Nachdem sich die Teilnehmer des diesjährigen Seminars für Sicherheitspolitik (SP 11) in den Modulen 1 - 3 mit sicherheitspolitischen Grundlagen und Rahmenbedingungen des umfassenden, vernetzten Sicherheitsbegriffs befasst hatten, ging es im Modul 4 um Konstanten und Verschiebungen im globalen Kräfteverhältnis.
Seminarteilnehmer im Gespräch mit Journalisten, die in Moskau arbeiten
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik
Schwerpunkt des 4. Moduls war die Auseinandersetzung mit den verschiedenen geopolitischen Auswirkungen der sich verändernden Faktoren auf sicherheitspolitische Gleichgewichte. Im Fokus standen neben einer globalen militärpolitischen Analyse die Folgen von Globalisierung und demographischer Entwicklung. Die Betrachtungen konzentrierten sich vor allem auf Russland und China.
Die Feldstudie bot insbesondere Einblicke in Handlungsfelder der strategischen Partnerschaft Deutschlands mit der Russischen Föderation sowie der Energiesicherheit.
Folgende Handlungsfelder wurden im Rahmen des Moduls 4 beispielhaft näher beleuchtet:
- Geopolitik
- Geschichte und politisches System Russlands
- Wirtschaft und Energiesicherheit
- Konfliktlinien im postsowjetischen Raum
- Innere und Äußeren Sicherheit, Wirtschaftsbeziehungen und Menschenrechte in Russland
- Deutsch-chinesische Wirtschaftsbeziehungen
- Rolle Chinas in der globalen Sicherheitsarchitektur
- Deutschland und eine neue Weltordnung
1. Geopolitik
Anknüpfend an die Erfahrungen der USA-Reise und die dort diskutierten Elemente globaler Ordnung galt es für das Seminar, sicherheitspolitische Gleichgewichte und die darauf einwirkenden Faktoren zu bestimmen. Einem umfassenden Verständnis von Sicherheit folgend waren Faktoren wie die Folgen von Globalisierung und demographischer Entwicklung zu gewichten und ihre Auswirkungen auf sicherheitspolitische Gleichgewichte zu untersuchen.
Aus aktuellem Anlass widmete sich das Seminar den Unruhen im arabischen und nordafrikanischen Raum sowie den Ereignissen in Libyen. Dabei wurde diese Entwicklung nicht nur in den Zusammenhang des Moduls gestellt, sondern auch jüngste Ereignisse wie die Evakuierung deutscher Staatsbürger aus Libyen beleuchtet.
Vertreter der Stabsabteilung Militärpolitik des Führungsstabs der Streitkräfte (BMVg) trugen zu militärpolitischen Aspekten mit Blick auf die Russische Förderation, die Volksrepublik China und den asiatischen Raum sowie deren Beziehungen zum transatlantischen Raum vor. Dabei ging es unter anderem auch um Auswirkungen des neuen Strategischen Konzepts der NATO und Fragen der Abrüstung bzw. Rüstungskontrolle.
Wie man angesichts der Krisen internationaler Institutionen auch in einer multi- oder apolaren Welt agieren muss und in welcher Weise die Staatengemeinschaft im beginnenden 21. Jahrhundert Global Governance organisieren kann, wurde im Seminar umfassend beleuchtet. Dr. Martin Frick, Berliner Repräsentant der Nichtregierungsorganisation E3G, zeichnete mit den Seminarteilnehmern die Entwicklung der Klimadiplomatie und die Auswirkungen von Klimawandel und Ressourcenknappheit (Wasser, Nahrungsmittel, Energie) nach.
2. Geschichte und politisches System Russlands
Russland spielt für Deutschland eine wichtige geostrategische Rolle, nicht nur im bilateralen Verhältnis, sondern auch in Bezug auf die Konfliktbewältigung im Iran, Nordkorea, Zentralasien oder Nordafrika. Zum Verständnis der Russischen Föderation sowie zur Vorbereitung auf die Gespräche während der Reise nach Moskau wurden Inhalte und Logik der russischen Innen- und Außenpolitik betrachtet.
Die Innenpolitik ist durch die “chaotische Demokratisierung“ unter Jelzin und der anschließenden Konsolidierung des politischen Systems unter Putin gekennzeichnet. Obwohl die unter Putin begonnene autoritäre Machtkonsolidierung des Staates auch unter Medwedew fortgeführt wird, werden in der russischen Gesellschaft Missstände zunehmend offener benannt.
