Die USA haben gewählt: Doch was ist vom künftigen Präsidenten Donald Trump in der Außen- und Sicherheitspolitik zu erwarten? Wie wird sein Verhältnis zur NATO sein? Worauf muss sich Europa einstellen? Der Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Dr. Karl-Heinz Kamp, hat dazu einige Thesen formuliert.
Die Thesen von BAKS-Präsident Kamp im Wortlaut:
Was ist von Amerika unter Trump zu erwarten?
Alle Aussagen über die künftige Politik der USA sind rein spekulativ, weil es kaum programmatische Aussagen Trumps oder möglicher Mitglieder seines künftigen Kabinetts gibt. Politische Aussagen im Wahlkampf waren widersprüchlich, zu großen Teilen schlicht unwahr und deshalb kaum aussagekräftig. Einige Entwicklungen erscheinen dennoch wahrscheinlich:
1. Amerika wird isolationistisch werden – einmal gewollt und zum anderen ungewollt. Gewollt, weil Trump stets das "America First" betont hat und Bündnisse oder Verbündete sichtbar geringschätzt. Ungewollt, weil die USA tiefer gespalten sind als je zuvor. Das Land wird sich in internen Streitereien ergehen, die eine kohärente Politik – trotz Mehrheit der Republikaner in beiden Häusern – schwer machen. Auch die Republikaner sind unter sich uneins, wie sie es mit dem neuen Präsidenten halten.
2. Trump wird die Mehrheit seiner Anhänger enttäuschen. Er hat einen Wahlkampf im Stil der deutschen AfD gemacht, in dem er die Globalisierungsverlierer und die wirtschaftlich Schwachen mit unrealistischen Versprechen gewonnen hat. Müssen diese Versprechen eingelöst werden, zeigt sich rasch, wie hohl sie waren. Viele der unbestreitbaren Probleme der USA sind nämlich nicht durch Fehler des vermeintlichen Establishments in Washington hervorgerufen, sondern ergeben sich aus den strukturellen Veränderungen, welche die Globalisierung und Digitalisierung mit sich bringen. Diese können nicht um Handstreich beseitigt werden.
3. Trump wird nicht viel Sachverstand in seinem Kabinett und unter seinen Beratern versammeln können. Auch große Teile republikanischer Politik- oder Wirtschaftsexperten hatten bereits im Wahlkampf angekündigt, nicht für Trump arbeiten zu wollen. Selbst wenn der eine oder andere noch dem Sog der Macht erliegt, werden Leute an Schaltstellen gelangen, die sich eher durch ihre Dienste für Trump und nicht durch ihr Fachwissen auszeichnen. Das ist unter neuen US-Präsidenten nicht völlig ungewohnt, trifft aber in Trump auf den bisher einmaligen Fall, dass jemand Präsident wurde, ohne jemals zuvor ein politisches Amt innegehabt zu haben. Er kann also Laienhaftigkeit unter seinen Beratern nicht kompensieren. Es ist bezeichnend, dass keine Vertreter im Trump-Team während des Wahlkampfes die wichtigsten Verbündeten aufgesucht haben, um erste Kontakte zu knüpfen.
4. Dennoch wird Trump einige seiner Wahlkampfaussagen revidieren – etwa die, keinen Wert auf die Verteidigung der amerikanischen Verbündeten zu legen. Man wird dem neuen Präsidenten klarmachen, dass Verbündete keine Last, sondern ein Gewinn sind, weil sie den amerikanischen Einfluss in den entsprechenden Gremien (NATO) sichern. Dieser Einfluss ist für den amerikanischen Supermachtstatus wichtiger, als die Zahl der Atomwaffen.
5. Es ist auch nicht sehr wahrscheinlich, dass es zu engen Verbrüderungen zwischen den USA und Russland oder China kommen wird – wie es angesichts mancher Wahlkampfaussagen anklang. Trump wird sowohl aus politischen ("Make America Great Again") wie auch aus wirtschaftlichen Gründen einen hohen Verteidigungshaushalt und entsprechende Rüstungsprogramme brauchen (wie auch Reagan bei seinem Amtsantritt eine maritime Aufrüstung ankündigte). Für diese braucht er ein Feindbild, das er in russischem Revanchismus oder chinesischer Expansion findet.
6. Einerseits spricht Einiges dafür, dass sich einige der extremen Positionen Trumps abschwächen werden, wenn der mit den Details amerikanischer Politik vertraut gemacht wird. Er ist kein Ideologe, der eine bestimmte Weltsicht auf Biegen und Brechen verbreiten will. Andererseits wird es "dem System", also den Fachleuten in Washington, schwerfallen, Trump zu beeinflussen, weil er sich außerhalb des Systems stellt und die "Denke" bisheriger amerikanischer Politik schlicht ablehnt. Die Folgen für die internationale Politik können dramatisch sein.