News

Aktuelles

Aktuelles

Bürgerdialog: Sicherheitspolitik live auf dem Kunstfest

Sunday, 12. June 2016

Bild Kunstfest Logo

Ein gemeinsames Haus für Pankow: Das Kunstfest ist weit über den Kiez hinaus beliebt und wird jährlich von etwa 15.000 Interessierten besucht. Illustration: GESOBAU

Sicherheitspolitik muss begreifbarer werden. Deshalb beteiligte sich die Bundesakademie am diesjährigen Pankower Kunstfest mit einem "Sicherheitspolitischen Frühschoppen" – und gewann dabei neue Erkenntnisse.

Zuhören ist eine Kunst. Gegenseitiges Zuhören eine noch viel größere. "Der Sicherheitspolische Frühschoppen hat mich positiv überrascht", sagte Akademiepräsident Karl-Heinz Kamp. Eine gute Stunde lang hatten an den beiden Tagen des Kunstfests fast 80 Bürgerinnen und Bürger mit dem Akademiepräsidenten über Themen wie Ost-West-Spannungen, Terrorgefahren und Flüchtlinge diskutiert. Unter Moderation von BAKS-Sprecher Christian Lipicki gab es eine lebhafte Debatte, bei der auch mit kritischen Nachfragen nicht gespart wurde. Gleichwohl wurden die Erwartungen in großem Maße erfüllt: "Wo hat man sonst schon als Bürger Gelegenheit, mit Fachleuten in einer so unverkrampften Atmosphäre zu sprechen", sagte ein Teilnehmer.

Wie halten wir es mit Russland? Das dominierende Thema

Das Verhältnis des Westens zu Russland war das bestimmende Thema des Frühschoppens am ersten Tag des Kunstfests. Ob ein neuer Kalter Krieg drohe, war eine Frage, die viele Teilnehmer mitbrachten. Kamp sagte, er finde den Begriff "Kalter Krieg" unglücklich gewählt, da sich Deutschland in einer anderen Situation befände als damals. "Aus Sicht Polens und der baltischen Staaten aber", so Kamp, "sieht das ganz anders aus. Diese Länder sehen sich durch das Handeln Russlands physisch bedroht." Ursächlich dafür sei, dass Russland in der Ukraine mit Gewalt Grenzen verschoben habe, was einen eklatanten Bruch mit der seit 1945 gültigen Friedensordnung Europas darstelle.

Kamp auf dem Kunstfest

BAKS-Präsident Kamp bei der offiziellen Eröffnung des Kunstfestes. Foto: GESOBAU/Schnieder

Ein Teilnehmer gab zu bedenken, dass gerade Deutschland allein durch die Wiedervereinigung Russland sehr viel zu verdanken habe. Das komme ihm in der öffentlichen Debatte zu kurz. Dem widersprach Kamp nicht, sagte aber auch, dass historische Dankbarkeit nicht den Blick auf heutige Rechtsbrüche verstellen dürfe. Er wies zugleich darauf hin, dass die Bundesregierungen seit jeher besonderen Wert auf multilaterale Politik und Dialog mit dem östlichen Nachbarn gelegt hätten. Auch in der aktuellen Krise bemühe sich die Bundesregierung darum, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen. Kamps Fazit: "Sicherheit vor Russland schließt intensiven Dialog mit Russland keinesfalls aus."

Die Flüchtlingskrise: Einfache Lösungen gibt es nicht

Den Frühschoppen am zweiten Festtag dominierte die gegenwärtige Diskussion um Flüchtlinge, Fluchtursachen und die sicherheitspolitischen Dimensionen von Migration. Wie können die Fluchtursachen bekämpft werden? Mit wievielen Schutzsuchenden muss noch gerechnet werden? Und weshalb hat sich die Flüchtlingssituation gerade jetzt so zugespitzt? - BAKS-Präsident Kamp sah sich zahlreichen Fragen und Sorgen gegenüber. Zentral für die gegenwärtigen Fluchtbewegungen sei, so Kamp, dass sich in Teilen Nordafrikas und des Mittleren Ostens derzeit eine "Erosion von Staatlichkeit" vollziehe: "Kriege und Revolutionen haben ein Ende - aber hier sehen wir derzeit kein Ende, sondern einen fortlaufenden Auflösungsprozess." Zur Zuspitzung der Flüchtlingskrise hätten dabei vor allem der Krieg in Syrien und die Einstellung der Finanzierung großer UN-Flüchtlingslager Anfang 2014 beigetragen. Besonders problematisch sei allerdings, dass staatliche Partner, mit denen zur Bewältigung der Krise zusammengearbeitet werden könne, in Ländern wie Syrien oder Libyen kaum noch vorhanden seien.

Christian Lipicki unterhält sich am Stand der BAKS auf dem Kunstfest mit einem Festbesucher.

Einladung zu Austausch und Diskussion: der traditionelle BAKS-Stand, hier mit Christian Lipicki, dem Sprecher der Akademie (links). Foto: BAKS

Der Präsident warnte deshalb vor pauschalen Forderungen, "man müsse in Syrien nun endlich etwas tun". Dies sei keineswegs "ein Plädoyer, nichts zu tun", denn der Westen werde sich tatsächlich "auf Jahre und Jahrzehnte" mit diesem Krisenkomplex befassen müssen. "Aber vermeintlich einfache Lösungen, wie sie Ihnen gerade in einigen Talkshows präsentiert werden, gibt es nicht", so Kamp. Man müsse kleine Schritte gehen und den Dialog auch mit schwierigen Gesprächspartnern aufrechterhalten. In diesem Zusammenhang sagte ein Teilnehmer, dass es ihm generell an einer außen- und sicherheitspolitischen Strategie Deutschlands mangele - er habe den Eindruck, "dass nur reagiert wird". Kamp verwies hierzu darauf, dass derzeit nicht nur neue Grundsatzdokumente wie das Weißbuch 2016 verfasst würden, sondern dass gerade deshalb mehrere Bundesministerien in Zusammenarbeit mit der BAKS die Methoden der Strategischen Vorausschau ausbauten, um auf künftige überraschende Entwicklungen besser vorbereitet zu sein.

Die Sicherheitspolitischen Frühschoppen an diesem Juni-Wochenende waren der Höhepunkt der BAKS-Aktivitäten auf dem diesjährigen Pankower Kunstfest, das die Bundesakademie seit 2003 für ihren jährlichen Tag des Offenen Campus nutzt. Besonderer Ausdruck der Verbundenheit als guter Nachbar in Berlin-Pankow sind die Musikkonzerte der Musikschule Béla-Bártok im Historischen Saal, in dem 1990 eine wichtige Runde der 2+4-Gespräche zur Wiedervereinigung Deutschlands tagte. Mit etwa 15.000 Besuchern ist das Kunstfest eine feste Größe im Öffentlichkeitsdialog der Bundesakademie geworden – dank vielen anregenden und informativen Gesprächen mit den Bürgerinnen und Bürgern.

Autor: Christian Lipicki/Sebastian Nieke