Arbeitspapiere

Die Rolle Deutschlands in der Sahelregion: Neue Verantwortung durch Frankreichs Rückzug?

6/2022
Deutschlands politische Debatte über die Sahelzone konzentriert sich bislang stark auf die Bundeswehreinsätze in Mali. Die dortige EU-Ausbildungsmission für das malische Militär wurde jüngst ausgesetzt und der deutsche Anteil auf eine Minimalpräsenz reduziert, während Deutschlands Beteiligung an der UN-Stabilisierungsmission MINUSMA bestehen bleibt. Derweil hat Frankreich angekündigt, die Militäroperation Barkhane in der Sahelzone zu beenden und seine Truppen bis Sommer 2022 abzuziehen – eine Entwicklung, die einmal mehr die Frage aufwirft, wie Deutschland zukünftig in der Region agieren sollte. Die Bilanz des bisherigen Engagements und ein Blick auf die zahlreichen bislang initiierten Kooperationsformate mit den Sahelstaaten machen deutlich, dass Deutschland die Intensivierung eines entwicklungspolitischen Ansatzes für die Region anstreben sollte. Außerdem sollte die Maxime der Afrikanischen Union – African solutions to African problems – ernst genommen und die AU stärker in den Prozess der gemeinsamen entwicklungspolitischen Lösungsfindung einbezogen werden.

Deutschland sollte einen intensivierten entwicklungspolitischen Ansatz im Sahel anstreben, schreiben Anna Gobeli und Cynthia Wrage. Hier eröffnen Senegals Präsident Macky Sall und Bundeskanzler Olaf Scholz im Mai 2022 die Erweiterung eines Solarkraftwerks in Diass (Senegal). Foto: Bundesregierung/Kugler

1. Die prekäre humanitäre und sicherheitspolitische Lage im Sahel

Das Leben der Menschen in der Sahelzone ist geprägt durch vielschichtige Probleme politischer, wirtschaftlicher, sozialer, militärischer und ökologischer Art. In den Staaten Burkina Faso, Mali, Mauretanien, Niger und Tschad leben rund 85 Millionen Menschen auf einer Fläche 14-mal so groß wie die der Bundesrepublik. Mit Ausnahme von Mauretanien zählen sie allesamt zu den Binnenentwicklungsländern. Die schlechte wirtschaftliche Lage der Region, die durch den fehlenden Meereszugang zusätzlich verschärft wird, hat zur Folge, dass bis zu 80 Prozent der Menschen weniger als zwei US-Dollar pro Tag zur Verfügung stehen. Überdies zeigen sich die Folgen des Klimawandels beispielsweise in Form von Dürreperioden immer häufiger. Laut dem UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) gibt es in der zentralen Sahelzone derzeit mehr als drei Millionen Binnenvertriebene und Flüchtlinge. Allein in Burkina Faso stieg bis Ende 2021 die Zahl der Vertriebenen auf 1,5 Millionen. Neben alldem wächst die Bevölkerung in der Region rasant. Gemäß den Prognosen der UN soll sich die Bevölkerung in Mali, Burkina Faso und Niger bis 2050 etwa verdoppeln. Die Altersstruktur in der Region weist zudem einen sehr hohen Anteil junger Menschen auf. Diese werden in den nächsten Jahren einen Job suchen – oder sich nach Alternativen umsehen müssen, um ihre Familien finanziell versorgen zu können. Nicht selten finden sie diese aus der Not heraus in dschihadistischen Gruppierungen oder versuchen, der Perspektivlosigkeit durch Flucht zu entkommen.

Der Sahel gehört zu den fragilsten und gefährlichsten Konfliktregionen der Welt. Durch die COVID-19-Pandemie werden die ohnehin vielschichtigen Krisen weiter zugespitzt. Es ist abzusehen, dass sich die Lage im Sahel in naher Zukunft noch verschärfen und die Entwicklung der Region weiter zurückwerfen wird. Zugleich ist der Sahel für die Stabilität des afrikanischen Westens von großer Bedeutung und in diesem Zuge auch für die Sicherheit Europas. Nicht zuletzt, da zahlreiche Migrationsrouten die Region durchziehen und sie für Terroristen, wie die der Boko Haram oder des „Islamischen Staates“, Rückzugsorte bieten. Die Bekämpfung von Terrorismus, Organisierter Kriminalität und Menschenhandel bildet folglich ein zentrales Interesse Deutschlands und Europas; der mögliche Rückzug europäischer Truppen könnte wiederum den dschihadistischen Interessen in die Hände spielen.

