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Praxisschock: Studierende briefen Führungskräfte

Wednesday, 9. October 2019

3 Tage, 4 Bundesbehörden, 78 Studierende, 9 Nationalitäten und 4 Arbeitsgruppen: Bei der Studierendenkonferenz 2019 an der BAKS haben junge Menschen praxisnahe Erfahrungen im Führungskräftebriefing von realen Entscheidungsträgern gesammelt.

Ein junger Mann sitzt an einem Tisch und spricht zu einem im Hintergrund sitzenden geschäftlich gekleideten Mann.

Schwerpunkt der Studierendenkonferenz ist ein Führungsbriefing und der Austausch mit hochrangigen Behördenvertretern. Foto: BAKS/Rimmele

Die Studierendenkonferenz ist eine Kooperationsveranstaltung des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) und der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Thema in diesem Jahr: Ein starkes Europa für unsere Sicherheit. Es herrscht eine gespannte Stimmung im Historischen Saal der BAKS. Die Studierenden aus dem In- und Ausland füllen die Stuhlreihen. Sie alle studieren in unterschiedlichsten Fachrichtungen, manche von ihnen sind in Studiengängen der Politik- oder Gesellschaftswissenschaften eingeschrieben, andere widmen sich den MINT-Fächern oder den Rechtswissenschaften. Es zeigt sich ein buntes und breit interessiertes Teilnehmerfeld. Was sie alle gemeinsam haben? Es ist ein großes Interesse an Sicherheitspolitik und daran, sich praxisrelevante Fähigkeiten anzueignen, die im Studium bisweilen eher kurz kommen.

Dann ist es endlich soweit: Konteradmiral Kay-Achim Schönbach eröffnete mit seinem Grußwort stellvertretend für die Bundesministerin der Verteidigung die Konferenz. Mit Blick auf Europa und globale Zusammenhänge in der Sicherheitsarchitektur von EU und NATO mahnt er gleich zu Beginn: "Wir dürfen uns als Deutschland nicht hinter Europa verstecken!" Zudem stellt Schönbach fest, dass die sicherheitspolitischen, hoch komplexen Herausforderungen unserer Zeit nur gemeinsam mit unseren Partnern bewältigt werden könnten. In diesem Sinne der Vernetzung wünscht der Admiral den Studierenden eine spannende Veranstaltung und regt zur Vernetzung untereinander an.

#Praxisschock: Wie briefe ich eine Führungskraft?

Vier geschäftlich gekleidete Menschen, darunter einer in Marineuniform sitzen an einem Tisch.

Konteradmiral Kay-Achim Schönbach (r.) aus dem Bundesministerium der Verteidigung und BKA-Präsident Holger Münch bei der Eröffnung der Konferenz. Foto: BAKS/Rimmele

Auch Holger Münch, der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), greift den Gedanken des persönlichen Vernetzens auf und liefert den zweiten Input des Tages zur „Vernetzten Sicherheit". Münch geht detailreich auf das Aufgabenspektrum seiner Behörde ein, die ebenso den Herausforderungen der Globalisierung gegenübersteht. "In einem Europa ohne Binnengrenzen müssen auch die Polizei grenzübergreifend zusammenarbeiten", so der Präsident des BKA. Zugleich warnt er, "auf asymmetrische Bedrohungen nicht mit mehr Bürokratie zu reagieren".

"Gerade wenn Entscheidungen getroffen werden müssen, dann sind Frieden und Sicherheit keine einfachen Themen", gibt Michael Summerer von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zu bedenken. Er ist zur Konferenz gekommen, um den Studierenden Struktur und Anforderungen eines Führungskräftebriefings zu erläutern: "Am Ende muss es das Ziel sein, dem Entscheidungsträger alles Nötige für eine fundierte Entscheidung anzubieten." Daher müssten die Konferenzteilnehmer ihre späteren Ergebnisse laut Summerer stets transparent und nachvollziehbar sowie klar strukturiert darlegen können. Diese Hinweise gilt es, während der gesamten Konferenz im Hinterkopf zu behalten.

Auswärtiges Amt, Verteidigungsministerium, BKA und BND sind an Bord

Zwei Männer, einer im Anzug und einer in Unifrom, sitzen an einem Tisch.

