Arbeitspapiere

Intelligence Studies in Deutschland - Ein Lagebild mit Handlungsempfehlungen

4/2024
Autor/in: 
Nachrichtendienste sind wichtige Akteure in der Sicherheitspolitik. In Deutschland unterliegen sie einer engmaschigen politischen Kontrolle und einem ausgeprägt kritischen Blick der Öffentlichkeit. Es verwundert daher, dass an deutschen Hochschulen im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern keine systematische Forschung und Lehre über Nachrichtendienste stattfindet. In der Folge steht Medien, politischen Kontrollinstanzen und Behörden in der Bundesrepublik kein strukturierter Zugang zu unabhängiger wissenschaftlicher Expertise über Nachrichtendienste offen. Dieser Mangel sollte durch eine Reihe von Maßnahmen behoben werden, um Fachwissen zugänglich zu machen, zur Professionalisierung von politischer Kontrolle sowie medialer Berichterstattung beizutragen und den Informationsgrad der Öffentlichkeit zu verbessern.

Das Bild zeigt einen sehr gut besuchten halbrunden Hörsaal, in dem alle der etagenförmig angeordneten Sitzreihen belegt sind.

Eine Auseinandersetzung mit Nachrichtendiensten finde an deutschen Universitäten noch kaum statt, schreibt Dr. Ali Dogan. Er plädiert dafür, intelligence studies in der deutschen Hochschul- und Forschungslandschaft zu fördern (Symboldbild). Foto: Flickr/this.is.seba/CC BY-SA 4.0

Obwohl der BND schon 1956 gegründet wurde, erhielt erstmals 1996 die damalige Zentrale in Pullach bei München eine „Bundesnachrichtendienst“-Tafel an der Zufahrt. Seitdem hat sich sowohl international als auch national viel getan. Nachrichtendienste treten nun viel transparenter in der Öffentlichkeit auf. Heute steht die BND-Zentrale mitten in Berlin und hat sogar ein Besucherzentrum. Der Auslandsnachrichtendienst führt weitere Standorte auf seiner Website auf und wirbt öffentlich mit Plakaten und auf Social-Media-Kanälen für neue Mitarbeiter. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und einige der 16 Landesämter treten heute sehr offen in Social-Media-Plattformen auf. Das dient nicht nur der Öffentlichkeitsarbeit, sondern auch der Nachwuchsgewinnung, bei der sich die Dienste auf dem von harter Konkurrenz mit anderen Behörden und Unternehmen geprägten Arbeitsmarkt als attraktive Arbeitgeber präsentieren möchten. Der Verfassungsschutz Niedersachsen beispielsweise arbeitet sehr aktiv mit sogenannten Memes – humorvollen bis satirischen Grafiken und Videos – auf Twitter und Instagram, die große Reichweite auch bei jungen Menschen erzielen.

Die Nachrichtendienste wollen im 21. Jahrhundert einerseits ihre Tätigkeit entmystifizieren. Andererseits haben nicht nur der NSU-Skandal und die NSA-Affäre, sondern auch die zahlreichen Sabotage- und Spionagefälle in den letzten Jahren viel, oft negative, Aufmerksamkeit auf die Dienste gezogen. Hinzu kommt, dass Politik und Gesellschaft in Deutschland aufgrund der historischen Erfahrungen mit staatlicher Überwachung und Unterdrückung im Nationalsozialismus sowie in der DDR zu großen Teilen kritisch auf Nachrichtendienste blicken. Als Konsequenz daraus sind in der Bundesrepublik hohe rechtliche Standards und eine engmaschige politische Kontrolle durch das Parlament in Kraft. Aktuelle Diskussionen zeigen allerdings auch, dass es in Öffentlichkeit und Politik oft an Wissen über nachrichtendienstliche Tätigkeiten fehlt – teils auch seitens jener politischen Mandatsträger, denen ihre Kontrolle obliegt.

Nachrichtendienste sind wichtige Akteure im Kontext der nationalen Sicherheit – zumal im Zuge der Zeitenwende. Die Bundesregierung hat in der Nationalen Sicherheitsstrategie 2023 ausdrücklich die Stärkung der Analysefähigkeiten und die Verbesserung des Zusammenwirkens der Nachrichtendienste mit anderen Behörden als Ziel festgeschrieben, um hybriden Bedrohungen besser entgegenzutreten und die Resilienz Deutschlands zu fördern. Die Strategie soll auch dazu dienen, die strategische Kultur der Bundesrepublik weiterzuentwickeln – eine Ambition, die nachrichtendienstliche Aspekte einschließen sollte.

