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Zusammenfassung des Moduls 7: Umgang mit Krisen.

Freitag, 8. Juni 2012

Nach den wichtigen Impulsen des sechsten Moduls und den Eindrücken der Studienreise nach Kairo beschäftigte sich das SP12 vom 14. Mai bis 8. Juni im Modul 7 mit den Einsatz- und Erfolgskriterien des außenpolitischen Engagements Deutschlands, insbesondere im Rahmen von NATO und EU. Den Höhepunkt dieses Moduls bildete die Feldstudie in Israel, den palästinensischen Autonomiegebieten und Jordanien.

Landschaftsaufnahme im Grenzgebiet von Palästina und Israel. In der Bildmitte ist eine Mauer, ein technical fence, zu sehen.

Auf dem Weg in die besetzten Gebiete. Der sogenannte "technical fence" durchschneidet das Gelände an vielen Stellen
Quelle: Johannes Strümpfel, Teilnehmer am SP 12

Zielsetzung des Moduls 7 war es u.a., zu analysieren, welche Voraussetzungen für erfolgversprechende Kriseneinsätze vorliegen müssen, bzw. welche Ziele und Erfolgskriterien für deutsche Einsätze in Krisenregionen gelten sollten. Im Rahmen des Moduls wurden zudem verschiedene Instrumente sowie die Rolle und der Beitrag wichtiger multilateraler Organisationen - wie VN, NATO, EU - einerseits, staatlicher und nichtstaatlicher Akteure andererseits, bewertet. Dabei wurde auch überprüft, ob und inwieweit die beteiligten Akteure kohärent planen und handeln.

Bereits in der ersten Modulwoche wurde deutlich, dass nach aktuellen Erfahrungen Krisenengagements nur dann nachhaltige Wirkung entfalten können, wenn diese mit Akzeptanz der Konfliktparteien erfolgen. Im Umkehrschluss gilt, dass selbst langfristige Einsätze keine Erfolgsgarantie bieten können, wenn die genannten Voraussetzungen nicht vorliegen. Nach eingehender abstrakter Beleuchtung der Ursachen für die Entstehung von Konflikten und der Frage, warum Staaten nach Massenvernichtungswaffen streben, wurde die Rolle Deutschlands als international agierender sicherheitspolitischer Akteur betrachtet.

In den letzten 20 Jahren hat sich die Bundesrepublik Deutschland zunehmend mit militärischen und zivilen Sicherheitskräften in Krisenlagen sicherheitspolitisch engagiert. Als Beispiele seien Afghanistan, der Schutz der Seewege am Horn von Afrika (Operation Atalanta), die Marinemission vor der Küste des Libanon sowie die Einsätze auf dem Balkan genannt. Außen- und sicherheitspolitisches Engagement Deutschlands ist bei internationalen Krisenlagen auch künftig zu erwarten.

Krisen haben meist mehrdimensionale Ursachen. Zu ihrer Bewältigung wird daher in der Regel auch ein mehrdimensionales Set an Instrumenten und Akteuren benötigt, die vernetzt und koordiniert agieren. Seit dem Ende des Kalten Krieges ist die Zahl der sogenannten Kriseneinsätze gestiegen, das weltweite Engagement hat sich deutlich intensiviert. In differenzierten Szenarien agieren hierbei unter anderem UN, NATO und EU in unterschiedlichen Konstellationen. Nichtmilitärische Instrumente zur Krisenprävention und nicht-gewaltsame Konfliktmoderation bzw. -lösung haben an Bedeutung gewonnen. Neben militärischen Kräften sind Polizei, Experten aus Justiz, Verwaltung und Wirtschaft sowie - mit herausragender Bedeutung - Nichtregierungsorganisationen (NRO) als die wesentlichen Akteure zu benennen. Die konkrete Ausgestaltung ihrer Vernetzung in der Konfliktprävention, in der Phase einer Eskalation, einem bewaffneten Konflikt und der Friedenskonsolidierung kann allerdings variieren. Die Spanne reicht von der Beschränkung auf Informationsaustausch über die Koordination und Kooperation der Akteure bis hin zu integriertem Handeln. Zu fordern ist daher nicht die maximale, sondern die optimale Intensität der Vernetzung. Hierbei bleibt zu beachten, dass mit der steigenden Zahl von Akteuren die Kosten der Vernetzung zunehmen. Unter anderem sind erhöhter Koordinationsaufwand, unterschiedliche Mandate, Zeithorizonte sowie Vorbehalte und Arbeitskulturen der Beteiligten verantwortlich. In den Seminarvorträgen wurden die aktuellen Grenzen der Vernetzbarkeit am Beispiel des Roten Kreuzes und der NRO „Medicins sans Frontières“ sichtbar: Diese lehnen unter Verweis auf ihre Überparteilichkeit und Unabhängigkeit eine zu enge Ein- und Anbindung in ein überwiegend staatlich getragenes System der vernetzten Sicherheit ab.