Hier werden die technologische und wirtschaftliche Rückständigkeit, die Korruption (laut Transparency International liegt Russland auf Platz 154 von 178), die enge Verquickung von Wirtschaft und Politik sowie die ineffiziente Bürokratie identifiziert. Medwedew hat 2009 eine Modernisierungsstrategie gestartet, die insbesondere eine umfassende Armee- und eine Polizeireform umfasst. Russland steht darüber hinaus vor wirtschaftlichen und demographischen Herausforderungen, um in Zukunft die Wettbewerbsfähigkeit der russischen Industrie zu gewährleisten.
Seminar in der Diskussion mit Vertretern von Memorial, Human Right Watch and des Komitees der Soldatenmütter
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik
Neben der innenpolitischen Betrachtung Russlands wurde der russische Umgang mit den Nachbarländern des postsowjetischen Raums am Beispiel von Lettland und Polen thematisiert. Dieser Stil fußt auf einem eher hegemonialen Verständnis, bei dem Russland als dominanter Staat versucht, den Einfluss auf andere Staaten auf verschiedenste Weise zu steuern.
3. Wirtschaft und Energiesicherheit
Deutschland ist der drittgrößte Handelspartner Russlands. Über 6.000 deutsche Unternehmen sind inzwischen in Russland tätig. Allerdings erschweren mitunter fehlende Rechtssicherheit und Korruption deutsche Investitionen. Die notwendige Diversifizierung der russischen Exporte wird mittels einer deutsch-russischen Modernisierungspartnerschaft auf der Basis konkreter Zusammenarbeit, hier sei das Beispiel Kaluga genannt, unterstützt. 80% der russischen Exporte umfassen den „Petrol-Bereich“.
Bei der Gasversorgung spielt Russland ebenso eine wichtige Rolle für Deutschland und die EU. Alle deutschen Gesprächspartner betonten, dass Russland als zuverlässiger Handelspartner im Energiebereich gilt, der seinen Vertragspflichten nachkommt und erfüllt.
4. Konfliktlinien im postsowjetischen Raum
Die föderalen Gebietskörperschaften in der Sowjetzeit und die damit einhergehende Umsiedlung von Nationalgruppen haben bis heute Auswirkungen auf den Nordkaukasus. In dieser Region ist eine alarmierende Zunahme von Terrorakten und militärischen Auseinandersetzungen zwischen staatlichen Sicherheitsorganen und bewaffneten Untergrundkämpfern festzustellen. Insbesondere in den Nachbarrepubliken wie Dagestan und Inguschetien steigen die Gewaltakte in bedrohlichem Ausmaß. Präsident Medwedew erklärte den Nordkaukasus 2009 zum herausragenden inneren Problem Russlands und leitete 2010 eine Verwaltungsreform mit der Schaffung eines eigenen Föderalbezirks für die Region ein.
Damit geht auch eine neue „weiche“ Strategie einher, die durch die Ansiedlung von Wirtschaftsbetrieben, wie z.B. im Tourismus-Sektor, die Region stabilisieren soll. Allerdings muss sich erst zeigen, ob diese neue Strategie tatsächlich zum Erfolg führt oder Russland im Falle eines Nichterfolgs in eine „harte Gangart“ zurückfällt.
Aber nicht nur der Nordkaukasus, auch an den Grenzen Russlands im Südkaukasus und in Aserbeidschan bestehen ungelöste Regionalkonflikte, die jederzeit eskalieren können.
5. Innere und Äußeren Sicherheit, Wirtschaftsbeziehungen und Menschenrechte in Russland
Eine Kernforderung im Rahmen der Inneren Sicherheit der Russischen Föderation ist die umfassende Modernisierung des Regierungsapparates.
Diese Forderung teilen Regierungsvertreter und Vertreter aus den Nicht-Regierungsorganisationen im Grundsatz gleichermaßen. Derzeit muss der Institutionenumbau auf Regierungsebene derzeit noch als unzureichend bezeichnet werden.
Mehrere Gesprächspartner äußerten sich sowohl im Rahmen der Vorbereitung der Moskaureise des Seminars als auch in Moskau selbst zu den Hürden einer Modernisierung des Regierungsapparates. Die Kernrisiken liegen in den Widerständen der Mittelschicht und insbesondere der Beamten begründet, da sie von dem gegenwärtigen System profitieren. Der Staatlichkeit fehlt es an Berechenbarkeit. Das Rechtssystem funktioniert innerhalb von Politik und Macht nur eingeschränkt. Die finanziellen Mittel, die für eine Modernisierung des Regierungsapparates zur Verfügung stehen, erscheinen gering.
