deutlich, dass die USA verständlicherweise einen eigenen, besonderen Blick auf die Lage und die Entwicklungen in der Welt hat. So hat die Türkei angesichts der Nähe zum Iran für die USA eine besondere geostrategische und damit auch sicherheitspolitische Bedeutung.

Die vom internationalen Logistikdienstleister Deutsche Post DHL organisierte Veranstaltung betrachtete die Frage des Lobbyismus in der US-Politik. Für das Seminar war interessant zu erfahren, dass Lobbyismus in den USA als legitime aber gleichzeitig auch transparente Interessenvertretung verfassungsrechtlich geschützt ist.

Im Pentagon, dem US-Verteidigungsministerium, stand insbesondere die Interpretation und Umsetzung der neuen NATO-Strategie aus US-Sicht sowie die Zusammenarbeit der Europäischen Union mit der NATO im Mittelpunkt. Die US-Seite ist an einer zügigen Implementierung der neuen NATO-Strategie verbunden mit einer raschen Reform der NATO-Kommandostruktur interessiert. Deutschland wurde als stabiler und verlässlicher Verbündeter und Partner bezeichnet.

Gruppenbild in Washington D.C. vor dem Weißen Haus

SP11 vor dem Weißen Haus in Washington D.C.
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik

Im US-Department of Homeland Security, einer Regierungsbehörde, die als Dach für eine Vielzahl unterschiedlicher Sicherheitsbehörden nach den Anschlägen vom 11. September 2001 neu etabliert wurde, gewann das Seminar einen Eindruck von einem nahezu „undurchdringbaren Gestrüpp“ verschiedenster Organisationen und Institutionen, die sich um die innere Sicherheit der USA bemühen.

Danach hatte das Seminar die Möglichkeit, mit Vertretern der deutschen Presse, die für Ihre Zeitungen in den USA arbeiten, zu diskutieren. Diese sehr anregende und aufschlussreiche Runde machte klar, dass die Öffentlichkeit und damit auch die Politik in den USA sicherheitspolitische Fragestellungen nur dann für relevant halten, wenn die USA als Nation oder aber Staatsbürger der USA direkt hiervon betroffen sind.

Der deutsche Botschafter Dr. Scharioth informierte das Seminar aus allererster Hand zu aktuellen politischen Herausforderungen insbesondere, zur Situation in Nordafrika. Es wurde deutlich, dass die USA an einer überaus engen Abstimmung mit der deutschen Seite interessiert sind. Die immer noch hohe Bedeutung der USA für die Sicherheitspolitik Europas und insbesondere Deutschlands wurde betont.

Im Weiteren besuchte das Seminar im Zusammenhang mit der Frage der inneren Sicherheit der USA die Zentrale des Federal Bureau of Investigation (FBI). Neben den Aufgaben und den Verantwortlichkeiten des FBI konnte das Seminar auch einen Eindruck von der Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen mit dem Bundeskriminalamt über einen Verbindungsbeamten vor Ort gewinnen.

Um das Gesamtbild zur globalen Wirtschafts- und Finanzpolitik abzurunden, stand noch der Besuch des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank auf dem Programm. Der Besuch bei den genannten Institutionen machte deutlich, dass zu einer umfassenden Sicherheitsvorsorge – national wie global – auch die Betrachtung die wirtschafts- und finanzpolitischen Aspekte gehört. Insbesondere die Unterstützungsleistungen der Weltbank an Entwicklungsländer als global tätige multilaterale Entwicklungsbank macht sie zu einer der weltweit größten entwicklungspolitischen und damit auch sicherheitspolitischen Institutionen.

Auf dem vielseitigen Programm standen weiterhin die Diskussionen mit Vertretern von Think Tanks. Am Peter G. Peterson Institute for International Economics und beim Carnegie Endowment for International Peace beschäftigte sich das Seminar mit den Lehren aus der Wirtschaft- und Finanzkrise sowie der aktuellen Frage nach der Zukunft Ägyptens und einer möglichen Ausweitung der Demokratiebestrebungen von Nordafrika in den Mittleren Osten.

New York

Im Mittelpunkt des Besuchs des Seminars in New York standen die VN. Deutschland hat nach der Wahl durch die Generalversammlung seit Januar 2011 für zwei Jahre einen nicht-ständigen Sitz im Sicherheitsrat inne - in den kommenden Vorträgen, Diskussionen und Gesprächen eines der dominierenden Themen. Im Anschluss an die Besichtigung der Entscheidungsstätten der VN wurde das Seminar durch Botschafter Dr. Wittig, den Ständigen Vertreter Deutschlands bei den VN, begrüßt. Der Botschafter erläuterte die Schwerpunkte und Chancen in den kommenden zwei Jahren.

