Arbeitspapiere

Ertüchtigung regionaler Partner: Vier Anforderungen an ein "neues" Instrument der Krisenprävention

29/2017
Betrachtet man die deutsche Debatte um Krisenprävention der letzten Jahre, stößt man unweigerlich auf das Schlagwort „Ertüchtigung“. Seit 2016 nimmt diese nun konkrete Formen an: Die Bundesregierung hat 2016 100 und 2017 130 Millionen Euro zur Ausbildung und Ausstattung lokaler Partner in Krisen- und Konfliktregionen eingesetzt. Was jedoch hinter dem Konzept Ertüchtigung steht, wie es in der Praxis angewendet wird und welche Herausforderungen sich in der Zukunft ergeben, bleibt selbst in der Fachdiskussion oft vage. Versuchen wir, etwas Struktur in die Debatte zu bringen und künftige Anforderungen an eine erfolgreiche Ertüchtigung zu entwickeln.

Was verbirgt sich hinter „Ertüchtigung“?

Die Antwort scheint zunächst einfach: Ein Titel im Einzelplan 60 des Bundeshaushaltsplans. Das Auswärtige Amt (AA) und das Verteidigungsministerium (BMVg) verwalten diesen Titel ressortübergreifend. Auch die vorgesehenen Maßnahmen werden darin umrissen: soll demnach Partnerstaaten befähigen, "erhöhte Verantwortung für die eigene Sicherheit zu übernehmen." Sie sollen eigenständig Krisen vorbeugen, auf sie reagieren oder sie lösen können. Entsprechend sind Ertüchtigungsmaßnahmen seitens der Bundesregierung in jeder Phase eines Konflikts möglich: präventiv, bewältigend oder nachsorgend. Sie können zivile und militärische Maßnahmen bis hin zur Lieferung von Waffen umfassen. Ziel ist die langfristige Stabilisierung eines Partners, die durch das Zusammenwirken von zivilen, polizeilichen, militärischen und rüstungskontrollpolitischen Instrumenten sichergestellt werden soll. Dazu können auch begleitende Beratung und Ausbildung zum Einsatz kommen.

Entscheidend für das Verständnis von Ertüchtigung ist, dass es sich in allen Fällen um die Stärkung und Ergänzung bestehender Sicherheitsstrukturen im Partnerland handelt. Zur Verdeutlichung hilft ein Blick an andere Stellen des Bundeshaushalts. Dort wird der Begriff der Ertüchtigung vor allem im Bauwesen verwendet. So sollen beispielsweise Straßen und Brücken ertüchtigt werden. Diese Metapher ist auch für den Bereich der Sicherheitspolitik hilfreich: Ertüchtigung dockt als Instrument an vorhandene Elemente eines Sicherheitssektors an und zielt auf deren Stärkung ab. Eine komplette Sicherheitssektorreform ist jedoch nicht unbedingt erforderlich. Existiert im Partnerland bereits ein funktionierender Sicherheitssektor, kann beispielsweise dessen Stärkung durch die Lieferung von vor Ort fehlender Ausrüstung ausreichend sein. So sieht es zumindest das Konzept vor.

Es bleibt also festzuhalten, dass Ertüchtigung zunächst nicht mehr ist, als ein flexibel einsetzbares Haushaltsinstrument, das andockend an bestehende Sicherheitsstrukturen in eine Krisenregion eingesetzt werden kann, um deren Wirkung zu stärken. Die eigentliche Bedeutung ergibt sich dann in der praktischen Anwendung. Auch wenn das Konzept der Ertüchtigung häufig in einem Atemzug mit umfassenden Begriffen wie Nation- oder Statebuilding verwendet wird, ist es davon abzugrenzen, da es in der Praxis ein niedrigschwelliges und lediglich ergänzendes Instrument darstellt.

Für den deutschen Kontext sind mindestens drei Aspekte bemerkenswert. Erstens steht die Stärkung von lokalen Partnern und deren Eigenverantwortung stärker als bislang im Vordergrund. Sicherheit soll folglich ohne den umfassenden Einsatz deutschen Personals, wie etwa im Kosovo oder in Afghanistan gewährleistet werden. Für die Bundesregierung entsteht damit zweitens ein größerer Handlungsspielraum unabhängig von einer Teilnahme an multilateralen Stabilisierungsmissionen. So ermöglicht die Ertüchtigungsinitiative eine stärkere regionale und qualitative Fokussierung des deutschen Engagements. Drittens bietet die Initiative kreatives Potential, „neue“ Instrumente einzusetzen, wie die erstmalige Waffenlieferung in einen aktiven Konflikt an die kurdischen Peschmerga im Jahr 2014 gezeigt hat. Die Werkzeugkiste der deutschen Sicherheitspolitik wird dadurch erweitert.