Über die große Bedeutung der Nachrichtendienste für einen Staat ist die Wissenschaft weitgehend einig – egal, ob die Forschenden zu den Diensten kritisch oder unterstützend eingestellt sind. Doch während Deutschlands Nachrichtendienste oft als die „am strengsten kontrollierten“ Dienste bezeichnet werden und ihre Arbeit von einer kritischen zivilgesellschaftlichen Aufmerksamkeit begleitet wird, gibt es an deutschen Hochschulen bislang nahezu keine institutionalisierte Forschung zur Arbeit von Nachrichtendiensten, geschweige denn betreffende Institute oder Studiengänge. In anderen europäischen Ländern hingegen existieren seit langem ausgewiesene Institute für Intelligence Studies, die sowohl BA- als auch MA-Studiengänge an renommierten Universitäten anbieten.

So gibt es in Deutschland keine Stelle an Universitäten, Stiftungen oder Think Tanks, die sich explizit mit den Nachrichtendiensten als Forschungsschwerpunkt beschäftigt. Weder Medien noch die politischen und behördlichen Kontrollinstanzen haben bisher strukturierten Zugang zu einer wissenschaftlichen Expertise über Nachrichtendienste in Deutschland. Zwar bestehen Kontakte zu einzelnen ausgewiesenen Fachleuten, doch ändert das nichts am strukturellen Mangel. Oft basiert das Wissen über Nachrichtendienste auf Zeitungsmeldungen, populärer Literatur und Dokumentationen. Diese bedienen sich regelmäßig eines Schock-Effekts, der das nachrichtendienstliche Ereignis oft als „Skandal“, „Affäre“ oder „illegal“ betitelt. Hinzu kommt, dass Meldungen über Erfolge nachrichtendienstlicher Arbeit – etwa die Verhinderung eines Terroranschlags – aufgrund der Natur der Sache knapp ausfallen müssen. Damit wird öffentlich überwiegend ein skandalisierendes Bild von Nachrichtendiensten erzeugt, welches für ein analytisches Verständnis von nachrichtendienstlichen Tätigkeiten nicht hilfreich ist. Das wird insbesondere dann zum Problem, wenn für mit Nachrichtendiensten befasste Medien und Kontrollinstanzen solche Quellen die einzige ihnen bekannte Möglichkeit der Wissensaneignung sind.

Der Zugang zum Wissen über Nachrichtendienste könnte durch die Schaffung von Personalstellen mit Bezug zu Intelligence Studies an Universitäten, Stiftungen und Think Tanks und durch einen spezialisierten Studiengang ermöglicht werden. Das würde nicht nur generell das Verständnis über die Aufgaben und Rolle von Nachrichtendiensten fördern, sondern würde auch eine kritische wissenschaftliche Auseinandersetzung mit ihrer Funktion ermöglichen. Vergangene Ereignisse mit nachrichtendienstlicher Involvierung könnten dann öffentlich und unabhängig wissenschaftlich aufgearbeitet und erklärt werden.

Was sind Intelligence Studies?

Intelligence Studies sind in den USA in der Nachkriegszeit als Wissenschaft für die Nachrichtendienstmitarbeiter entstanden und waren bis in die 2000er Jahre sehr funktionalistisch geprägt. Heute jedoch gibt es zahlreiche „Schulen“ und Forschungszweige, wie zum Beispiel die new - und die critical intelligence studies, die sich auch kritisch mit dem Thema auseinandersetzen und aus rein universitärem Kontext entstammen. In diesem Sinne wird oft auch zwischen den Intelligence Studies „für“ und „über“ Nachrichtendienste unterschieden. Eine klare Grenze gibt es hier jedoch nicht, da beide Bereiche sowohl den Nachrichtendiensten für ihre Arbeit als auch der Wissenschaft für ihre Forschung dienen können. Heutzutage kommen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Intelligence Studies vorrangig aus dem universitären Bereich und betreiben wie andere Disziplinen Grundlagenforschung. Sie beschäftigen sich beispielsweise mit der Erklärung der internationalen Nachrichtendienstbeziehungen durch soziologische Konzepte oder der politikwissenschaftlichen Erklärung zur Existenz von Nachrichtendiensten.

