Arbeitspapiere

Quo Vadis APSA? Die Zukunft der Afrikanischen Friedens- und Sicherheitsarchitektur

25/2018
Das Jahr 2017 war ein besonderes Jahr für die deutsche Afrikapolitik. Der afrikanische Kontinent stand mehr als einmal im Mittelpunkt der politischen Aufmerksamkeit und die Bundesregierung startete zahlreiche wichtige Initiativen. Als Vorsitzende der G20-Gruppe lud Deutschland zahlreiche afrika­nische Staats- und Regierungschefs zum Gipfeltreffen in Hamburg ein. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte hoben die G20-Staaten Afrika als regionalen Schwerpunkt hervor und gingen in diesem Zusammenhang eine neue politische Partnerschaft mit Afrika ein. Der Marshallplan mit Afrika, der Anfang 2017 vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vorge­legt wurde, zielt auf einen Paradigmenwechsel in der Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern ab. Der Fokus soll hierbei auf den Menschen und der Erleichterung von Direktinvestitionen liegen. Daher scheint Afrika auf der politischen Agenda an Bedeutung zu gewinnen. Das wirft einige Fragen auf: Wo stehen wir derzeit in Bezug auf Frieden und Sicherheit – zwei äußerst wichtige Faktoren mit Blick auf Entwicklung und Wirtschaftswachstum – auf dem afrikanischen Kontinent? Ist die Afrikanische Friedens- und Sicherheitsarchitektur (African Peace and Security Architecture, APSA) auf die gegen­wärtigen und zukünftigen sicherheitspolitischen Herausforderungen vorbereitet? Und weshalb sollte sich Deutschland auch weiterhin für die APSA interessieren, abgesehen von der Aufmerksamkeit, die einige Beobachter als den neuen „Hype“ um Afrika bezeichnen?

Der jüngste Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Entwicklungsminister Gerd Müller in verschiedenen afrikanischen Ländern im August 2018 zeigt, dass der Kontinent auch weiterhin eine wichtige Rolle in der Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik der deutschen Regierung spielt. Tatsächlich spiegeln diese Besuche eines Kontinents, der sich aus 54 Ländern mit unterschiedlichen Herausforderungen auf der einen Seite und zahlreichen Möglichkeiten auf der anderen Seite zusammensetzt, das wachsende Interesse an Afrika wider. Vielleicht noch wichtiger ist, dass derartige Besuche eine sich ändernde Haltung signalisieren, die sich dadurch auszeichnet, dass nicht mehr nur über Afrika gesprochen wird, sondern gezielt mit Afrika als einem gleichberechtigten Partner.

Während die Migration nach Europa weiterhin die treibende Kraft in der Zusammenarbeit mit verschiedenen afrikanischen Ländern zu sein scheint, sind wirtschaftliche Entwicklung und Verbesserung von Geschäftsbedingungen zu Hauptmerkmalen deutscher Afrikapolitik geworden. Private Investitionen und bessere Handelsbeziehungen zwischen afrikanischen Ländern und der Europäischen Union können das Wirtschaftswachstum ankurbeln und den Arbeitsmarkt beleben. Gleichzeitig kann die Entwicklungszusammenarbeit dazu beitragen, ein unternehmensfreundliches Umfeld zu fördern. Die Schaffung von beruflichen Perspektiven für die junge Generation ist entscheidend für die Eindämmung der Migration und den Erhalt des dringend benötigten innovativen und intellektuellen Potenzials in den afrikanischen Ländern. Dementsprechend bleibt auch die Verbesserung der Sicherheit eine wichtige Säule der deutschen Unterstützung sowohl auf bilateraler Ebene als auch durch die regionalen Wirtschaftsgemeinschaften (Regional Economic Communities, RECs) wie zum Beispiel die Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (Economic Community of West African States, ECOWAS). Im Hinblick auf die Sicherheitskooperation ist die Afrikanische Union (AU) einer der wichtigsten Partner Deutschlands auf dem Kontinent. Die Afrikanische Friedens- und Sicherheitsarchitektur (APSA) der AU ist das afrikanische Rahmenkonzept für Krisenbewältigung, Konfliktlösung und Friedenssicherung. Dennoch stellt sich die Frage, inwieweit die APSA und die von Deutschland zur Verfügung gestellte Unterstützung angemessen aufgestellt sind, um auf gegenwärtige und zukünftige Bedrohungen auf dem afrikanischen Kontinent zu reagieren, insbesondere mit Blick auf Konfliktlösung und Präventionsmaßnahmen.