2. Internationale Zusammenschlüsse und Militäroperationen in der Sahelregion

Ausgehend von gemeinsamen, grenzüberschreitenden Herausforderungen gründeten die Staatschefs von Burkina Faso, Mali, Mauretanien, Niger und Tschad 2014 die G5 du Sahel-Gruppe, mit dem Ziel einer gemeinsamen Politik zur Terrorismusbekämpfung und Stärkung der regionalen wirtschaftlichen Entwicklung. Neben dieser Gruppe von Anrainerstaaten wurden angesichts der Lage im Sahel in den vergangenen Jahren zudem eine Vielzahl internationaler Zusammenschlüsse gebildet, die darauf abzielen, die Region zu stabilisieren. Als Resultat bestehen derzeit verschiedene Formate, deren Komplexität die vorhandenen Strukturen zunehmend undurchschaubar macht und zugleich Zuständigkeitsgrenzen verschwimmen lässt.

Koalition für die Sahelzone

Aufgrund dieser strukturellen Problemlage gründete Frankreich Anfang des Jahres 2020 im Zuge eines gemeinsamen Gipfeltreffens in Pau mit den Staats- und Regierungschefs der G5 die „Koalition für die Sahelzone“ mit dem erklärten Ziel, „kollektiver und solidarischer“ auf die Krise in den Bereichen Sicherheit, Entwicklung und Politik zu reagieren. Die Koalition soll als eine koordinierende Instanz für die folgenden vier Säulen wirken: 1) Terrorismusbekämpfung; 2) Stärkung militärischer Fähigkeiten der G5; 3) Unterstützung von Staat und Verwaltung sowie Stärkung des Zugangs zur Grundsicherung für die Menschen in der Region und 4) Entwicklungszusammenarbeit. Neben den bisherigen Militärmissionen Barkhane und Takuba sollen dabei verschiedene Steuerungsgremien wie die G5 Sahel Joint Force, die Partnerschaft für Sicherheit und Stabilität im Sahel (P3S) und die Sahel-Allianz agieren. Wie bereits die Vielzahl dieser Formate andeutet, müssen die konkreten Aufgaben und Kompetenzbereiche der vier Säulen allerdings besser abgestimmt und spezifiziert werden. Auch ist zu betonen, dass die Koalition für den Sahel keinen Einfluss auf die Arbeit der einzelnen Initiativen und Gremien innerhalb der vier Säulen nimmt, sondern diese nur koordiniert. Deutschland konzentriert sich auf die Säulen zwei bis vier, ist jedoch bislang nicht personell im Koalitionssekretariat engagiert. Anders als in den anderen Formaten ist die Afrikanische Union (AU) in der Koalition für den Sahel direkt beteiligt. Angelehnt an die Aspiration 4 „A peaceful and secure Africa” der 2013 veröffentlichten Agenda 2063 der AU soll die Koalition langfristig den neuen Rahmen für das internationale Engagement im Sahel bilden.

G5 Sahel Joint Force

Auf französischen Druck hin wurde während des G5-Gipfels Anfang 2017 beschlossen, eine gemeinsame Eingreiftruppe der G5-Staaten zu bilden. Die daraufhin aufgestellte „G5 Sahel Joint Force“ setzt sich aus Streitkräften und Polizeibehörden zusammen und hat zum obersten Ziel, Terrorismus und Organisierte Kriminalität zu bekämpfen – im Mittelpunkt steht daher auch der Kampf gegen die dschihadistische Bedrohung. Damit ist sie der ersten Säule der Koalition für den Sahel zuzuordnen. Die finanziellen Mittel für die „Joint Force“ kommen aus Europa. Besonders Frankreich als ehemalige Kolonialmacht ist bislang stark vor Ort engagiert.

Operation Barkhane und Mission Takuba

Parallel zur G5 Sahel Joint Force besteht bereits seit 2014 die von Frankreich geführte Militäroperation Barkhane, ebenfalls mit dem Ziel, den Terrorismus in der Region zu bekämpfen, wie in Säule eins der Koalition für den Sahel beabsichtigt. Doch aufgrund ausbleibender Erfolge im Hinblick auf die Befriedung und Stabilisierung der G5 verkündete Frankreich im Juni 2021 den schrittweisen Abzug seiner Truppen aus dieser Militäroperation. Auch die erst 2021 durch das französische Verteidigungsministerium mit einem dreijährigen Mandat ausgestattete neue Spezialkräfteission Takuba („Säbel“) soll zusammen mit der Operation Barkhane beendet werden, wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bekannt gab.