Insbesondere die Geschichtswissenschaft hat mit ihren detaillierten empirischen Forschungen den Grundstein für die heutigen Intelligence Studies gelegt. Dazu zählen in Deutschland aktuell auch die Veröffentlichungen der Unabhängigen Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes 1945-1968 und die Forschungsprojekte über die Geschichte des BfV von Prof. Dr. Michael Wala und Prof. Dr. Constantin Goschler, aber auch die Forschungen von Prof. Dr. Daniela Münkel zum Ministerium für Staatssicherheit der DDR. Die geschichtswissenschaftlichen Forschungen haben es den anderen Disziplinen erst ermöglicht, sich empirisch mit dem Thema auseinanderzusetzen und Forschungsfragen zu konzipieren. Daneben beschäftigten sich somit insbesondere seit den 2000er Jahren immer mehr Forschende aus der Rechtswissenschaft, Politikwissenschaft, Soziologie, Psychologie und auch Philosophie mit diesem Thema.

Heute gibt es mehrere wissenschaftliche Zeitschriften für Intelligence Studies wie zum Beispiel die Intelligence and National Security und die Intelligence and Counterintelligence. Es sind auch zahlreiche wissenschaftliche Publikationen in renommierten Verlagen erschienen, darunter The Oxford Handbook of National Security Intelligence bei Oxford University Press. Neben der zahlreichen Sekundärliteratur gibt es die Möglichkeit, in den nationalen und internationalen Archiven, wie zum Beispiel dem Bundesarchiv oder den National Archives in London Dokumente einzusehen. Zudem stehen heute viele ehemalige Nachrichtendienstmitarbeiter für Interviews zum Zwecke der Forschung bereit.

Die USA und Großbritannien sind die Spitzenreiter im Feld der Intelligence Studies. Viele renommierte Universitäten, wie zum Beispiel das King‘s College und die Georgetown University, bieten einen eigenen Studiengang zu den Nachrichtendiensten an, während an der Cambridge und der Harvard University zumindest betreffende Kurse angeboten und Forschungsprojekte durchgeführt werden. Auch viele EU-Partner sind in den zivilen Intelligence Studies den Universitäten in Deutschland voraus. Am Sciences Po in Paris gibt es mehrere Kurse zu den Intelligence Studies und ein Zentrum zur Nachrichtendienstforschung (Metis - Le renseignement et les sociétés démocratiques). Außerdem gibt es seit 2000 mit dem Centre Français de Recherche sur le Renseignement (CF2R) einen Think Tank für Intelligence Studies. In Österreich gibt es das Austrian Center for Intelligence, Propaganda and Security Studies (ACIPSS), ein Think Tank, der eine eigene englischsprachige Zeitschrift herausbringt. Auch die Niederlande sind mit Forschenden an der Universität Leiden und dem Masterstudiengang Intelligence and National Security sehr gut aufgestellt. In Spanien und Italien werden Masterprogramme zu den Intelligence Studies angeboten.[1]

Bisherige Einrichtungen der Intelligence Studies in Deutschland

In Deutschland existiert mit dem Master of Intelligence and Security Studies (MISS) bisher nur ein Studiengang für vorrangig angehende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nachrichtendienste, der in Kooperation der Universität der Bundeswehr München und der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung ausgerichtet wird – „007 kommt in den Hörsaal“, hieß es in der Deutschen Welle, als er 2019 eingeführt wurde. Auch das Zentrum für Nachrichtendienstliche Aus- und Fortbildung (ZNAF), in dem die Laufbahnausbildung für den mittleren und den gehobenen Dienst in den deutschen Nachrichtendiensten geleistet wird, unterrichtet betreffende Themen, steht aber ebenso nicht der Öffentlichkeit zur Verfügung.