Ertüchtigung in der Praxis: Woher kommen die Mittel und wohin fließen sie?

Während das Verteidigungsministerium auf den Einzelplan 14 und das Auswärtige Amt auf den Einzelplan 05 zurückgreifen, ist der Einzelplan 60 nicht einem bestimmten Ressort zugeordnet, sondern wird ressortübergreifend koordiniert. Seine Titel haben jeweils eigene Vorgaben zur Bewirtschaftung. Bei dem für die Ertüchtigung entscheidenden Titel 678 03 des Einzelplans 60 stehen also Mittel zur Verfügung, die AA und BMVg flexibel einsetzen können, während die Ausgaben in ihren jeweils eigenen Ressorthaushalten größtenteils bereits zu Beginn des Haushaltsjahres festen Zwecken zugeordnet sind. Voraussetzung für die Vergabe von Ertüchtigungsmitteln ist jedoch, dass sich die beiden Ministerien im Vorfeld über die Ausgaben einigen.

Anhand der Mittelverwendung im Jahr 2016 lassen sich regionale Schwerpunkte der deutschen Ertüchtigungsinitiative ausmachen. So steht besonders die MENA-Region (Middle East and Northern Africa) im Fokus. Die größten Beträge investierte die Bundesregierung für das Engagement in Irak und Jordanien mit je 30 Millionen und in Tunesien mit 20 Millionen Euro. Auch nach Mali und Nigeria flossen größere Anteile des Finanzvolumens, die jeweils 5 Millionen Euro umfassten. Bei den einzelnen Projekten fällt auf, dass es sich vorwiegend um materielle Unterstützung oder Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen handelt. So fallen unter die 30 Millionen Euro für Jordanien beispielsweise die Lieferung von Schützenpanzern des Typs Marder und von Aufklärungsgeräten. In Tunesien bezahlte die Bundesregierung elektronische Überwachungsanlagen zur Grenzsicherung sowie Schulungen der Grenzpolizei. Ferner finanzierten BMVg und AA zahlreiche überregionale Ausbildungsprogramme. Dazu zählen unter anderem der Fähigkeitsaufbau und die Steigerung der Interoperabilität baltischer Streitkräfte oder die Ausbildung der libyschen Küstenwache im Rahmen der EU-Mission EUNAVFOR MED.

Insgesamt zeigt sich, dass die Instrumente, die im Rahmen der Ertüchtigungsinitiative angewendet werden, keine neuen sind. Neu ist hingegen die Flexibilisierung der Mittel und folglich eine schnellere Bereitstellungskapazität, um im Partnerland Lücken zu füllen oder zusätzliche Unterstützung anzubieten. Ein detaillierterer Blick in zwei konkrete Engagements zeigt, wie sich das in der Praxis gestaltet und welche Probleme dabei zukünftig anzugehen sind.

Nordirak: Pilot- und Schwerpunktland deutscher Ertüchtigung

Mit rund 30 Millionen Euro im Jahr 2016 sind die Region Nordirak und die kurdische Autonomieregierung einer der größten Ertüchtigungsempfänger. Die Unterstützung dockt dabei vor allem an die deutsche Ausrüstungshilfe, welche die kurdischen Peschmerga bereits seit 2014 für den Kampf gegen die Terrororganisation IS erhalten haben. So wurden bis Anfang 2017 bereits 24.000 G3- und G36-Gewehre mit mehr als 30 Millionen Schuss Munition, 1.200 MILAN Panzerabwehrraketen und 20.000 Handgranaten mit einem Gesamtwert von rund 90 Millionen Euro geliefert. Seit 2016 wurde zuzügliche Unterstützung aus dem Ertüchtigungstitel geleistet, die unter anderem Ersatzteile für die gelieferten Waffen und Fahrzeuge sowie den Aufbau einer Munitionsbevorratung umfasst. Zudem erhalten Polizei und Militär Ausbildungen zur Entschärfung von improvisierten Sprengfallen, wie sie der IS häufig verwendet.