Doch auch nach Beendigung beider Operationen plant Frankreich, weiterhin im Kampf gegen den Terrorismus in der Region aktiv zu sein – die genauen Rahmenbedingungen hierfür gilt es allerdings im Kontext der gerade begonnenen zweiten Amtszeit des Staatspräsidenten Macron und der fehlenden absoluten Mehrheit im Parlament noch festzulegen. Deutschland hatte in der Vergangenheit bereits zwei Anfragen zur Unterstützung der Takuba-Mission abgelehnt, nicht zuletzt, da Auslandseinsätze der Bundeswehr ein UN-Mandat oder einen Beschluss der EU oder der NATO erfordern. Nichtsdestotrotz betonte die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, dass sich Deutschland „auch aus europäischer und deutscher Verantwortung heraus“ weiterhin an der Bekämpfung des Terrorismus in der Sahelregion beteiligen müsse.

Partnerschaft für Sicherheit und Stabilität im Sahel (P3S)

Zusätzlich zur Sahel-Allianz haben Deutschland und Frankreich im Zuge des G7-Gipfels im August 2019 die Partnerschaft für Sicherheit und Stabilität im Sahel (P3S) veranlasst, welche die Sicherheitskräfte der G5 durch Ausbildungs- und Ausstattungshilfe sowie Finanzierung unterstützen soll. Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte in diesem Kontext: „Wir wissen, dass Entwicklung ohne Sicherheit nicht möglich ist. Deshalb müssen wir die Sicherheit stärken.“1 Die P3S legt mit ihrem sicherheits- und stabilitätsbezogenen Fokus den Schwerpunkt auf die Säulen zwei („Stärkung militärischer Fähigkeiten der G5“) und drei („Unterstützung von Staat und Verwaltung sowie Stärkung des Zugangs zu Grundsicherung für die Menschen in der Region“) der oben erwähnten Koalition für die Sahelzone. Beabsichtigt wird, beide Säulen künftig stärker voneinander abzugrenzen und somit eine zielgerichtete Kompetenzverteilung für Projekte und Initiativen zu ermöglichen. Diese Abstimmungen sollen nicht zuletzt durch den gemeinsamen Standort der Sekretariate der P3S, der Sahel-Koalition, der Sahel-Allianz und der G5-Staaten in Brüssel strukturierter erfolgen.

Sahel-Allianz

Mit dem Ziel, Frieden in dieser äußerst konfliktreichen Region herzustellen und die afrikanischen Staaten des „G5 du Sahel“ bei der Bewältigung der tieferen Ursachen der Probleme zu unterstützen, wurde zudem im Juli 2017 durch Deutschland, Frankreich und die EU eine weitere internationale Plattform geschaffen: Die Sahel-Allianz. Dieser schlossen sich schon bald die Weltbank, die Afrikanische Entwicklungsbank, das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen sowie einige europäische Staaten, darunter Großbritannien, Italien und Spanien an, sodass sie nun insgesamt 13 ständige Mitglieder zählt. Die Sahel-Allianz spielt eine wichtige Rolle innerhalb der Säule vier (Entwicklungszusammenarbeit) der Koalition für den Sahel. Ihr Ziel ist es, einen Mechanismus bereitzustellen, durch den eine effizientere Koordinierung der relevantesten bi- und multilateralen Partner für gezielte Entwicklungszusammenarbeit in der Region ermöglicht wird. Dieser Mechanismus zielt darauf ab, Hilfeleistungen schneller zu verteilen, jedoch unter Berücksichtigung unterschiedlicher Dringlichkeit. Deutschland hat den Vorsitz des politischen Steuerungskomitees der Sahel- Allianz inne und verfügt daher über die Möglichkeit, die Arbeit dieses Zusammenschlusses maßgeblich mitzugestalten.