Einen Zugang zu Intelligence Studies an Universitäten gibt es bislang in Deutschland nur vereinzelt durch Bachelor- und Masterkurse. Schon in den Anfängen der 2000er Jahre gab es Seminare zu Nachrichtendiensten am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaften der Freien Universität Berlin, und auch die Universität Potsdam mit ihrem Studiengang zur Militärgeschichte bietet zuweilen Kurse zur Geschichte der Nachrichtendienste an. Seit den letzten Jahren ist am Lehrstuhl von Prof. Dr. Sophia Hoffmann an der Universität Erfurt sowohl die Teilnahme an Kursen mit Bezug zu Nachrichtendiensten als auch die Forschung über Nachrichtendienste möglich. Im Wintersemester 2024 bietet Prof. Hoffmann wieder einen Kurs mit dem Titel „Nachrichtendienste in den internationalen Beziehungen“ an. Der Autor selbst hat 2022 und 2023 Seminare zu Nachrichtendiensten am Otto-Suhr-Institut und an der Universität Hamburg gehalten, die auch Grundlagen wie Open Source Intelligence, Desinformation und private intelligence companies behandelten. Diese zeugten mit hohen Anmeldezahlen und kontinuierlicher Präsenz der Studierenden von großer Nachfrage und einem substanziellen inhaltlichen Interesse an der Materie.

Diese Beispiele unterstreichen die Relevanz der Intelligence Studies und zeigen, dass die Wissenschaft in Deutschland hier nicht von Null anfängt. Insgesamt wird jedoch auch deutlich, dass angesichts über 100 existierender Universitäten in der Bundesrepublik im europäischen und internationalen Vergleich eindeutig Nachholbedarf besteht. Auch wenn es bereits einige Drittmittelprojekte in der Geschichtswissenschaft, Rechtswissenschaft und vereinzelt in der Politikwissenschaft gab, sind Umfang, Sichtbarkeit und Förderung der Intelligence Studies im Vergleich zu der Bedeutung der Nachrichtendienste in der internationalen Politik sehr gering. Insbesondere aktuelle Debatten über die politische Kontrolle der Nachrichtendienste und über die Funktion von Nachrichtendiensten wie auch über die des militärischen Nachrichtenwesens zeigen, dass hier weit mehr nötig wäre als nur das Angebot vereinzelter Kurse.

Die Intelligence Studies im Ausland haben bislang viel theoretisches Wissen und methodische Herangehensweisen für neue Empirie geliefert, sodass nun auch mehr Forschenden und Studierenden in Deutschland die Möglichkeit gegeben werden sollte, sich in Hinzuziehung der internationalen Expertise mit spezifisch deutschen Fragestellungen auseinanderzusetzen. Nachrichtendienste können wissenschaftlich erforscht werden, und die gewonnenen Erkenntnisse helfen keineswegs nur diesen selbst, sondern insbesondere der kritischen Öffentlichkeit und allen, die mit der Kontrolle die Nachrichtendienste befasst sind.

Wem und wie würden die zivilen Intelligence Studies helfen?

So könnten Intelligence Studies die Tätigkeit der Kontrollinstanzen – der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, der Mitarbeitenden der Abgeordnetenbüros und der Fraktionen, der Medien und auch der behördlichen Fachaufsicht – professionalisieren. Mit dem 2021 gegründeten Unabhängigen Kontrollrat und der Stärkung des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages ebenso wie angesichts der aktuellen geopolitischen Situation ist der Bedarf an einer verstärkten unabhängigen wissenschaftlichen Expertise unabdingbar.

Auch das Problem hybrider Kriegsführung durch Desinformation und das steigende Ausmaß von Verschwörungstheorien zeigen die Dringlichkeit. Ebenso könnten die auch in der Öffentlichkeit immer stärker genutzten Methoden von Open Source Intelligence für journalistische, wissenschaftliche, aber auch wirtschaftliche Zwecke in einem spezialisierten Studiengang hinsichtlich ihrer Chancen, Grenzen und gesellschaftlichen Konsequenzen analysiert und diskutiert werden. Warum sind Nachrichtendienste oft Teil von Verschwörungstheorien? Wie wirkt und funktioniert Desinformation, und mit welchen Stereotypen und Methoden sowie technischen Möglichkeiten wird in diesem Bereich gearbeitet? Diese und weitere Fragen könnten in einem breit angelegten Studiengang zu den Intelligence Studies zahlreiche interessierte Studierende und Fakultätsmitarbeitende anziehen.