Gesellschaftliche Treiber einer Modernisierung des Regierungsapparates finden sich in Bloggern im Internet, die sich teilweise sehr kritisch mit dem Regierungsapparat auseinandersetzen. Derzeit nutzen geschätzte 46 Mio. Russen das Internet. Fünf Mio. davon beteiligen sich regelmäßig, wenn auch noch unorganisiert, an einer kritischen Diskussion zum Regierungsapparat.
Der Modernisierungsdruck erstreckt sich in besonderem Maße auch auf die Streitkräfte der Russischen Föderation. Laut Angaben aus Nicht-Regierungsorganisationen ist ein erster Reformansatz vor 2008 gescheitert. Die Forderungen unterschiedlicher Gesprächspartner in Moskau beziehen sich insbesondere auf eine Modernisierung der Bewaffnung sowie eine moderne Ausbildung der Streitkräfte. Die Verteidigungsindustrie ist, von Ausnahmen abgesehen, nicht ausreichend leistungsfähig. Die trifft insbesondere auf den konventionellen Bereich zu.
Danksagung an Vertretern des russischen Außenministeriums nach deren Vortrag
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik
Als maßgebliches Risiko für die äußere Sicherheit der Russischen Föderation wird in Russland der Regionalkonflikt im Nord-Kaukasus angesehen. Verschiedene strategische Konzepte zur engeren Einbindung dieser Region liegen auf Regierungsebene zwar vor. Die konsistente Umsetzung dieser Strategien steht jedoch noch aus.
Auf Nicht-Regierungsseite wird eine unzureichende eigene russische Identität als Hindernis ausgemacht, Völker im Nord-Kaukasus ausreichend in die Russische Föderation integrieren und die Konflikte vor Ort bewältigen zu können.
Die sonstigen außenpolitischen Entwicklungen wurden von den Gesprächspartnern auf Nicht-Regierungsseite in Moskau nicht als Top-Risiken wahrgenommen. Mit Osteuropa und den USA kommt es nach Jahren der Spannungen partiell zu einer stärkeren Annäherung. Zu China werden die wirtschaftlichen Beziehungen ausgebaut. Die Rüstungsausgaben in China setzen die Russische Föderation allerdings unter Druck, da die eigenen finanziellen Mittel insbesondere zur konventionellen Rüstung begrenzt sind.
In den Gesprächen mit Vertretern der Energiekonzerne wurde herausgestellt, dass Russland weiterhin als verlässlicher Handelspartner Deutschlands im Bereich der Energieversorgung zur Verfügung stehen wird. Deutschland und die EU werden als die wichtigsten Abnehmer fossiler Brennstoffe Russlands angesehen. Die Zukunft der Energieversorgung liegt, so die Annahme des Vertreters GAZPROM, in einem Mix aus fossilen Brennstoffen – insbesondere Erdgas – und erneuerbaren Energien.
Ein weiterer Höhepunkt des Moduls 4 bestand in einem Besuch beim Generalstab der russischen Armee. Hier wurde von der anstehenden Militärreform berichtet. Diese stellt für die Russische Förderation eines der wichtigsten Projekte dar.
Die Militärreform, so die Aussage der Vertreter Russlands, umfasst fünf Ziele und wird erhebliche Anstrengungen erfordern:
- Ständige Verfügbarkeit der Streitkräfte bis 2016
- Straffung von Führungsebenen (u.a. Reduzierung von sechs auf vier Militärbezirke)
- Modernisierung von Ausrüstung und Bewaffnung (30% bis 2016; 70% bis 2020)
- Reformen im Bereich der Ausbildung; Reduzierung und Modernisierung der Ausbildungsstätten
- Verbesserung der sozialen Lage der Soldaten
Einen besonderen Einblick erhielten wir beim Besuch des NATO Information Office. Anzahl der Mitarbeiter und Räumlichkeiten wirken zurückhaltend. Es wurden die bestehenden Aufgaben und Arbeitsabläufe sowie die hohe Bedeutung einer NATO-Repräsentanz in Moskau dargestellt, mit der zu Informationsaustausch und Vertrauensbildung beigetragen wird. Auf die Bedeutung des NATO-Russland-Rates wurde intensiv hingewiesen.