3. Die bisherige Bilanz des Engagements im Sahel

Wie diese Vielzahl an Zusammenschlüssen und damit einhergehenden unklaren Kompetenzverteilungen zeigt, werden die Aktionen zunehmend undurchschaubar. Dadurch wächst die Gefahr, dass es zu Überschneidungen im Arbeitsauftrag, in der Koordination untereinander und damit auch zu Ressourcenverschwendung kommt – Ressourcen, die die Sahelregion jedoch dringend benötigt. Tatsächlich sieht die Erfolgsbilanz der im Jahr 2017 gegründeten Sahel-Allianz nach fünf Jahren des Bestehens dürftig aus. Ebenso blieb die 2019 eingeführte Plattform P3S bis jetzt ohne große Wirkung. Burkina Fasos Verteidigungsminister Chèrif Sy wurde in der südafrikanischen Wochenzeitung Mail & Guardian mit den Worten „the G5 Sahel is not effective at all“ zitiert. Außerdem misstraue er Frankreichs Motiven – nicht zuletzt aufgrund der kolonialen Vergangenheit. Mit der Dauer ihres Einsatzes wird die Präsenz der französischen Streitkräfte durch die lokale Bevölkerung zunehmend – auch in zum Teil gewaltsamen Protesten – kritisiert. Frankreich trägt diesen Entwicklungen Rechnung und hat einen Abzug der Truppen der Operation Barkhane sowie jener des europäischen Spezialkräfteverbandes Takuba bis Juni 2022 angekündigt. Dies wurde von malischer Seite wiederum als Verstoß der Vereinbarung mit Frankreich gewertet und daraufhin die Forderung nach einem sofortigen Abzug der Truppen erhoben.

Dabei behält Sy mit seinem Statement in weiten Teilen recht: Der Einsatz in der Sahelzone sollte von Grund auf neu durchdacht und den dynamischen Prozessen in der Region entsprechend angepasst und umstrukturiert werden. Nicht nur überschneiden sich die militärischen Konzepte verschiedener Akteure mitunter – hier wäre eine stärkere Koordinierung untereinander notwendig. Mehr noch können sie in Teilen sogar konfliktverschärfend wirken, wenn die Effektivität des Engagements in den betroffenen Regionen selbst zunehmend hinterfragt wird. So hat sich die Stimmung in den vergangenen Jahren vielerorts im Sahel wiederholt gegen die Unterstützungsleistungen einzelner, vor Ort beteiligter Staaten gerichtet, wie sich dies insbesondere gegen Frankreich beobachten ließ.

Durch die komplexe Problemlage der Sahelregion ist ein stärkerer Fokus auf mittel- und langfristige Ansätze der Entwicklungszusammenarbeit unabdingbar. Militärische Maßnahmen allein sind nicht nachhaltig, wenn auch in der aktuellen Lage notwendig. Darüber hinaus müssen weitere Maßnahmen ebenfalls auf eine verstärkte Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung und den Aufbau einer aktiven Zivilgesellschaft gestützt werden. Die zu diesem Zweck von der Bundesrepublik bis 2023 zugesagten 100 Millionen Euro für Mali, Burkina Faso und Niger sind ein Anfang, doch es bedarf mehr: In einem Papier des Auswärtigen Amtes zur Sahel-Allianz heißt es, es solle ein „integratives Herangehen entwickelt“ werden, das unter anderem auf „langfristiger Entwicklung gründet“ – im Gegensatz dazu zeigt die tatsächlich erfolgte Entwicklungszusammenarbeit bislang wenig Wirkung. Dies lässt sich nicht zuletzt auf die unzureichende Koordinierung und teils unpräzise politische Rahmengebung und Gewichtung der vier Säulen der Koalition für den Sahel zurückführen. Diese Schwerpunktsetzung sollte jedoch nicht zum Nachteil der Umsetzung von humanitärer Hilfe verfolgt werden. In Anbetracht der instabilen Lage in der Region durch Hunger und Armut muss die Unterstützung der notleidenden Menschen unbedingt beibehalten werden.

4. Impulse für Deutschlands Rolle in der Sahelregion

Wie fragil die Stabilisierungserfolge in den G5-Staaten tatsächlich sind, wird einmal mehr noch durch die COVID-19-Pandemie und die immer häufiger auftretenden Gewaltakte und Terroranschläge auch gegen die Zivilbevölkerung deutlich. Wie Human Rights Watch berichtete, fielen allein in der ersten Jahreshälfte 2021 im westlichen Teil des Niger mindestens 420 Zivilisten bewaffneten Islamisten zum Opfer. Deutschland sollte aus diesen Entwicklungen seine Schlüsse ziehen. Die Stabilität der Sahelregion ist von großem Interesse, so strahlt sie doch zusätzlich eine Signalwirkung für den afrikanischen Kontinent und den Erfolg europäischer Entwicklungspolitik aus.

Die Entwicklungszusammenarbeit darf nicht nur in den Schatten kurzweiliger Befriedung der Region durch militärische Einsätze fallen, sondern sollte im Rahmen der Sahel-Allianz, also der vierten Säule der Koalition für den Sahel, zwingend koordinierter vorangetrieben werden. Hierfür ist ein deutlicheres politisches Mandat erforderlich. Mittel- und langfristig bedarf es zur tatsächlichen Befriedung daher weiterhin eines beträchtlichen entwicklungspolitischen Engagements, begleitet durch zivile und militärische Stabilisierung.

