Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht von den Krisenherden der Welt berichtet wird. Ob in Osteuropa, im Nahen Osten oder in Afrika: „Die Welt scheint aus den Fugen geraten“, beschrieb Außenminister Frank-Walter Steinmeier die Entwicklung. Angesichts der Vielzahl an Krisen müssten sich die Staaten ihrer Verantwortung stellen. Auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen meldete sich zu Wort: Gleichgültigkeit sei für ein Land wie Deutschland keine Option. Und Bundespräsident Joachim Gauck mahnte, die Bundesrepublik Deutschland müsse „bereit sein, mehr zu tun für jene Sicherheit, die ihr über Jahrzehnte von anderen gewährt wurde“.
Die sicherheitspolitische Lage für Deutschland hat sich gravierend verändert: Seit Ende des Kalten Krieges von dem Gefühl geprägt, an unseren Landesgrenzen von Freunden umgegeben zu sein, wandeln sich im Blick über diese Nachbarschaft hinaus die Wahrnehmung und die Diskussion. Die Welt ist gefährlicher geworden und die Menschen sind verunsichert; Sicherheit ist und bleibt eine Existenzfrage. Und deshalb ist die Diskussion längst über die Expertenzirkel hinausgewachsen.
„Zwar ist Sicherheitspolitik immer noch ein Elitenthema und wird es auch bleiben, aber das öffentliche Interesse wächst deutlich und die Debatte ist deshalb in den letzten Jahren auch wesentlich intensiver geworden“, erklärt Karl-Heinz Kamp, Direktor Weiterentwicklung der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. „Das spüren besonders die Abgeordneten des Bundestags, denn ihre Wähler fragen immer öfter nach außen- und sicherheitspolitischen Themen.“
Was muss die Politik tun, damit die Menschen in Deutschland frei und in Sicherheit leben können, wie es heute der Fall ist? Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD hat dazu bereits politische Wegmarken gesetzt. Die Regierungspartner bekennen darin: „In der Außen- und Sicherheitspolitik denken und handeln wir vernetzt.“
Bessere Vernetzung, intensiverer Dialog, stabile Sicherheit – das ist die Richtung. Die Fortentwicklung betrifft natürlich alle Bundesbehörden, besonders aber auch die Arbeit der Bundesakademie für Sicherheitspolitik als höchster Weiterbildungseinrichtung der Bundesregierung in diesem Feld, die darin eine große Expertise vorzuweisen hat. Deshalb hat der Bundessicherheitsrat abgeleitet aus dem Koalitionsvertrag Anfang 2015 ein neues Akademiekonzept beschlossen, auf dessen Grundlage die Akademie nun neue Schwerpunkte setzt. Was bedeutet das genau? Was ändert sich konkret?
Öffentlicher Diskurs und Kommunikation
Die wohl gravierendste Neuerung ist die Öffnung des bisherigen sicherheitspolitischen Diskurses der Bundesakademie in die breitere Öffentlichkeit hinein. Also heraus aus der reinen Expertenbetrachtung und hinein in die Diskussion mit der Bevölkerung. Im neuen Akademiekonzept heißt es dazu: „Auftrag der Bundesakademie für Sicherheitspolitik ist es, bei Führungskräften, Experten und einer breiteren Öffentlichkeit ein umfassendes Verständnis der langfristigen sicherheitspolitischen Ziele und Interessen Deutschlands zu fördern.“
Hans-Dieter Heumann, Präsident der Bundesakademie, hält diesen Aspekt für besonders wichtig: „Viele Menschen fragen sich, wie sicher sind wir in Deutschland? Sicherheitspolitik geht alle Bürgerinnen und Bürger an. Wir wollen das Thema breiter kommunizieren – denn das entspricht dem Bedürfnis der Menschen nach Information und Austausch.“
Für die neue Aufgabe hat die Bundesakademie zum Jahresanfang mit der Einrichtung des Bereiches „Kommunikation“ Weichen gestellt; ab Herbst wird dieser Arbeitsbereich dann „Öffentlicher Diskurs und Kommunikation“ heißen. Denn neben der klassischen Kommunikation wie Pressegesprächen, Veranstaltungsbegleitung und der eigenen Website werden neue Pfade beschritten.
Die Bundesakademie will deshalb den Diskurs über Sicherheitspolitik stärker öffnen, damit sich die Bürgerinnen und Bürger konstruktiv mit dem Thema auseinander setzen können – das gilt sowohl für deren Einbeziehung in bisherige Expertendialoge wie dem „Deutschen Forum Sicherheitspolitik“ und dem „Berliner Forum zur Cyber-Sicherheit“ als auch die Entwicklung neuer Dialogformen. Leicht wird das nicht. Aber: Freiheit und Sicherheit sind kein Automatismus. Es muss darüber gesprochen werden, wie beides sichergestellt wird.
Sicherheitspolitische Seminare
Alleinstellungsmerkmal der Bundesakademie bleibt die Lehre, entsprechend den Erfordernissen der Ressorts angepasst. „Die Bedürfnisse der entsendenden Behörden und Institutionen haben sich geändert, weil sich die Welt verändert hat“, sagt der Vizepräsident der Bundesakademie, Armin Staigis. „Deshalb wollen wir das Seminar für Sicherheitspolitik auf die neuen Gegebenheiten zuschneiden.“ Zielgruppen der Seminare bleiben die Führungskräfte, aber das Angebot wird aufgefächert für jüngere Fachleute einerseits und höhere Verantwortungsträger andererseits. Künftig bietet die Bundesakademie deshalb jährlich zwei sicherheitspolitische Seminare an.