Die im Falle der kurdischen Peschmerga ergriffenen Ertüchtigungsmaßnahmen erscheinen unter dem Gesichtspunkt der anknüpfenden Unterstützung hilfreich, betrachtet man die zuvor gelieferten Waffen und Ausrüstungsgegenstände. Gleichwohl offenbart der Peschmerga-Fall insgesamt eine allzu starke Reaktivität: Die Krise in der Region war längst eingetreten, als sich die Bundesregierung zu den Nothilfemaßnahmen entschied, um einen drohenden Völkermord an den Jesiden zu verhindern. Zudem stellt sich die Frage der Strategie. Der deutsche Beitrag trägt eindeutig zum Ziel der Staatengemeinschaft bei, den IS zu zerschlagen, bleibt dabei die Frage nach der Rolle der begünstigten Kurden in einer Nachkriegsordnung im Irak offen. Solche strategischen Überlegungen müssen jedoch in den Vordergrund politischer Debatten gerückt werden, wenn Ertüchtigung – besonders mithilfe der Lieferung von Waffen – künftig stärker zum präventiven Instrument werden soll.

Mali: Ertüchtigung als Ergänzung multilateralen Engagements

In Mali ist Deutschland in Missionen der UN und EU engagiert. Zudem ertüchtigt es punktuell auch eigenständig. Bei der UN-Mission MINUSMA, die seit 2013 das nordafrikanische Land nach einem zeitweisen Vormarsch radikalislamischer Terrorgruppen stabilisieren soll, lassen sich die deutschen Aufgaben den Bereichen Aufklärung, Beratung und Schutz zuordnen. Bei der EU-Ausbildungsmission „EUTM Mali“, ist das Leistungsspektrum auf die Schulung malischer Offiziere sowie auf die Führung und fachliche Aufsicht der Mission ausgerichtet. Die zivile EU-Mission „EUCAP Sahel Mali“ erhält von Deutschland strategische Beratung, Ausbildung und Training für Polizei und Gendarmerie. Zusätzlich unterstützte die Bundesregierung 2016 mit von 5 Millionen Euro aus der Ertüchtigungsinitiative Projekte, die sich der Infrastruktur, der Unterbringung, Mobilität sowie Ausbildung der malischen Polizei und des Militärs widmen. Weitere Maßnahmen sind die Eindämmung von Kleinwaffen, die sichere Lagerung von Munition sowie die Beschaffung geschützter Fahrzeuge für MINUSMA.

Anhand dieses Fallbeispiels zeigt sich ein breites Spektrum an materiellen und personellen Beiträgen, welche mehrere Fragen aufwerfen: Sind die deutschen Maßnahmen kohärent? Knüpfen sie an bestehendes internationales Engagement und an die malischen Bedarfe an? Und sind sie nachhaltig im Sinne der weiteren Konfliktprävention? Zudem erfordern die Ertüchtigungsbeiträge aufgrund der Vielzahl von Akteuren und Missionen vor Ort ein besonders hohes Maß an Koordination mit anderen.

Wo liegen die Probleme?

Wie bereits die beiden Länderbeispiele andeuten, sieht sich die Bundesregierung bei Ertüchtigung dem Problem einer Vielzahl von Akteuren mit undurchsichtigen Interessenlagen ausgesetzt. Insbesondere ist dabei stets die Interessenlage des Ertüchtigungsempfängers zu berücksichtigen. Ertüchtigung ist also vor allem ein Steuerungsproblem: Wie verhindert man, dass aus guten Absichten problematische Folgen entstehen? Dieses Steuerungsproblem besteht im Kern aus der Frage, wer von wem abhängig ist – das aus der Ökonomie bekannte Principal-Agent-Problem lässt grüßen. Normalerweise sollte der Empfänger bestimmten Vorgaben des Gebers folgen. Andernfalls riskiert der Empfänger ein Ende der Unterstützung und somit, alleine und geschwächt vor seinen Problemen zu stehen. Das funktioniert jedoch nur, solange beide zumindest die gleichen Ziele verfolgen. Driften die Interessen auseinander, während gleichzeitig der Empfänger nicht mehr auf den Geberstaat angewiesen ist, droht der Kontrollverlust. Da Geber jedoch zumeist sowohl in der nationalen Öffentlichkeit als auch in der internationalen (Geber-)Gemeinschaft in einer moralisch-politischen Verantwortung für den Empfängerstaat gesehen wird, kann das Abhängigkeitsverhältnis relativiert werden. Es kommt also nicht allein darauf an, welcher Akteur dem anderen militärisch oder ökonomisch überlegen ist, sondern wer den anderen Partner dringender braucht. Hinzu kommt, dass der Empfänger durch bessere Kenntnis der Gegebenheiten vor Ort einen Informationsvorsprung hat, den er ausnutzen kann.