Allem voran sollte Berlin die AU deutlich stärker in den Prozess der Friedenssicherung einbeziehen. In den Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ der Bundesregierung heißt es: „Wir stärken Partner wie zum Beispiel die Afrikanische Union beim Aufbau eigener Fähigkeiten zur Konfliktfrühwarnung, Mediation und zum Peacekeeping.“ Eine der Maximen der AU in ihrer Agenda 2063 lautet zudem African solutions to African problems – das Wahrnehmen dieses Leitsatzes wäre ein starkes Zeichen für gegenseitiges Vertrauen und die Erarbeitung gemeinsamer entwicklungspolitischer Lösungen. Dabei wäre auch zu hoffen, dem Misstrauen gegenüber europäischen Aktivitäten in Anbetracht der Kolonialvergangenheit ein Stück weit entgegenzuwirken. Die AU sollte hierbei als „connector“ in den vielfältigen Konflikten dienen und die Koalition für den Sahel eben diese Position stärken.

Des Weiteren sollten gleichberechtigter Zugang zu Bildung und Beschäftigung im Vordergrund stehen, genau wie in den Afrikapolitischen Leitlinien vom März 2019 der Bundesregierung „Eine vertiefte Partnerschaft mit Afrika“ gefordert. Hierbei gilt es, die Kontinentale Bildungsstrategie für Afrika 2016-2025 (CESA), die von der Versammlung der AU im Jahr 2016 zur Schaffung eines verbesserten Bildungssystems für den afrikanischen Kontinent verabschiedet wurde, zu unterstützen. Dass es eines multidimensionalen Ansatzes in der Sahelregion bedarf, ist wohl Konsens. Die angestrebte Überarbeitung gemäß der im Februar 2022 aktualisierten N’Djamena Agenda der Staats- und Regierungschefs der Sahel-Koalition, auf Grundlage derer eine engere Verknüpfung der Zusammenschlüsse und Maßnahmen erfolgen soll, steht noch am Anfang. Besonders problematisch: durch Abspaltung oder Dopplung bestimmter Tätigkeitsbereiche, insbesondere des militärischen Ansatzes, ist die Entwicklung eines ganzheitlichen Konzeptes eher ins Hintertreffen geraten. Dies sollte sich dringend ändern. Die Bundesregierung muss als Innovationstreiber gemeinsam mit den europäischen Verbündeten agieren und ihre Führungsrolle in Europa in Bezug auf das Agenda Setting gezielter wahrnehmen.

Deutschland sollte sich zum Ziel setzen, internationales Handeln im Rahmen der Koalition für den Sahel und hierbei in erster Linie deren vierter Säule Entwicklungspolitik in Form der Sahel-Allianz effektiver zu koordinieren. Daher ist es geboten, ein gemeinsames Verständnis der Partner in der Region hinsichtlich der Gewichtung von militärischen und entwicklungspolitischen Maßnahmen zu etablieren. Zudem muss ein stärkeres Bewusstsein in der europäischen Öffentlichkeit für die Notwendigkeit der Problemlösung im Sahel geschaffen werden. Mittler sollte hierbei das Auswärtige Amt in Zusammenarbeit mit seinen europäischen Partnern sein. Für die Bundesregierung ist es an der Zeit, im Rahmen ihrer herausragenden Rolle in der EU mehr Verantwortung in der Sahelzone zu übernehmen.

Cynthia Wrage ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin an der Professur für Europäische Regierungssysteme im Vergleich der Technischen Universität Chemnitz. Anna Zoé Gobeli ist wissenschaftliche Hilfskraft an der Professur für Internationale Politik der Technischen Universität Chemnitz. Beide waren als Projektassistentinnen bei universitären Simulationen zum Themenbereich UN und Subsahara-Afrika tätig.

[1] Bundesregierung (2019): Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel mit dem französischen Präsidenten Macron und dem Präsidenten der Republik Burkina Faso, Kaboré, während des G7-Gipfels, 25.08.2019, online: https://www.bundeskanzlerin.de/bkinde/aktuelles/pressekonferenz-von-bundeskanzlerin-merkel-mit-dem-franzoesischen-praesidenten-macron-und-dempraesidenten-der-republik-burkina-faso-kaboré-waehrend-des-g7-gipfels-1663818 (eingesehen am 28.06.2022).

 

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