Generalleutnant Martin Schelleis im Gespräch mit dem Konferenzleiter Elmar Lillpopp (r.). Foto: BAKS/Rimmele

Generalleutnant Martin Schelleis, Inspekteur der Streitkräftebasis begrüßt die Teilnhemergruppe zum zweiten Konferenztag. Von ihm erfahren die Studierenden, welche zentrale Rolle Deutschland als „sicherheitspolitische Drehscheibe“ in Europa zukommt. Und das hat nicht nur eine militärische Dimension, denn "wir alle hängen am Tropf der kritischen Infrastruktur", so der General. In der Sicherheitspolitik gelte es stets, den Kontakt zu anderen Behörden zu halten.

Den Schwerpunkt der Konferenz nimmt die Arbeit in vier AGn ein, die jeweils von einer der beteiligten Behörden betreut werden. Die Studierenden werden in ein realitätsnahes Szenario aus den Arbeitsfeldern des Auswärtigen Amtes (AA), des Bundeskriminalamts (BKA), des Bundesnachrichtendiensts (BND) oder des BMVg eingeführt. Die Problemstellungen stammten hierbei nicht nur aus der ministeriellen oder behördlichen Arbeitspraxis, sondern sie wurden auch von den jeweiligen für die Konferenz entsendeten Fachleuten vorgestellt. Die Spannung war entsprechend hoch, als die Referentinnen und Referenten der einzelnen AGn auftraten. Zum Beispiel in der BND-Arbeitsgruppe, die von mehreren Mitarbeitern des Nachrichtendienstes ihren Auftrag erhält: Anfang September wurde Wikipedia über ein Bot-Netzwerk mit einer sogenannten DDos-Attacke angegriffen. Nun gilt es, die Täter in Form eines Planspiels, jedoch anhand einer realen Recherche im Internet zu identifizieren. Da dieser Hackerangriff tatsächlich stattgefunden hatte, sind alle nötigen Quellen im Netz auffindbar. Egal ob IT-Vorkenntnisse oder nicht, alle sind gefordert und können ihre individuellen Fähigkeiten bei der erfolgreichen Hackersuche einbringen.

Aktuelle Problemstellungen aus der Realität

Ein junger Mann an einem Rednerpult spricht zu einer Reihe junger Menschen, die an einer Tischreihe sitzen.

Michael Summerer (GIZ) erläutert die Ansprüche an ein Führungskräftebriefing. Foto: BAKS/Rimmele

Auch in den anderen drei Arbeitsgruppen werden durch erfahrene Referentinnen und Referenten unterschiedlichste Problemstellungen vorgestellt: Wie und ob überhaupt soll die EU-Operation „Sophia" im Mittelmeer weitergeführt werden? Wie geht das BKA mit einem unmittelbar drohenden Anschlag in Deutschland um? Oder welche Rolle könnte Deutschland zukünftig einnehmen, um die Handlungsfähigkeit der EU im Bereich Sicherheit und Verteidigung zu stärken? Die Praktikerinnen und Praktiker geben diesbezüglich den Studierenden alle notwendigen Informationen an die Hand, die es bei der Findung von Lösungsoptionen zu berücksichtigen galt. Nachfragen sind dabei ausdrücklich erwünscht. Damit erhalten die "Jungreferenten" jede Menge Input - da kommt die nächste Kaffeepause gerade zur rechten Zeit.

Bereits zur Halbzeit der Konferenz ist der Teilnehmer Johannes Geiger aus der AG IV - "BND" begeistert: "Die Konferenz hat bereits jetzt meine vorherigen Erwartungen übertroffen, gerade durch das offen gehaltene Format. Ich wollte aus dem akademischen Umfeld rauskommen und einen Blick in die Praxis werfen. Genau das erfüllt sich hier."

Der Sprung ins kalte Wasser

Ein lachender Mann in Uniform beugt sich über einen Tisch; im Hintergrund sitzen Menschen um ein Tischkarree.