Die Entwicklung einer Afrikanischen Friedens- und Sicherheitsarchitektur

Die afrikanischen Länder haben seit dem Ende des Kalten Krieges große Fortschritte in der Verringerung der Anzahl gewaltsamer Konflikte gemacht, abgesehen von einem leichten Zuwachs in jüngerer Zeit. Gleichzeitig hat sich jedoch die Art der Sicherheitsbedrohungen in den letzten Jahren grundlegend geändert. Dies zeigt sich unter anderem an einem steigenden Maß an Protesten der Bevölkerung und Unruhen in ganz Afrika. Darüber hinaus sind grenzüberschreitender, insbesondere islamistischer Terrorismus sowie organisierte Kriminalität wachsende Bedrohungen – vor allem in Nordafrika, in der gesamten Sahelzone und am Horn von Afrika. Aus verschiedenen Formen von Missständen und Frustrationen sind gewaltsame Konflikte und Krisen hervorgegangen, insbesondere getrieben durch unbefriedigte sozioökonomische Bedürfnisse, negative Auswirkungen des Klimawandels und Bevölkerungswachstum. Doch in der heutigen global vernetzten Welt gibt es keine „afrikanischen Probleme“. Europa und Deutschland sind sich spätestens seit der Migrationskrise im Jahr 2015 bewusst, dass sich „Probleme“ auf dem afrikanischen Kontinent leicht in große Herausforderungen im eigenen Land verwandeln und unmittelbare Auswirkungen auf das Leben in der EU haben können. Dementsprechend besteht eine starke, langfristige Verbindung zwischen den beiden Kontinenten.

Auf aktuelle Sicherheitsherausforderungen zu reagieren, ist jedoch angesichts ihrer Komplexität und der zugrundeliegenden Dynamik, die zu einem sich schnell verändernden Sicherheitsumfeld führen, keine leichte Aufgabe. Die Afrikanische Friedens- und Sicherheitsarchitektur wurde 2004 unter dem Dach der Afrikanischen Union aufgestellt. Als zentraler Rahmen umfasst sie eine Reihe von Institutionen, Gesetzen und Mechanismen, die zur Konfliktlösung und Stabilisierung beitragen, um eine friedliche und nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen. Zehn regionale Organisationen wie die Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS), die Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (Southern African Development Community, SADC) und die Wirtschaftsgemeinschaft Zentralafrikanischer Staaten (Economic Community of Central African States, ECCAS) spielen durch die Bereitstellung von Ressourcen, Personal und Fachwissen eine entscheidende Rolle in der APSA. Trotz Rückschlägen in einigen Teilen des Kontinents haben die AU und regionale Organisationen seit der Gründung der APSA mit Friedenssicherungseinsätzen, Wahlbeobachtermissionen und der Vermittlung in Konflikten erhebliche Fortschritte im Hinblick auf Frieden und Sicherheit gemacht. Insgesamt haben sich die afrikanischen Fähigkeiten auf dem Gebiet der Konfliktverhütung, -bewältigung und -lösung beträchtlich weiterentwickelt. Viele von der AU oder von RECs durchgeführte Interventionen waren erfolgreich oder zumindest teilweise erfolgreich und haben entweder zu einer Verhinderung oder einer Deeskalation von Konflikten geführt. Dennoch gibt es auch fast 15 Jahre nach der Aufstellung der APSA noch einige große Herausforderungen und Unzulänglichkeiten in Bezug auf deren Instrumente.