In Vorbereitung auf die Nahostreise wurde dem Seminar darüber hinaus die komplizierte völkerrechtliche Situation in Israel und den besetzten Gebieten nachdrücklich vor Augen geführt.

Während der Feldstudienreise nach Israel, in die palästinensischen Autonomiegebieten und Jordanien wurde neben der Betrachtung von Konfliktursachen vor allem untersucht, wie verschiedene Akteure wie UN, EU, einzelne Nationalstaaten und NROs in Anbetracht zwischenstaatlicher und innerstaatlicher Konflikte agieren und zur Krisenbewältigung und Konflikttransformation beitragen können. Am Beispiel dieses bereits mehr als sechzig Jahre dauernden Regionalkonfliktes wurde deutlich, dass sicherheitspolitische Interessen einerseits und Völkerrecht andererseits häufig nicht harmonieren, sondern konkurrieren.

Ein orthodoxer Jude am Grab von Rahel, welches durch eine Mauer von der palästinensischen Stadt Bethlehem getrennt wird

Ein orthodoxer Jude am Grab von Rahel, welches durch die Mauer von der palästinensischen Stadt Bethlehem getrennt wird
Quelle: Christian Engel, Teilnehmer am SP 12

Die zahlreichen Begegnungen mit Vertretern israelischer und palästinensischer NROs zeigten, wie wertvoll deren Arbeit in Zeiten der politischen Stagnation sein kann. Zivilgesellschaftliche Initiativen können hier einen Ausgleich schaffen, um den nach wie vor bestehenden Konflikt nicht erneut eskalieren zu lassen. Darüber hinaus können diese Organisationen die zivilgesellschaftliche Basis verbreitern, die eine politisch vereinbarte Lösung erst dauerhaft macht, indem sie Akzeptanz für einen gefundenen Kompromiss in der Gesellschaft schafft oder verstärkt. Hierbei können auch Themen, die nicht unmittelbar mit dem Ursprungskonflikt verbunden sind, wie etwa das Thema „Wasser“ brückenbildend wirken. Eindrucksvolle Beispiele waren hier der Besuch der Kläranlage in Nablus, ein Projekt der deutsch-palästinensischen Entwicklungszusammenarbeit zur Verbesserung der Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung, von dem Israel indirekt profitiert, da das Abwasser aus Hebron und Nablus auch das Wasser in Israel belastet. Ebenso berichtete der israelische Direktor von EcoPeace / Friends of the Earth Middle East über die Bemühungen jordanischer, israelischer und palästinensischer Umweltaktivisten, die Auswirkungen des Austrocknens des Toten Meeres auf kommunaler Ebene zu thematisieren und gemeinsam Ausgleichsmaßnahmen zu finden. Weitere eindrucksvolle zivile Projekte wurden u.a. von der „Society of St. Yves / Catholic Center for Human Rights“, die Rechts- und Prozessberatung für Palästinenser anbietet sowie vom Gründer und Direktor von „Breaking the Silence“ vorgestellt. Dies ist ein Zusammenschluss ehemaliger Soldaten in Kampfeinsätzen während der zweiten Intifada, die sich zum Ziel gesetzt hat, die israelische Öffentlichkeit über das alltägliche Leben der Palästinenser unter der israelischen Besatzung zu informieren.