Ansicht des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen in New York

SP11 im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen…
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik

Der Tag wurde abgerundet durch eine Paneldiskussion mit Vertretern unterschiedlicher VN-Organisationen zur Frage von „Peacekeeping and Peacebuilding“ sowie einem Gespräch mit dem Botschafter Südafrikas bei der VN, der insbesondere die drängende Lage in Nordafrika aus einer rein afrikanischen Perspektive beleuchtete.

Am letzten Tag der Reise stellte ein Vertreter der VN eine Zwischenbilanz zu den VN-Millenniumsentwicklungszielen vor. Diese Ziele folgen der übergeordneten Absicht, die Armut in der Welt bis zum Jahr 2015 zu halbieren. Reiche wie auch arme Länder verpflichteten sich, die Armut drastisch zu reduzieren und Ziele wie die Achtung der menschlichen Würde, Gleichberechtigung, Demokratie, ökologische Nachhaltigkeit und Frieden zu verwirklichen. In der anschließenden Diskussion berichteten die Vertretern von Nicht-Regierungsorganisationen und Think Tanks – des World Policy Institute, des Global Policy Forum, von Amnesty International sowie von Human Right Watch – an welcher Stelle und in welchen Themenbereichen sie zu inhaltlichen Themen der VN Stellung beziehen. Die jeweiligen Organisationen können vollkommen unabhängig agieren und müssen auf mögliche Kompromisse keine Rücksicht nehmen. Diese Diskussion rundete das Bild der VN für die Seminarteilnehmer ab, da insbesondere auch deutlich wurde, dass Nicht-Regierungsorganisationen einen nicht unerheblichen Anteil an der positiven Arbeit der VN haben.

Ein Herr im Anzug sitzt vor einem Mikrophon

… und im Gespräch mit Botschafter Dr. Wittig
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik

Zum Abschluss berichteten zwei deutsche Bankmanager aus dem Finanzzentrum New York zu den aktuellen wirtschafts- und finanzpolitischen Problemstellungen in den USA. Sie zeigten sich verhalten optimistisch, mahnten aber dringend entsprechende Sparbeschlüsse an. Dass solche Beschlüsse letztlich wieder die Sicherheitspolitik betreffen, machte deutlich, dass ein eindimensionaler sicherheitspolitischer Ansatz zu kurz greift und nur ein umfassender Ansatz über die wesentlichen Politikfelder hinweg der Sicherheitsvorsorge einer Nation gerecht wird.

Nach der Rückreise des Seminars nach Berlin bildete ein spannendes Gespräch mit dem ehemaligen Botschafter der USA in Deutschland, John C. Kornblum, den Abschluss des Moduls.

Fazit:

Nach Betrachtung der Grundlagen der Sicherheitspolitik und der Notwendigkeit eines umfassenden Sicherheitsbegriffes (Modul 1) sowie der Analyse der für eine nationale Sicherheitsvorsorge in Deutschland verantwortlichen Akteure (Modul 2), können die wesentlichen Feststellungen auch auf die globale Ebene erweitert werden. Auch auf globaler Ebene bedarf eine umfassende Sicherheit der Vernetzung aller Akteure in den weit über die klassische Sicherheitspolitik hinausgehenden Politikfeldern. Dabei müssen Organisationen, Staaten und nichtstaatliche Akteure in unterschiedlichsten Formaten zusammenwirken können.

In diesem Kontext ist die USA in der Sicherheitspolitik derzeit nach wie vor der einzige globale Akteur und sieht sich auch weiterhin für die Sicherheit Europas in einer multi- oder teilpolaren Welt verantwortlich. Sie konzentrieren sich aber aufgrund innenpolitischer Diskussionen und den Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise stärker als früher auch auf innere Belange und die eigenen Herausforderungen. Die USA bevorzugen bilaterale über den multilateralen Beziehungen mit den Staaten, die für die USA von Bedeutung und Relevanz sind, was insbesondere in den sicherheitspolitischen Fragen der Fall ist. Diese Einschätzung spiegelte sich in mehreren Vorträgen und Diskussionen wieder, die das Seminar bis jetzt absolviert hat.

Autor: Arbeitsgruppe Nord-Amerika