Die Afrikanische Eingreiftruppe – Wachsende Unsicherheit am Horizont

Das bekannteste Instrument der APSA neben Mediation, vorbeugender Diplomatie und Frühwarnung ist die Afrikanische Eingreiftruppe (African Standby Force, ASF). Zusammen mit den fünf größten regionalen Wirtschaftsgemeinschaften des Kontinents rief die AU die Bereitschaftstruppe vor mehr als zehn Jahren ins Leben. Mit Vermittlungsmaßnahmen und friedenserhaltenden Einsätzen, wie der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (African Union Mission in Somalia, AMISOM) und dem Hybriden Einsatz der Afrikanischen Union und der Vereinten Nationen in Darfur (United Nations-African Union Hybrid Mission in Darfur, UNAMID), arbeitet die AU daran, auf dem Kontinent Frieden zu schaffen. Und obwohl die AU und regionale Organisationen in einigen Gebieten erfolgreich zur Lösung von Konflikten und zur Herstellung von Frieden beigetragen haben (beispielsweise durch ihre Mediationsbemühungen in Gam­bia 2016 unter der Führung der ECOWAS), ist die Zukunft der APSA und besonders der ASF unsicherer denn je – aus mindestens zwei Gründen.

Die erste Herausforderung ergibt sich aus der begrenzten Verfügbarkeit von Ressourcen, da die ASF auf die Beiträge ihrer RECs angewiesen ist. Mängel in der Verwaltung, Logistik und finanziellen Nachhaltig­keit beeinträchtigen insbesondere die Erreichung der vollen Einsatzfähigkeit, Bereitschaft und Autono­mie. Im Gegensatz zu den militärischen und polizeilichen Anteilen ist der zivile Anteil bei der Bereitstellung von Fachkräften für friedenserhaltende Einsätze trotz beachtlicher Bemühungen der Afrikanischen Union und der RECs noch immer unterentwickelt. Es stehen nicht genügend angemessen qualifizierte und ausgebildete Fachleute für den Einsatz zur Verfügung. Außerdem sind in Bezug auf die Geschwindigkeit, mit der qualifiziertes Personal zugeteilt wird, enorme Unterschiede auf dem Kontinent zu beobachten. Die AU hat versucht, das Verfahren zu koordinieren, hat jedoch nur begrenzten Einfluss, da die RECs diesbezüglich ein hohes Maß an Freiheit genießen.

Die Ausbildung und Teilnahme von Frauen an friedenserhaltenden Einsätzen ist ein weiterer entschei­dender Bereich, der noch mehr politische Aufmerksamkeit verdient und auf der operativen Ebene durch­gesetzt werden sollte. Frauen spielen zweifelsohne eine entscheidende Rolle in der Förderung einer friedlichen Entwicklung. Daher wird ein weitaus größerer Aufwand erforderlich sein, um die entspre­chende VN-Resolution 1325 erfolgreich umzusetzen. Ferner setzt die Abstützung auf zugesagte Trup­penkontingente der RECs und ihre Abhängigkeit von ihren Mitgliedsstaaten die ASF zusätzlich unter Druck. Der Fokus der institutionellen Sicherheitsstrukturen scheint sich bereits von der ASF zu anderen Sicherheitsmechanismen zu verlagern. Gleichzeitig bleibt die Bedeutung von VN-Einsätzen unverändert. Aufgrund ihres Kostenerstattungssystems decken diese Einsätze beträchtliche Teile der Verteidigungs­budgets der truppenstellenden afrikanischen Länder. Vor diesem Hintergrund und angesichts derzeitiger Ressourcenknappheit ist es unwahrscheinlich, dass die truppenstellenden Staaten ihr militärisches Personal von den finanziell lukrativen VN-Einsätzen abziehen und stattdessen die ASF unterstützen.