Im Gespräch mit Botschafter Ulrich Brandenburg wurde dem SP 11 ein umfassendes Bild Russlands aufgezeigt. Auf der einen Seite eine Gesellschaft, die nach Beständigkeit, Ruhe und zunehmendem Wohlstand strebt und in der sich eine lebendige Internetkultur entwickelt, auf der anderen Seite eine gleichgeschaltete Fernsehlandschaft und eine Pressefreiheit, die unserem Verständnis nur eingeschränkt entspricht. Besonders positiv wurden die Verteidigungsreform und der Umgang mit der Finanzkrise herausgestellt.
"Abenteuer Metro" in Moskau
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik
In Moskau ansässige Wirtschaftsvertreter und Vertreter von Nicht-Regierungsorganisationen zeigten Chancen und Risiken der russischen Wirtschaftsentwicklung auf.
Insgesamt ist das Investitionsklima gesunken. Korruption stellt für viele Investoren ein Hindernis dar. Der Diversifizierungsgrad der russischen Wirtschaft ist noch zu gering. Die russische Wirtschaftskraft wird maßgeblich vom Export von Erdöl und Erdgas getragen. Die großen Energieunternehmen sind nur unzureichend an einer Veränderung interessiert, da sie mit ihren Geschäftsmodellen aktuell gute Einnahmen verzeichnen. Innovationen erwachsen weder aus den großen Unternehmen noch aus dem Mittelstand heraus, sondern werden wie im Fall des Innovationszentrums Skolkowo von der Regierung aufgesetzt. Es werden nicht genügend Fachkräfte ausgebildet. Viele der gut ausgebildeten Menschen verlassen das Land.
6. Deutsch-chinesische Wirtschaftsbeziehungen
China ist eine rasant wachsende Volkswirtschaft, seit kurzem Exportweltmeister und bekleidet den zweiten Platz auf der BIP-Rangliste. Profiteure sind die Städte Peking, Shanghai und weitere Küstenstädte, was ein Wachsen einer gut ausgebildeten Mittelschicht ermöglicht. In den ländlichen Regionen können zwar Einkommenszuwächse bei der Bevölkerung gemessen werden, dennoch muss eine rasant wachsende Ungleichverteilung und Schere zwischen den Küstenregionen und dem Landesinneren sowie Zentralchina festgestellt werden, was u.a. zu einer latenten sozialen Instabilität führt.
China hat kürzlich den 12. Fünfjahresplan im Volkskongress verabschiedet. Dieser Fünfjahresplan hat einen deutlichen Schwenk vom bisher zweistelligen Wachstum hin zu einer einstelligen Wachstumsrate mit mehr Nachhaltigkeit und einem Fokus auf Umwelt und Soziales.
Deutschland hat die Erfolgsgeschichte Chinas seit vielen Jahrzehnten begleitet. Die deutsche Industrie hat dabei über die Jahrzehnte erheblich in China investiert.
Das Interesse Chinas ist es, in Deutschland technologisches Wissen meist über Joint-Ventures zu erwerben, und den eigenen Export noch weiter zu steigern. Die Investitionen chinesischer Firmen in Deutschland nehmen deutlich zu. Die Deutsch-Chinesische Zusammenarbeit ist in bilateralen Ausschüssen und Arbeitsgruppen innerhalb verschiedenster Kommissionen wie MOFCOM (Ministry of Commerce), NDRC (National Development and Reform Commission) und MITT (Ministry of Industry and Information Technology) etc. institutionalisiert. Die deutschen Interessen sind dabei vor allem die Stärkung exportierender Unternehmen für verbesserte Marktzugänge, Abbau von Handelshemmnissen, Minderung erzwungener Technologietransfers und damit Schutz des geistigen Eigentums. Zur Ausweitung der WTO-Instrumente wird eine stärkere Einbindung Chinas in internationale Prozesse angestrebt.
China stellt für die deutsche Wirtschaft eine Chance dar. Dabei sind vor allem Bereiche zu nennen, wie hochwertige Konsumgüter, der Dienstleistungssektor und Umwelttechnologien. Als Herausforderung aus deutscher Sicht sind Bereiche wie Energie, Rohstoffe, Klima bzw. Umwelt, Vergabepraxis günstiger Exportkredite und ordnungspolitische Themen hervorzuheben.
Im Allgemeinen wird die chinesische Wirtschaft immer selbst- und interessensbewusster, was bei der Gestaltung der deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen beachtet werden muss.