Schützenhilfe in Sachen Führungsbriefing gab es wie jedes Jahr von den Jugendoffizieren der Bundeswehr, hier Hauptmann Daniel Günther (Magdeburg). Foto: BAKS/Rimmele

Das Wasser, in das die Studierenden geworfen werden, ist kalt - es gilt, ein Führungskräftebriefing vorzubereiten. Viel Zeit bleibt hierfür nicht. Einen Tag später um 10:30 Uhr muss die Präsentation stehen. Der steigende Druck trägt zum Praxisschock bei. Allein werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer jedoch keinesfalls gelassen. Ihnen stehen Jugendoffiziere der Bundeswehr zur Seite, die nicht nur Referenten für Sicherheitspolitik, sondern als Offiziere mit Lagevorträgen bestens vertraut sind. Sie unterstützen mit ihrer Erfahrung bei der Vorbereitung der einzelnen Briefings. Damit sind sie als Mentoren ein wichtiger Bestandteil der Arbeitsgruppen, der von den Studierenden und Referenten sehr geschätzt wird.

Trotz aller Unterstützung heißt es, die Zeit nicht aus den Augen zu verlieren, die Lagen auszuwerten und sich eine Arbeitsstruktur zu geben. Das sieht von AG zu AG ganz unterschiedlich aus. So gliedert sich beispielsweise die AG II - "Auswärtiges Amt" in klassische Stabsabteilungen. Die Rolle der Chefin des Stabes übernimmt Rahel Köhler, die Geschichte und Politik studiert. "Ich probiere gerne neue Sachen aus und habe keine Angst ins kalte Wasser zu springen", so die Studentin. Zwar findet sie es überaus anspruchsvoll, aus dem Nichts heraus ein Konzept zu entwickeln, aber "am Ende hatte jeder seine Aufgabe und hat diese auch mit voller Motivation übernommen." Unterstützt wird Köhler von der Jurastudentin Maria Kalb, die als ihre Stellvertreterin agiert. Auch Kalb lobt die "sehr angenehme und produktive Arbeitsatmosphäre in der Arbeitsgruppe". Beide Studentinnen sind sich einig, dass gerade der Anfang herausfordernd war. Die Frage "Wo setzen wir an?" habe zunächst im Raum gestanden, meint Kalb. Aber auch hier unterstützen die Jugendoffiziere und die Fachreferenten und zeigen einen Weg in Richtung des Arbeitsziels: das Führungskräftebriefing.

Zeit ist ein knappes Gut

Vier junge Menschen sitzen an einem Tisch; im Hintergrund wird eine Präsentation mit dem Titel "Cyberangriffe auf Wikipedia"  auf eine Leinwand projiziert.

Die AG IV brieft den Vizepräsident des BND Brigadegeneral Michael Baumann über die Cyberangriffe auf Wikipedia vom Herbst 2019. Foto: BAKS/Rimmele 

Pünktlich am letzten Tag beginnen die Briefings vor den Führungskräften. Hierzu kommt für die insgesamt vier Bundesbehörden jeweils eine hochrangige Führungskraft an die BAKS. Neben dem Innenministerium mit Ministerialdirigent Dr. Kai-Andreas Otto und dem Verteidigungsministerium mit Brigadegeneral Stefan Schulz waren das Auswärtige Amt mit dem Vortragenden Legationsrat Erster Klasse Peer Horstmann sowie der BND mit Vizepräsident Brigadegeneral Michael Baumann beteiligt.

Obwohl Zeit im politischen Alltag ein knappes Gut ist, nehmen sich alle Führungskräfte für die Studierenden viel Raum im Terminkalender. So bekommen die Arbeitsgruppen ein direktes Feedback zu ihren Briefings und Präsentationen. Das gilt auch für die AG III / "BKA", welche eine hochkomplexe Bedrohungslage durch geplante Terroranschläge in mehreren deutschen Städten bearbeiten musste. Die Gruppenteilnehmer mussten sich auch der Frage annehmen, wie sie ihre Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ausrichten sollen. Auf der einen Seite sollte die Bevölkerung gewarnt und informiert werden, auf der anderen Seite galt es, polizeiliche Maßnahmen nicht zu gefährden. Franziska Wolandt übernimmt das Briefing und trägt Dr. Kai-Andreas Otto vor. Die Studentin der Rechtswissenschaften von der Universität Bonn ist sich mit ihrer Gruppe einig: „Unser Ziel war es, den Entscheidungsträger in die Lage zu versetzen, in einer Ausnahmesituation handlungsfähig zu sein und ihm eine fundierte Grundlage für eine zügige Entscheidung zu geben." Die Arbeitsgruppe zeigte sich besonders kommunikativ und hatte bereits in der Arbeitsphase eine Vielzahl von Optionen ausgiebig diskutiert. Die Jurastudentin hebt hervor: "Wir hatten zu jeder Zeit viel Freude an der Arbeit. Gleichzeitig war es uns allen wichtig, dass wir zum Schluss mit einem guten Gefühl aus der Arbeitsphase gehen können“. Dennoch kann auch eine gewissenhafte Vorbereitung nicht völlig verhindern, dass kurz vor dem Briefing bei der Gruppe etwas Anspannung herrscht. „Wir wussten nicht genau, wer da nun gleich durch die Tür kommt und wie der Entscheidungsträger heute drauf ist", beschreibt es Wolandt für ihre Gruppe.