Die zweite wesentliche Herausforderung für die ASF ergibt sich aus der Entwicklung neuer und teil­weise konkurrierender Ad-hoc-Sicherheitsvereinbarungen außerhalb des APSA-Rahmens. Tatsächlich lassen jüngste Entwicklungen auf dem Kontinent Zweifel aufkommen, ob die ASF überhaupt ein geeig­netes Instrument oder Konzept zum Eingreifen bei künftigen Konflikten darstellt. Ihre Stärke liegt in dem mehrdimensionalen Ansatz, der gezielt militärische, polizeiliche und zivile Anteile verbindet. Es hat jedoch den Anschein, dass einige afrikanische Länder Mechanismen bevorzugen, die in erster Linie ihren eigenen nationalen Interessen dienen und eine schnellere Reaktion ermöglichen. Ad-hoc-Koalitionen wie die zur Bekämpfung der Lord’s Resistance Army (LRA) in Uganda oder die Multinational Joint Task Force (MNJTF) unter nigerianischer Führung in der Tschadsee-Region erweisen sich als in militärischer Hinsicht viel effektiver als andere Einsätze auf dem Kontinent und haben auch zu schnellen Erfolgen geführt. Die politische Aufmerksamkeit und die begrenzten finanziellen Mittel konzentrieren sich zudem auf die G5 Sahel, zum Beispiel im Kampf gegen den Terrorismus und gegen die organisierte Kriminalität in der Sahelzone. Das wirft die Frage auf, ob sich rein militärische Lösungen zur bevorzugten Methode für die Erreichung scheinbar schneller Konfliktlösungen entwickeln und so im Wesentlichen die ASF mit ihrem mehrdimensionalen und bewusst zivilen Charakter ersetzen.

Dies ist jedoch nicht das einzige Problem, welches aufgrund der konkurrierenden Strukturen entstanden ist. Regionale Organisationen mit einem klaren Sicherheitsmandat, wie die G5 Sahel und die Ad-hoc-Koalitionen, haben ebenfalls Koordinierungsprobleme hervorgerufen. Die Überschneidungen bei den Mitgliedschaften einiger Länder, die Mandate regionaler Organisationen sowie die schwache Koordinierungsarbeit der AU bleiben problematisch. Obwohl effektivere Koordinierungsmaßnahmen auf regionaler Ebene über die nationale Ebene bis hin zur AU-Ebene und dem entsprechenden Entscheidungsgremium, dem Friedens- und Sicherheitsrat (Peace and Security Council, PSC), erforderlich wären, fehlte bisher der politische Wille, die verfügbaren Kapazitäten auszuschöpfen. Die Differenzen zwischen den AU-Mitgliedsstaaten hinsichtlich ihrer Positionierung bei gewaltsamen Konflikten sind weitgehend von nationalen und regionalen politischen Interessen bestimmt. Obwohl die APSA als eine Plattform für einen kontinentübergreifenden Ansatz zur Konfliktlösung aufgestellt wurde, zeigen aktuelle Entwicklungen eher die Bevorzugung nationaler oder regionaler Lösungen, wodurch die AU teilweise auf die Ersatzbank verbannt und die Wirksamkeit der APSA und ihrer Instrumente untergraben wird.

Es bleibt die Frage, inwiefern die APSA als ein Forum zur Überbrückung der Diskrepanzen zwischen heterogenen nationalen Interessen genutzt werden kann. Nigeria, Südafrika oder (künftig) Äthiopien könnten als mächtigste Länder des Kontinents Schlüsselrollen übernehmen. Sie sehen sich jedoch mit verschiedenen internen Konflikten und vielfältigen politischen Herausforderungen konfrontiert, die ihren Handlungsspielraum hinsichtlich eines Beitrags zu Frieden und Sicherheit auf dem Kontinent einschränken. Darüber hinaus bestehen berechtigte Zweifel daran, ob und in welchem Umfang alle anderen Länder ihre Führungsrolle akzeptieren würden. Angesichts dieser schwierigen Umstände und als Voraussetzung für gemeinsames Handeln und die angemessene Nutzung der verschiedenen Instrumente wäre ein erster wesentlicher Schritt die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses der Sicherheitsbedrohungen. Die AU könnte den erforderlichen Rahmen und die Plattform für diese entscheidende Diskussion bieten.