Landschaftsaufnahme der Golan Hochebene, im Hintergrund ist der Berg Hermon zu sehen.

Während der Feldstudie wurde auch der Golan besucht. Ein Blick über die Hochebene mit dem Berg Hermon am Horizont. Diese Hochebene wurde im sechs Tage Krieg zwischen Israel und Syrien schwer umkämpft. Noch heute über 50 Jahre nach dem Konflikt trennt die UN die beiden Kriegsparteien.
Quelle: Johannes Strümpfel, Teilnehmer am SP 12

Allerdings wurde während der Reise in die Nahostregion auch deutlich, dass es für die Außenbetrachtung wichtig ist, die politischen Konfliktlinien nicht nur durch „eine Brille“, in dem Fall des israelisch-palästinensischen Konflikts, zu betrachten. In Israel sind innenpolitische Themen, wie eine größere Wehrpflichtgerechtigkeit, soziale Ungleichheit sowie Migration aus Afrika, ebenfalls Prioritäten, die die politische Agenda bestimmen. Hinzu kommen externe Faktoren wie das iranische Nuklearprogramm.

Ähnliches wurde in Jordanien deutlich, wo die bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen im Nachbarland Syrien zu einem erheblichen Flüchtlingsstrom in das ohnehin unter Wasserknappheit leidende und mit ökonomischen Problemen belastete Land führen.

Landschaftsaufnahme von Amman, der Hauptstadt von Jordanien.

Beim letzten Abschnitt der Feldstudie wurde Amman die Hauptstadt von Jordanien besucht.
Quelle: Johannes Strümpfel, Teilnehmer am SP 12

Beim Besuch des SP12 der Holocaust Gedänkstätte Jad Vashem wurde ein Kranz durch den Präsidenten der BAKS und eine Abordnung des SP 12 niedergelegt und im Stillen der Opfer gedacht.

Beim Besuch des SP12 der Holocaust Gedänkstätte Jad Vashem wurde ein Kranz durch den Präsidenten der BAKS und eine Abordnung des SP 12 niedergelegt und im Stillen der Opfer gedacht.
Quelle: Christian Engel, Teilnehmer am SP 12

In AMMAN hatte das Seminar Gelegenheit, bei einem Besuch im Verteidigungsministerium mit seiner Königlichen Hoheit, General Prinz Feisal bin Al Hussein, Militärberater des Königs, zusammenzutreffen und sich zu militärpolitischen Themen der Region und zu Angelegenheiten der jordanischen Streitkräfte auszutauschen. Einen Höhepunkt stellte zudem die Begegnung mit dem jordanischen Außenminister Nasser Judeh dar, der persönlich die Gelegenheit wahrnahm, mit dem Seminar über die Grundlinien der jordanischen Außen- und Sicherheitspolitik zu sprechen.

Sowohl die Nahost-Feldstudie als auch die Gespräche mit dem israelischen Botschafter und dem Generaldelegierten Palästinas in Deutschland in Berlin führten die Konfliktfelder in all ihrer Komplexität deutlich vor Augen. Es wurde klar, dass einfache und schnelle Lösungen nicht zu erwarten sind. Im Gegenteil scheint die Aufrechterhaltung des für alle Beteiligten unbefriedigenden Status Quo bereits Kraft, Geduld und in gewissem Maß Gelassenheit zu erfordern, um eine gewaltsame Eskalation zu verhindern.

Autor: Arbeitsgruppe "Nordamerika" des Seminars für Sicherheitspolitik