Eine junge Frau steht neben einem Whiteboard und trägt Präsentationsinhalte vor.

Die AG II befasste sich mit Optionen zur Fortführung der EU-Marinemission "Sophia" im Mittelmeer ab Oktober 2019. Foto: BAKS/Rimmele

"Details töten die Aufmerksamkeit"

Und wie nehmen die Entscheidungsträger das Führungskräftebriefing an? Dr. Otto war von der Qualität des Briefings, gerade unter Antebracht der knappen Zeit und der heterogenen Zusammensetzung der Gruppe, in höchstem Maße positiv überrascht. Dennoch sparte er nicht mit konstruktiver Kritik. Weitere Erfahrung würde die Studierenden lehren, "Informationen noch besser zu filtern und auf eine Abstraktionsebene zu bringen", stellt der Unterabteilungsleiter in Aussicht. Dabei dürften sich die Studierenden nicht im Kleinklein verlieren, denn "Details töten die Aufmerksamkeit“. Aber ebenso verdeutlicht Dr. Otto mit Blick auf die Zielsetzung: "Wir haben in Deutschland eine sehr starke politische Partizipation und eine interessierte Öffentlichkeit, die informiert sein möchte. Daher müssen Entscheidungen auch politisch durchsetzbar sein." Neben dem ehrlichen Feedback bekommen die AG noch ausgiebig Zeit, die Führungskräfte zum Alltag eines Entscheidungsträgers zu befragen.

In einer zweiten anschließenden Präsentationsrunde stellen alle AGn ihre Briefings auch vor ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen vor. Dieses Briefing des gesamten Plenums ermöglicht einen Vergleich der Ergebnisse und Herangehensweisen untereinander vergleichen und regt zum Austausch von Erfahrungswerten an. Auch der neue Präsident der BAKS, Botschafter Ekkehard Brose, der erst am Vortag die Leitung der Bundesakademie übernommen hatte, richtet zum Ende der Konferenz nochmals das Wort an die Studierenden und lobt ihr großes Engagement.

Viele Köche und trotzdem schmeckt es

Zwei Offiziere in Uniform, im Vordergrund ein General, sitzen an einem Tisch und hören einem Sprechenden außerhalb des Bildes zu.

Der Unterabteilungsleiter Politik I im Bundesverteidigungsministerium Brigadegeneral Stefan Schulz (v.) im Gespräch mit der AG I. Foto: BAKS/Rimmele

Oberregierungsrätin Dr. Diana Witt blickt stellvertretend für das BMVg hoch zufrieden auf die diesjährige Studierendenkonferenz zurück: "Diese Veranstaltung ist in ihrer Form und in ihrer Umsetzung einmalig, sie ist ein Leuchtturm. Für uns war es wichtig, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer verstehen, warum auch Verteidigungspolitik im Spannungsfeld transnationaler Krisen so wichtig ist und dass es Sicherheit nicht zum Nulltarif gibt." Weiter begeisterte sie "die Internationalität, die Motivation in den Arbeitsgruppen und die Freude, mit der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei der Sache waren. So kam auch der Spaß bei der Arbeit nicht zu kurz." Auch Jan Eylmann, von der GIZ für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung an die BAKS entsendet ist und die Konferenz zum ersten Mal mitbetreut hat, zieht ein positives Fazit: „Es ist schön, dass so viele junge und hoch motivierte Studierende für die Konferenz zusammengekommen sind.“

Auch im nächsten Jahr wird die Studierendenkonferenz wieder an der BAKS in Berlin stattfinden, und Studierende aller Fachrichtungen können sich um eine Teilnahme bewerben. Ab Juni 2020 teilen wir alle wichtigen Informationen zum Bewerbungsverfahren auf www.baks.bund.de sowie über Facebook und Twitter.

Autor: Philipp Fritz