Die Zukunft der APSA und die Rolle Deutschlands

Trotz ihrer Unzulänglichkeiten und des Drucks, der auf der Afrikanischen Union lastet, bleibt die APSA für Frieden und Sicherheit in Afrika unverzichtbar. Ungeachtet der enormen Anstrengungen zur Erreichung größerer Unabhängigkeit durch die Einführung einer kontinentweiten Gebühr zur Finanzierung der APSA werden die AU und die APSA auch weiterhin auf externe Unterstützung angewiesen bleiben. Deutschland sollte für die AU auch in Zukunft ein verlässlicher Partner bleiben und die Entwicklung der militärischen, polizeilichen und zivilen Kapazitäten für die ASF unterstützen. Gleichzeitig sollten die Unterstützungsleistungen auch in den Bereichen Mediation, Diplomatie und Frühwarnung verstärkt werden, um zu verhindern, dass diese Bereiche in ihrer Bedeutung zurückfallen. Die Entwicklung von Kapazitäten innerhalb der AU ist heute wichtiger denn je. Insgesamt gibt es vier Aspekte, die bei der zukünftigen Unterstützung der APSA besonderer Berücksichtigung bedürfen:

  1. Während die APSA auch weiterhin erhebliche Unzulänglichkeiten aufweist, stellt die Umwandlung des Prinzips der Nichteinmischung (non-interference), von dem die Zeit vor Gründung der AU gekenn­zeichnet war, in ein gemeinsames Credo der „Nichtgleichgültigkeit“ (non-indifference) einen bedeuten­den Paradigmenwechsel dar. Dies demonstriert auch einen grundlegend neuen Ansatz aller 54 afrikani­schen Länder, und ist als nachhaltiges Bekenntnis zu verstehen, dass sie für die dringenden sicherheits­politischen Probleme auf ihrem Kontinent Verantwortung übernehmen wollen. Aktuelle Entwicklungen heizen die Debatte über die Definition und das Verständnis von Sicherheit und die Voraussetzungen für regionale Sicherheitssysteme an. In Afrika wird eine besonders weitreichende Auslegung des Begriffs „Sicherheit“ verwendet und es gibt diesbezüglich verschiedene Konzepte. Weitere Diskussionen und eine Einigung bezüglich der Frage, was mit „Sicherheit“ gemeint ist (ob militärische Sicherheit, freie Wahlen, menschliche Sicherheit oder eine Kombination aus allen), sind eine Grundvoraussetzung für alle wirksamen gemeinsamen Aktivitäten. Diese Debatte sollte nicht nur auf akademischer Ebene geführt werden. In der Praxis sollte das Motiv für die Aktivitäten afrikanischer Länder im Bereich der Sicherheitspolitik stets die Aufrechterhaltung demokratischer Grundsätze sein, und die AU muss darauf vorbereitet sein, erforderlichenfalls zu intervenieren. Dies beinhaltet die Beilegung politischer Streitigkeiten, die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses und die Ausübung von Druck auf Staaten, die versuchen, in den verschiedenen Ausschüssen der AU und der RECs gemeinsames politisches Handeln zu verhindern.
  2. Seit der Gründung der APSA ist nicht nur die Welt insgesamt, sondern besonders das Sicherheitsum­feld auf dem afrikanischen Kontinent noch komplexer und anspruchsvoller geworden. Dies macht, neben einem ernsthaften afrikanischen Engagement, noch stärkere Anstrengungen im Hinblick auf die regionale, nationale und internationale Zusammenarbeit und Koordination erforderlich. Obwohl die Gründung von neuen regionalen Organisationen wie der G5 Sahel und von Ad-hoc-Koalitionen einschließlich der MNJTF Ausdruck des afrikanischen Engagements ist, „afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme“ zu finden, stellen diese neuen Initiativen den kontinentweiten Konfliktlösungsansatz der APSA in Frage. Die APSA sollte auf keinen Fall aufgegeben werden. Stattdessen sollten neben bestehenden Sicherheitsmechanismen und neuen Initiativen auch neue Formen der Zusammenarbeit und sinnvolle Schnittstellen entwickelt werden. Da Deutschland die APSA und verschiedene andere Mechanismen unterstützt, sollte es einen umfassenden Ansatz fördern und dazu beitragen, eine verbesserte Absprache und Zusammenarbeit zwischen diesen verschiedenen Instrumenten zu ermöglichen. Zusätzlich sollte Deutschland das Augenmerk auf Kapazitätsentwicklung innerhalb der AU und der RECs lenken, um die Funktionsfähigkeit dieser Organisationen und ihre langfristige finanzielle Unabhängigkeit von externen Unterstützungsquellen sicherzustellen.