So wird sich das „Seminar für Sicherheitspolitik“, die bisher tragende Säule der Weiterbildung, deutlich verändern, und zum „Kernseminar für Sicherheitspolitik“ komprimiert. Vielen Führungskräften aus Bundesministerien und Sicherheitsbehörden ist dieses Flaggschiff der Lehre an der Bundesakademie bekannt, weil sie selbst daran teilgenommen und hier für ihren weiteren Berufsweg wichtige Fähigkeiten vermittelt bekommen haben. Das neue, dreimonatige Kernseminar nun richtet sich insbesondere an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Bundesministerien, die darauf vorbereitet werden sollen, als Leiter sicherheitspolitischer Schlüsselreferate zu arbeiten. Der Lehrgang steht ebenso einem vergleichbaren Teilnehmerkreis aus Wirtschaft und Gesellschaft offen. Das Seminar legt einen Schwerpunkt auf Krisenprävention und Krisenmanagement, vermittelt einen alle Politikfelder umfassenden Sicherheitsbegriff und fördert das gegenseitige Verständnis für die verschiedenen Akteure der Sicherheitspolitik. Das Kernseminar verschafft damit sicherheitspolitische Handlungskompetenz, die deutlich über den jeweils eigenen, gegenwärtigen Verantwortungsbereich hinausgeht.
Das künftige „Führungskräfteseminar“ für herausgehobenes Leitungspersonal aus Staat, Wirtschaft und Gesellschaft hingegen soll in einer intensiven Austausch-Phase von drei Wochen seinen Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Gelegenheit geben, ihr Wissen über komplexe sicherheitspolitische Themen zu vertiefen und über Ressortgrenzen hinweg noch bessere Arbeitsbeziehungen aufzubauen. Kurz: Das Seminar schult strategisches Denken und Handeln. „Wir wissen, dass Führungskräfte die Vernetzung sehr schätzen, aber gleichzeitig nicht über längere Zeiträume abkömmlich sind“, sagt Staigis. Diesen Zwängen werde mit der neuen Aufstellung Rechnung getragen.
Sicherheitspolitische Fachveranstaltungen
Jedes Jahr veranstaltet die Bundesakademie etwa 70 Veranstaltungen mit circa 4.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Darunter fallen etliche Expertentermine, für die jetzt der Bereich „Fachtagungen und internationale Kooperation“ als dritte Säule der BAKS-Arbeit die Verantwortung übernimmt. Für diese nationale und die internationale Fachebene wird die Akademie als Plattform für Fragen zukünftiger Sicherheitspolitik und Strategie – mit der Akademie als neutralem Gastgeber – weiter ausgebaut.
Schon die bisherigen sicherheitspolitischen Fachgespräche an der Bundesakademie bringen regelmäßig die Entscheidungsträger aus unterschiedlichen Ministerien und Behörden über Ressort- und Bund-/Ländergrenzen hinweg sowie aus Wirtschaft, Gesellschaft und Forschung zusammen. Solche Foren werden von den Fachleuten sehr geschätzt, weil sie dort einen vertrauensvollen Meinungsaustausch pflegen und persönliche Netzwerke ausbauen können.
Sicherheitspolitische Problemlagen werden immer komplexer, die Entwicklungen rasanter. Deshalb kommt es darauf an, mit Fachleuten und Entscheidungsträgern darüber zu diskutieren, wer mit welchem Ansatz welche Richtung einschlägt – und wer in der sicherheitspolitischen Vernetzung stärker einbezogen werden muss. „Diese Diskussion auf Augenhöhe ist durch nichts zu ersetzen“, sagt Präsident Heumann.
Darüber hinaus wird weiterhin mit internationalen Partnereinrichtungen und Institutionen zusammengearbeitet. So spielt die Bundesakademie eine aktive Rolle im „European Security and Defence College“, dem Zusammenschluss der sicherheitspolitischen Institute und Akademien in der EU, und unterhält zugleich individuelle Partnerschaften mit Einrichtungen, die sich ebenfalls einem umfassenden Verständnis von Sicherheitspolitik verschrieben haben, darunter das französische „Institut des Hautes Études de Défense Nationale“ und die amerikanische „National Defense University“.
Die neue BAKS
Im Ergebnis positioniert sich die Bundesakademie für Sicherheitspolitik mit ihren drei Säulen nun als Weiterbilder, Erklärer und Wegbereiter – für Themenscouts, Strategen, operative Entscheider sowie Bürgerinnen und Bürger. „So wie sich die Bundesakademie jetzt aufstellt, sind wir auf dem richtigen Weg“, sagt Walter Kolbow, Staatssekretär a.D. und Vorsitzender des Beirats der Bundesakademie. „Die Diskussion und Vernetzung auf der Expertenebene, dann Ergebnisse mit dem Bürgerdialog kombinieren und Lehren aus dem Diskurs mit Experten und Bürgern in die Weiterbildung und den Response in die Seminare für die Führungsebenen der Bundesministerien geben – das ist eine ziemlich optimale Aufstellung für die deutsche Sicherheitspolitik.“
Autor: Christian Lipicki