Es erscheint offensichtlich, dass immer mehr Bereiche von Politik, Behörden, Wissenschaft, Wirtschaft und NGOs vertieftes Wissen über die Nachrichtendienste oder nachrichtendienstliche Tätigkeiten aus einer unabhängigen Quelle und Institution benötigen. Ein auf strukturierter Forschung fußendes Studienangebot an Universitäten wäre die richtige Antwort darauf. Durch die damit erreichte bessere Zugänglichkeit zu Expertise und Wissensbeständen über Nachrichtendienste könnte zudem ein Beitrag zur Weiterentwicklung der strategischen Kultur der Bundesrepublik geleistet werden

Handlungsempfehlungen

  1. Deutsche Universitäten sollten Masterprogramme in Intelligence Studies anbieten, sodass Interessierte sich in diesem Bereich spezialisieren können. Mehrere Universitäten könnten einen interdisziplinären Studiengang in Intelligence Studies einrichten, der sich aus Lehrteilen der Politikwissenschaft, der Soziologie, der Geschichts- und der Rechtswissenschaft sowie der Psychologie zusammensetzt.
  2. Wichtige Drittmittelgeber wie zum Beispiel die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), das Bundesministerium für Bildung und Forschung, die Volkswagen-Stiftung und die Politischen Stiftungen sollten Forschende gezielt in ihren Vorhaben im Bereich der Intelligence Studies unterstützen. Insbesondere Politische Stiftungen könnten bei ihren Stipendien gezielt für Forschung zu Nachrichtendiensten werben.
  3. Ferner sollten deutsche Universitäten internationale Kooperationen mit anderen Universitäten zu Intelligence Studies eingehen. Hier könnte der Austausch von Studierenden durch Auslandssemester (insbesondere innerhalb der EU) sehr hilfreich sein, und dieser sollte durch Stipendien unterstützt werden.
  4. Stiftungen, Think Tanks, NGOs sowie andere Akademien und Institute sollten sich dem Thema Nachrichtendienste in Deutschland nähern und eine Diskussion im öffentlichen Raum anregen. Das könnte durch Papiere und Veranstaltungen mit Bezug zu den Intelligence Studies ermöglicht werden. Hierzu könnten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland konsultiert werden, aber auch eigens Stellen in diesen Institutionen geschaffen werden, die sich explizit mit Nachrichtendienstthemen befassen. Insbesondere die ausdrücklich mit sicherheitspolitischen Themen befassten Institute wie beispielsweise die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und das Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (ISPK) könnten hier vorangehen.
  5. Als Abrundung dieser intensivierten wissenschaftlichen Auseinandersetzung könnte eine halbjährig erscheinende, deutschsprachige Fachzeitschrift mit Fokus auf Intelligence Studies gegründet werden. Diese würde allen beteiligten Akteuren eine Plattform geben und auch als Wissensquelle in Deutschland dienen. Fokus der Zeitschrift sollten Themen sein, die für den deutschen Raum von Bedeutung sind. Als unabhängige finanzielle Quellen könnten Universitäten dienen, die einen Studiengang zu Intelligence Studies anbieten. Ebenso könnten bestehende Fachjournale wie beispielsweis SIRIUS – Zeitschrift für Strategische Analysen oder die Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik (ZfAS) mit einem Sonderheft oder einer ausgabenübergreifenden Reihe zum Thema die Aufmerksamkeit in der wissenschaftlichen Community erhöhen.

Zur Umsetzung dieser Empfehlungen ist es erforderlich, die akademische Kultur insbesondere in den Geisteswissenschaften gegenüber sicherheitspolitischen Themen stärker zu öffnen. Die Universitäten, Stiftungen und Think Tanks sollten es als Stärke sehen, wenn sie die nachrichtendienstliche Arbeit wissenschaftlich hinterfragen, analysieren und erforschen, anstatt diese wie bislang weitgehend zu ignorieren. Die Nachrichtendienste für die Öffentlichkeit zu erschließen und besser verständlich zu machen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der Deutschland endlich gerecht werden muss.

Dr. Ali Dogan war 2023 BAKS-Fellow und hat zur Arbeit des Bundesnachrichtendienstes und der irakischen Nachrichtendienste am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaften der Freien Universität Berlin promoviert. Derzeit arbeitet er bei dem Unternehmen EY im Bereich Forensic & Integrity Services.

 

[1] Siehe weiterführend die online verfügbare Übersicht Intelligence Studies des Gesprächskreises Nachrichtendienste in Deutschland e.V. .

Working Paper topic: 
Intelligence Services
Political Debate
Region: 
Germany
Tags: 
Arbeitspapier
Security Studies
Nachrichtendienststudien
Wissenschaft
Forschung
Lehre
Universität
Kontrollinstanz
Öffentlichkeit