  3. Deutschland sollte nicht akzeptieren, dass der Schwerpunkt gegenwärtig auf (schnelle) militärische Lösungen gelegt wird. Stabilität in Afrika ist mehr als das Ausbleiben gewaltsamer Konflikte und erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, der eine Vielzahl an Aspekten berücksichtigt. Wirtschaftliche Entwicklung und einkommensschaffende Arbeitsplätze für die überwiegend junge afrikanische Bevölkerung sind entscheidend für eine friedliche Entwicklung. Das gleiche gilt für die Förderung menschlicher Sicherheit und einer guten Regierungsführung. Die deutschen Anstrengungen zur Mobilisierung privater Investitionen sind ein vielversprechender Ansatz, obwohl die Hauptverantwortung auch weiterhin bei den afrikanischen Ländern liegt, die zum Beispiel ein unternehmensfreundlicheres Umfeld schaffen könnten, indem sie ihre regulatorischen Rahmenbedingungen verbessern. Dies würde dazu beitragen, ausländisches Kapital anzuziehen.
  4. Deutschland ist ein langjähriger Partner afrikanischer (Sicherheits-) Organisationen und unterstützt nicht nur die APSA, sondern auch verschiedene RECs sowie Anstrengungen zur Kapazitätsentwicklung auf nationaler Ebene. Trotz der positiven Entwicklungen in der Vergangenheit sind größere Anstrengun­gen und zusätzliche Ressourcen seitens der AU und der RECs notwendig, um Krisen bereits in einem frühen Stadium zu erkennen und nach Möglichkeit eine weitere Eskalation zu verhindern. Frühwarnmechanismen erfordern nicht nur Personal, sondern auch langfristige finanzielle Förderung. Die Reform des Sicherheitssektors (Security Sector Reform, SSR) verlangt ein langfristiges Engagement, das über kurze Ausbildungen und Ausrüstungsunterstützung hinausgeht. Eine wirksame SSR muss zudem durch anhaltende Bestrebungen zur Verbesserung der Koordination zwischen den deutschen Ministerien auf verschiedenen Ebenen flankiert werden. Der von der Bundesregierung initiierte Marshallplan mit Afrika zeigt eine klare Vision auf, wie Afrika, die AU und die RECs befähigt werden sollen, Konflikte und Krisen selbstständig zu lösen. Ziel des Plans ist es auch, das deutsche Engagement in Afrika auf Basis eines ganzheitlichen Ansatzes zu lenken. Zusammen mit Berlins strategischem Leitliniendokument „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ (das 2017 nach umfassenden, ressortübergreifenden Anstrengungen verabschiedet wurde) kann der Marshallplan mit Afrika in diesem Sinne förderlich sein und sollte als Hauptbezugsrahmen genutzt werden, um ein gemeinsames ressortübergreifendes Han­deln zur Unterstützung der Afrikanischen Friedens- und Sicherheitsarchitektur zu fördern.

Dr. Jan Grebe ist Studienreferent für Entwicklungspolitik an der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Dr. Martin Schuldes ist Leiter Lehre an der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Die Autoren geben ihre persönliche Meinung wieder.

Copyright: Bundesakademie für Sicherheitspolitik | ISSN 2366-0805 Seite 1/1

 

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Afrikanische Union
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