Die Frage der Ziele und der Strategie ist bereits aus dem deutschen Engagement in Afghanistan bekannt. Mit welcher Absicht wird Ertüchtigung begonnen, wie wird auf sich verändernde Interessenlagen in Deutschland oder neue Lagen im Zielland reagiert und welches Exit-Szenario besteht? Dass diese Fragen im Fall der Ertüchtigung nicht öffentlich diskutiert werden, trägt nicht gerade zur demokratischen Legitimität und dem öffentlichen Rückhalt eines Instruments bei, welches regional großen Einfluss ausüben und damit Rückwirkungen für die Berliner Außenpolitik haben kann.

Dies ist umso mehr ein Problem, als dass Ertüchtigung eine moralische Verantwortung erzeugt: unter welchen Umständen müsste nach einem Ende der Ertüchtigung wieder eingegriffen werden? Dass Stabilität trügerisch ist, zeigt sich in Mali am besten. Lange als demokratisches, stabiles Vorzeigeland in Afrika gefeiert, brach es in der europäischen Wahrnehmung beinahe über Nacht zusammen. Sollte Deutschland die Ertüchtigung und seine Militärmissionen dort beenden, stellt sich die Frage, wie verantwortlich sich die deutsche Politik und Bevölkerung fühlten, wenn das Land drei Jahre nach dem Abzug erneut zusammenbräche. Ein erneutes Eingreifen, oder gar ein Kreislauf der Ertüchtigung sind die Gefahren. Diese werden zusätzlich verstärkt, wenn sich der ertüchtigte Akteur zu stark auf die Unterstützung aus dem Ausland verlässt.

Diesen Problemen kann man nur entgegenwirken, wenn man Bemühungen zur Herstellung eines negativen Friedens (Waffenruhe), solche zur Herstellung des positiven Friedens (Schaffung von konfliktmindernden Institutionen und des sozialen Ausgleichs) von Beginn an zur Seite stellt. Dies wird aus westlicher Perspektive gerne durch Demokratisierung als vermeintliche Generallösung angegangen. Jedoch belegt die Forschung gut, dass junge Demokratien äußerst instabil sind. Der oft enttäuschende demokratische Kompromiss kann die Konfliktakteure verlocken, wieder zu den Waffen zu greifen. Andererseits ist ein hochgradig repressives Regime, das die Bedürfnisse anderer Gruppierungen unterdrückt, wohl kein legitimer Partner einer Ertüchtigung.

Der Schaffung positiven und negativen Friedens steht dabei ebenfalls der Einfluss der Sozialgefüge im Weg. Der Eingriff in ein Konfliktsystem verändert das Stärkeverhältnis zwischen dem Ertüchtigten und seinen inneren, lokalen oder regionalen Kontrahenten. Dies kann Folgen haben, die sich nicht örtlich eingrenzen lassen. Das erneute Aufflammen des türkisch-kurdischen Konflikts ist auch unter dem Blickwinkel des deutlichen Erstarkens der Kurden insgesamt zu sehen. Auch wenn die Bundesrepublik selbstverständlich nicht die PKK unterstützt: Kurdische Kräfte haben als heterogener Akteur gegenüber der Türkei an Stärke gewonnen.

Ertüchtigung in der Zukunft: Vier Anforderungen für Erfolg

Die bis hierhin aufgeworfenen Erfahrungen und Risiken der Ertüchtigung erzeugen vier miteinander verwobene Kernanforderungen an zukünftige Projekte: Strategie, Nachhaltigkeit, Kohärenz und Komplementarität. Wie die Beispiele Nordirak und Mali zeigen, findet Ertüchtigung oftmals noch zu reaktiv statt. Dies erschwert die Festlegung strategischer Ziele. Für eine größere strategische Wirksamkeit im Hinblick auf Krisenprävention muss die Bunderegierung Ertüchtigung stärker zu einem proaktiven Instrument weiterentwickeln. Als positives Beispiel lässt sich die Ertüchtigung Jordaniens anführen. Das Königreich liegt in unmittelbarer Nähe zum syrischen Kriegsherd und verfügt über einen funktionierenden Sicherheitssektor. Es hat über 1,5 Millionen Flüchtlinge aufgenommen und wird mit einem Umfang von 30 Millionen Euro aus Deutschland unterstützt. Hier wurde früh erkannt, welches Land in europäischer Nachbarschaft als nächstes der Gefahr der Destabilisierung ausgesetzt sein könnte.

