Aktuelles

Manfred Wörner-Rede und „Aktuell 2010“

Dienstag, 21. September 2010

Parlamentarischer Staatssekretär Christian Schmidt, MdB hält die Manfred-Wörner-Rede
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik

Manfred-Wörner-Rede 2010
„Sicherheitspolitische Interessen Deutschlands – Bundeswehr im Wandel“ – dies war die Überschrift über der diesjährigen Manfred-Wörner-Rede, einer Vortragsveranstaltung, die der Freundeskreis der Bundesakademie für Sicherheitspolitik e.V. alle zwei Jahre ausrichtet. Als Festredner war der Bundesminister der Verteidigung, Freiherr zu Guttenberg, vorgesehen, der jedoch kurzfristig anderweitig gebunden war. An seiner Stelle sprach der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung, Christian Schmidt, MdB vor einem interessierten Publikum von rund 230 Mitgliedern des Freundeskreises und geladenen Gästen. Er erläuterte u.a. die Grundzüge der geplanten Strukturreform der Bundeswehr im Kontext der sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands. Ausgehend von der Komplexität und Volatilität aktueller Gefahren und Risiken legte Staatssekretär Schmidt dar, dass die Neuausrichtung der Bundeswehr eine sicherheitspolitische Notwendigkeit sei, die in realistischen Einklang mit den finanziellen Möglichkeiten gebracht werden müsse. Die konzeptionelle Dreiteilung der Streitkräfte in Eingreif-, Stabilisierungs- und Unterstützungskräfte sei nicht zu halten. Dies zeige vor allem der Afghanistan-Einsatz: Der Begriff „Stabilisierungseinsatz“ passe hier offensichtlich nicht mehr. Notwendig sei vielmehr ein breites Fähigkeitsspektrum mit einem höheren Maß an Durchlässigkeit der einzelnen Operationen. Die Zahl von 163.500 Soldaten, die derzeit als Zielgröße für die Bundeswehr diskutiert werde, sei ein sicherheitspolitisches Minimum, das die Wahrnehmung der internationalen Verantwortung Deutschlands im Bündnis sicherstellt. Im November werde die NATO in Lissabon ein neues Strategisches Konzept beschließen. Wichtige Themen seien dabei u.a. die Rolle der NATO als Stabilisator, zu der neben der Nuklearkomponente in der strategischen Struktur, die Zusammenarbeit unter den Bündnispartnern und mit der EU, als auch die Einbeziehung eines zivilen Elementes in der NATO gehört. Hierzu müsse sich die Bundeswehr positionieren und die richtigen strategischen Entscheidungen für die Zukunft treffen, so Staatssekretär Schmidt in seinen Ausführungen.

Von besonderer Bedeutung – auch in den Einsätzen – sei der ressortübergreifende Ansatz, wie er vor allem von der Bundesakademie für Sicherheitspolitik gefördert werde. Es bestehe die Absicht, eine Ergänzung des Weißbuchs 2006 als Leitlinie für notwendige Synergien auf den Weg zu bringen. Auch auf europäischer Ebene sei eine stärkere gemeinsame Ausrichtung und arbeitsteilige Zusammenarbeit mit den Partnern notwendig.
Insgesamt bleibe festzuhalten, dass insbesondere durch die aktuelle Diskussion über die Bundeswehrstrukturreform das Interesse in der Bevölkerung an deutscher Sicherheitspolitik wieder einen höheren Stellenwert erhalten habe.

Im Anschluss an die Manfred-Wörner-Rede führte der Freundeskreis seine jährliche Mitgliederversammlung durch. Der zur Wahl anstehende Vorstand des Freundeskreises mit General a.D. Rainer Schuwirth an der Spitze wurde im Amt bestätigt. Wir gratulieren dem neuen und alten Vorstand zur Wiederwahl!

Lebhafte Unterhaltung unter den Seminarteilnehmern beim gemütlichen Teil am Abend
Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik

„Aktuell 2010“
Die Veranstaltung „Aktuell“ zum Thema „Russland als europäische Macht – Zwischen Realität und Wunschvorstellung“ startete mit einem Impuls durch einen Mitarbeiter der russischen Botschaft in Berlin: Alexander Zinovenko ist Erster Sekretär in der Politischen Abteilung der russischen Botschaft in Berlin und war davor Mitarbeiter in der Ständigen Vertretung Russlands bei den Internationalen Organisationen in Wien.
Seine Kernbotschaften waren:

  • Leitlinie der russischen Außenpolitik sei die unteilbare, gleiche Freiheit für alle. Die Sicherheit des Einen dürfe die Sicherheit des Anderen nicht infrage stellen.
  • Russland betrachte die NATO nicht als Gegner, sondern suche Partnerschaft.
  • Der OSZE und dem Korfu-Prozess komme eine wichtige Rolle in der Diskussion über eine neue europäische Sicherheitsarchitektur zu. 
  • Die strategische Partnerschaft zu Deutschland könne als Modell für die Partnerschaft mit anderen europäischen Staaten gelten.

Mit einer Keynote von Dr. Rudolf Adam, Gesandter der Deutschen Botschaft in der Russischen Föderation, Moskau begann der zweite Tag von „Aktuell“. Nach seiner Rede standen er und drei weitere Diskutanten den zahlreichen Fragen der Teilnehmer zur Verfügung. Die zentrale Frage nach der Berechenbarkeit Russlands als Partner wurde aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Beteiligt waren:

  • Botschafter Heiner Horsten, Ständiger Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei der OSZE, Wien
  • Brigadegeneral Hans-Werner Wiermann, Stellvertretender Stabsabteilungsleiter im Führungsstab der Streitkräfte III, Bundesministerium der Verteidigung, Berlin
  • Dr. Reinhard Krumm, Leiter des Landesbüros der Friedrich-Ebert-Stiftung in der Russischen Föderation, Moskau

Aus den Beiträgen und der anschließenden Diskussion lassen sich folgende Schlussfolgerungen ableiten:
Europa darf Russland mit seinen Erwartungen nicht überfordern. Marktwirtschaft und Demokratie sind nicht selbstverständlich und naturgegeben. Der Staat hat historisch in Russland immer eine andere Rolle gespielt als in den EU-Staaten. Russland wird seinen eigenen Weg in die Zukunft finden müssen. Dies wird sich nicht kurzfristig, sondern in einem Zeitraum von Dekaden vollziehen.

Europa muss ein vitales Interesse daran haben, dass Russland ein gefestigter Staat bleibt. Eine europäische Sicherheitsarchitektur ohne Russland ist undenkbar. Der Dialog über Sicherheit sollte jedoch nicht auf den militärischen Bereich begrenzt werden, sondern im erweiterten Sinne stattfinden, da die Bedeutung der „harten“ Sicherheit stetig zurückgeht und in der Zukunft von der Softpower überlagert werden wird. Daher ist die OSZE mit ihren drei Dimensionen grundsätzlich als Plattform für diesen Dialog geeignet, wie er mit dem Korfu-Prozess aufgenommen wurde.

Zwischen Deutschland und Russland besteht eine besondere Partnerschaft. Diese Rolle sollte Deutschland nutzen, um die Schnittmenge der Gemeinsamkeiten mit Russland – auch im Verhältnis zu anderen europäischen Partnern – langsam wachsen zu lassen.

Autoren: Ursula Blanke und Manfred Bohr