Ministerialdirektor Dr. Christoph Heusgen in der Diskussion mit dem Seminar
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik
7. Rolle Chinas in der globalen Sicherheitsarchitektur
Über die globalen Chancen und Risiken des chinesischen Aufstiegs wird viel Widersprüchliches seitens der Experten berichtet und diskutiert. Beide Seiten ziehen zum Teil plausible Argumente heran. Als beeindruckende Argumente sind vor allem die zu nennen, die das von China ausgehende Risiko differenziert betrachten bzw. den oft vermuteten geostrategischen Risiken widersprechen.
China präsentiert sich nach Außen hin als ein Land, das wieder zu Stärke und Reichtum wie vor 1436 gelangen möchte. In der Erreichung dieser Ziele zeigt es sich pragmatisch und zunehmend selbstbewusst. Generell betont China, dass alle Nationen im Sinne von Frieden, Zusammenarbeit, Win-Win und Toleranz, Hand in Hand den Aufbau harmonisch vorantreiben sollen.
Das Aufstreben Chinas, aber auch der übrigen BRIC-Staaten, führt zunehmend zu einer multipolaren Weltordnung. Ob die Entwicklung der Weltgemeinschaft von Bi- zu Multipolarität zu einer sicheren Weltordnung führt, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend beantwortet werden. Staaten wie China, Brasilien, Indien und Russland werden in Zukunft die Sicherheitspolitik selbstbewusst mitbestimmen.
Chinas Beitrag für Sicherheit und Frieden in der Welt ist beachtlich. Die Beteiligung bei der Pirateriebekämpfung, an UN-Friedensmissionen und Vermittlung beim Lösen von internationalen Brennpunkten sind durchaus nennenswert.
Einen möglichen Widerspruch zur Harmonie stellen die jüngsten Entwicklungsbemühungen militärischer Fähigkeiten wie beispielsweise die ballistische Bombe zum Bekämpfen von Flugzeugträgern und der Tarnkappenbomber dar. Allerdings sind die zunehmenden Rüstungsausgaben Chinas gegenüber den Rüstungsausgaben der USA gering, wenn sie ins Verhältnis der Bevölkerungszahlen gesetzt werden.
8. Deutschland und eine neue Weltordnung
Zum Abschluss des Moduls 4 beschäftigte sich das Seminar mit der Frage der neuen Weltordnung und der Rolle Deutschlands. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die neue Weltordnung von der Überlappung innen- und außenpolitischer Fragestellungen geprägt ist. Die Vernetzung aller sicherheitspolitischen Bereiche wird immer wichtiger. Ein territorialer Fokus reicht in einer globalisierten Welt nicht mehr aus. Die klassischen Machtinstrumente verlieren an Bedeutung. Internationale Institutionen wie die Vereinten Nationen oder die NATO werden in Teilen dupliziert. Zunehmend beteiligen sich nicht-staatliche Akteure am Diskurs und fordern eine demokratische Legitimierung von Maßnahmen zur Sicherung Deutschlands.
Die Forderungen der Demonstranten in Nordafrika lassen vermuten, dass die Attraktivität westlicher Ordnungsvorstellungen zunimmt. Die Europäische Union ist grundsätzlich ein positives Modell, auch wenn Abstimmungsprozesse teils sehr aufwändig verlaufen und die Souveränität der Mitgliedstaaten in weiten Teilen erhalten bleibt. Ein Bedeutungsverlust der EU im internationalen Ordnungsrahmen kann insbesondere dort nicht gesehen werden, wo internationale staatliche und wirtschaftliche Akteure von EU-Regelungen tangiert sind. Als Fazit kann gezogen werden, dass in der neuen Weltordnung „Soft Power“ wieder an Bedeutung gewinnt.
Zum Abschluss des Moduls hatten die Seminarteilnehmer die Möglichkeit, aktuelle sicherheitspolitische Fragestellungen mit Dr. Heusgen aus dem Bundeskanzleramt zu diskutieren. Die Diskussion umfasste Themen wie die Europäische Union, die Moskaureise des Seminars oder die aktuelle Lage in Nordafrika. Das Gespräch ermöglichte die Zusammenführung unterschiedlicher Erkenntnisse aus den vorangegangenen Modulen und insbesondere die Fokussierung auf eine deutsche Betrachtungsebene.
Fazit: In Modul 4 zeigte sich deutlich, dass sich im 21. Jahrhundert die Kräfte noch weiter in Richtung des pazifischen Raumes verschieben werden. Wollen Deutschland und Europa in einer zukünftigen multipolaren Weltordnung weiterhin eine bedeutende Rolle spielen, dürfen sie nicht zum Zuschauer auf dem globalen Parkett werden.
Autor: Arbeitsgruppe "Südamerika" des Seminars für Sicherheitspolitik 2011