Ein potentiell auswirkungsstarkes Instrument wie Ertüchtigung benötigt, gerade wenn es der Anforderung von Nachhaltigkeit vor Ort gerecht werden soll, demokratischen Rückhalt, Geduld und langen Atem auf deutscher Seite. Dies erfordert künftig eine stärkere öffentliche Debatte über die Konfliktlagen und die einzusetzenden Instrumente. Gerade im Kontext der Ertüchtigung werden die deutsche Politik und Öffentlichkeit lernen müssen, mit Grauzonen und der Verantwortung für Fehlsteuerungen umzugehen, ohne das Instrument an sich aufzugeben. Vielmehr muss ein Wille entwickelt werden, aus Fehlern zu lernen und bewusst(er) Risiken einzugehen.

Die beschriebenen Zielkonflikte, die mit diesem neuen Instrument einhergehen, werden sich auch in der Zukunft nicht auflösen lassen. Sie als Steuerungsprobleme zu begreifen, bietet jedoch die Chance, Dilemmata und Risiken zu managen: Genaue Kenntnisse über die Akteure vor Ort, ihre Zusammensetzung, Interessen sowie der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Lage erhöhen die Chance, Ertüchtigung erfolgreich zu gestalten. Dabei darf nicht von der generellen Prämisse, alle Staaten seien auf ein demokratisches Gemeinwesen erpicht, oder von einer Einteilung in „gute“ und „böse“ Akteure, wie zum Beispiel im syrischen Bürgerkrieg transportiert, ausgegangen werden. Die Realität ist um Längen komplexer. Die für eine umfassende Lagebewertung erforderlichen Informationen in einer Vielzahl von Konfliktsystemen zu generieren und zu verarbeiten, stellt das außenpolitische Entscheidungssystem der Bundesrepublik (auch personell) vor große Herausforderungen, da Regionalexpertise deutlich stärker in Entscheidungsprozesse einfließen muss. Auch könnte der Einbezug von Erfahrungen mit Steuerungsproblemen aus der Entwicklungszusammenarbeit helfen, Risiken zu minimieren.

Auf internationaler Ebene ist beim Einsatz des selektiven Ertüchtigungsinstruments auf Komplementarität und Kohärenz zu achten. Maßnahmen müssen gezielt Bedarfe des Empfängers erfüllen und sinnvoll an bestehende Strukturen andocken. Darüber hinaus ist eine Harmonisierung des deutschen Engagements mit anderen Akteuren sicherzustellen. Der Vernetzte Ansatz deutscher Sicherheitspolitik muss nicht nur auf nationaler Ebene zwischen den beteiligten Ministerien, sondern auch zwischen internationalen Akteuren, vor allem EU und UN, stärker realisiert werden. Hier könnte beispielsweise die Ertüchtigung von UN-Missionskontingenten zielführend sein, vor allem was die materielle Ausstattung (aber auch die personelle Befähigung) angeht. Das Augenmerk muss bei jedem Engagement jedoch auf strategischer Nachhaltigkeit liegen. Punktuelle Maßnahmen mögen Partner zwar kurzfristig unterstützen, dennoch muss das Ziel sein, das Konfliktsystem sowie die sozialen und politischen Beziehungen vor Ort dahingehend zu stabilisieren, dass sich ein positiver Frieden entwickeln kann.

Jan Fuhrmann ist Bundesvorsitzender und Anne-Kathrin Herlitze Stellvertretende Bundesvorsitzende des Bundesverbandes Sicherheitspolitik an Hochschulen (BSH). Lena Strauß ist Forschungsassistentin an der Stiftung Wissenschaft und Politik. Henning Walravens ist Referent beim Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr e.V. Die Autoren geben ihre persönliche Meinung wieder.

Copyright: Bundesakademie für Sicherheitspolitik | ISSN 2366-0805 Seite 1/5

 

 

Working Paper topic: 
German Security Architecture
Enable and Enhance Initiative
Region: 
Germany
Tags: 
Germany
Ertüchtigung
Deutsche Sicherheitsarchitektur